„Nahid! Naaahiiiid!“, hallte eine männliche Stimme durch das Haus. „Nahid, so komm doch endlich!“
„Ja doch“, kam sie die Treppe runter und in die Wohnstube gestürmt. Beinahe wäre Nahid über die Teppichkante gestolpert. „Was gibt es denn so dringendes, Baran?“
„Kannst du uns bitte einen Wagen bei Taxi Teheran bestellen? Wir möchten fahren“, sagte er.
„Nur ihr zwei? Du und Shirin?“, fragte das Mädchen unsicher.
„Nein, du kommst mit. Nur wir drei zusammen oder keiner,“, entgegnete Baran fest.
„Was ist mit Nader und Simin?“, wollte Nahid wissen.
„Die? Die machen eine Reise nach Kandahar“, wehrte Baran ab.
„Wohin? Was wollen die denn dort?“
„Was weiss ich? Dem Feuerzauber folgen und das Afghanische Alphabet lernen.“
„Haben die ABC Africa geraucht? Oder gar eine Handvoll Gras genommen und sehen jetzt ein Himmel voller Sterne?“, fragte Nahid ungläubig.
„Pass auf, wie du redest“, fuhr sie Baran unwirsch an. „Wenn du es genau wissen willst: Sie sind bei den Mongolen an die Hochzeit der Auserwählten eingeladen. Du weisst doch, sie sind Kinder des Himmels und hören verborgene Stimmen. “
„Ja, ja“, wollte Nahid beschwichtigen, konnte sich jedoch nicht richtig beherrschen und scherzte weiter: „Und ich kenne den Geschmack der Kirsche und höre täglich das Lied der Sperlinge.“
„Schluss jetzt, Nahid!“, brauste Baran auf. „ Stille! Oder du spürst die Macht des Geldes. Niemand kennt die Persian Cats wie Nader und Simin. Sie sind die Reisenden. Valderama nochmal. Soll ich Abi und Rabi holen? Wenn wir keine respektable Familie mehr sind, dann sind wir verloren im Irak. Dies ist kein Film!“
„Shoot Me“, flüsterte das Mädchen.
„Es reicht!“, explodierte Baran und kochte vor Wut. Er hatte gehört, was Nahid leise gesagt hatte und missbilligte ihr Unverständnis: „Wenn ich nicht gewesen wäre und dich bei Wind und Nebel vor Muhammad gerettet hätte, wärest du schon längst auf Iron Island im Frauengefängnis und könntest jetzt nicht als Busfahrerin arbeiten. Sie, die sich die Gesandten Gottes nennen, sie hätten dich in den Staub getanzt. Jetzt ist keine Zeit der trunkenen Pferde. Es ist die Zeit des Zorns. Nahid, verstehe doch: Der Fürst Ehtejab ist grenzenlos. Er und seine schmutzigen Helden, die Kinder und die Soldaten sitzen an schwarzen Tafeln und reichen den Apfel herum. Gerade so wie im Paradies. Aber es ist Winter im Paradies. Selbst Manuskripte können jetzt nicht mehr brennen. Es wird Zeit, das der Kreis sich wieder schliesst, dann können Schildkröten auch wieder fliegen.“
„Ich kann nicht Baran“, sagte das Mädchen verzweifelt. „Ich kann nicht weg.“
„Warum nicht Nahid?“, fragte Baran gereizt.
„Die wissen alles über Elly.“
„Und was willst du jetzt machen?“
„Ich muss zum Café Transit.“
„Café Transit?“
„Ja! Dort erfahre ich, wo das Haus meines Freundes ist.“
„Und was ist, wenn du ins Offside und in die Hände der Bassidji gerätst?“, wollte Baran wissen.
„Weiss ich nicht. Der Wind wird uns tragen.“
„Was ist mit Sonita?“
„Was soll mit der schon sein?“, zuckte Nahid mit den Schultern.
„Kann sie nicht helfen?“
„Nein, sie ist im Mädchenhaus und steht unter Hausarrest. Homework nennen die das.“
„Okay“ lenkte Baran ein, „wie spät haben wir es.“ Er schaute auf die Uhr an der Wand. „Fünf Uhr am Nachmittag. Gut. Du bleibst solange hier, bis der Halbmond aufgeht. Hast Du verstanden? Du rührst dich nicht vom Gabbeh.“
Nahid nickte.
„Wie sieht das Haus deines Freundes aus?“, fragte Baran.
„Ich glaube, das Haus ist schwarz“, antwortet Nahid.
„In Ordnung. Ich warte, bis die Männer zur Arbeit sind, danach gehe ich los. Hab keine Angst.“
„Ich bin nicht ängstlich. Ich bin kein Kind mehr. Ich bin eine Frau!“
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