Seit 2010 ist es dem regierungskritischen iranischen Regisseur Jafar Panahi untersagt, Filme zu drehen. Doch er lässt sich nicht beirren: «3 Faces» ist seine vierte Produktion, die unter dem Arbeitsverbot entstanden ist.
Der inzwischen 58-jährige Jafar Panahi zog den Zorn des iranischen Regimes auf sich, als er sich 2009 als Unterstützer der sogenannten «grünen Revolution» – dem friedlichen Widerstand gegen die dubiose Wiederwahl des konservativen Hardliners Mahmoud Ahmadinejad – zu erkennen gab. Er wurde zusammen mit seinen Freunden und Arbeitskollegen Mohammad Rasoulof und Mehdi Pourmoussa verhaftet und, nach einem Hungerstreik, zu einer Ausreisesperre und einem 20-jährigen Filmdrehverbot verurteilt. Was an dieser Stelle angefügt werden muss: Selbst wenn sich Panahi an diese Auflagen gehalten und die Kamera 2010 niedergelegt hätte, würde er – dank Werken wie «The White Balloon» (1995), «The Mirror» (1997) und «Offside» (2006) – trotzdem zu den bedeutendsten Filmkünstlern gehören, die der Iran je hervorgebracht hat.
Doch er hat das Verbot nicht akzeptiert, untermauerte mit «This Is Not a Film» (2011), «Closed Curtain» (2013) und «Taxi» (2015) seinen Ruf als Meisterregisseur und wurde so zu einer internationalen Symbolfigur gegen totalitäre Zensur – und das, obwohl sich die iranische Regierung das Recht vorbehält, Panahi wieder ins Gefängnis zu stecken, wenn er beim Filmen erwischt wird.
«3 Faces» muss vor diesem Hintergrund betrachtet werden: Der Film markiert einen grossen Schritt in Panahis «illegalem» Schaffen. In «This Is Not a Film» und «Closed Curtain» stand er unter Hausarrest und drehte gezwungenermassen in seiner Teheraner Wohnung. In «Taxi» lotete er die Grenzen seiner Bewegungsfreiheit im Inland aus, indem er sich dabei filmte, wie er mit dem Auto durch den Feierabendverkehr der iranischen Hauptstadt fuhr.
In «3 Faces» bricht er aus. Zusammen mit der Schauspielerin Behnaz Jafari reist Panahi in den Nordwesten des Landes, wo sich «niemand für meine Verurteilung interessiert». Hier, in der Anonymität der iranischen Provinz, wo er sich auf seine eingerosteten Türkisch- und Aserbaidschanischkenntnisse verlassen muss, dreht er, zum ersten Mal seit «Offside», so etwas wie einen klassischen Spielfilm: Er und Jafari suchen nach einer jungen Frau, deren konservative Familie sie daran hindern will, zur Schauspielschule zu gehen.
Doch diese Prämisse dient eher als Vorwand: Wie in «Taxi» räumt Panahi seinen Nebenfiguren – die meisten von ihnen liebevoll-ironische Karikaturen – hier viel Platz ein. Zwar verleiht dies «3 Faces» den leichtfüssigen Charme seines Vorgängers, beisst sich mitunter aber ein wenig zu stark mit dem ernsten Tonfall des primären Handlungsstrangs, der mit dem Video eines angeblichen Selbstmordes eingeführt wird.
«Kann die Generation, die unter dem Joch der Ayatollahs gross geworden ist, ihren Nachkommen überhaupt noch etwas beibringen?»
Und trotzdem lohnt sich der Kinobesuch – wie immer bei Panahi. Unter der etwas chaotischen Oberfläche von «3 Faces» – die wohl auch der ungewohnten Freiheit des Regisseurs zuzuschreiben ist – spielt sich eine spannende Auseinandersetzung mit der sozialen, politischen und künstlerischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Irans ab: Kann die Generation, die unter dem Joch der Ayatollahs gross geworden ist, ihren Nachkommen überhaupt noch etwas beibringen? Oder liegt die einzige Hoffnung in der Rückbesinnung auf die Zeit vor der islamischen Revolution? Es sind ernüchternde Fragen, die Panahi hier stellt – Fragen, mit denen er sich einmal mehr als einer der wichtigsten Chronisten des Weltkinos erweist.
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Kinostart Deutschschweiz: 27.12.2018
Filmfakten: «3 Faces» («سه رخ», «Se rokh») / Regie: Jafar Panahi / Mit: Jafar Panahi, Behnaz Jafari / Iran / 100 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Filmcoopi
Die Höhen von Jafar Panahis Meisterwerken mag «3 Faces» nicht erreichen, doch das Drama besticht dennoch mit anregenden Figuren und starkem politischem Subtext.
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