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Die Oscar-Dokumentarfilme 2017 im Check

Von Alan Mattli @AlanMattli · On Februar 23, 2017


2016 war ein grossartiges Kinojahr. Um zu dieser Feststellung zu gelangen, genügt ein Blick auf die Hauptkategorien der Oscars, die in der Nacht zum Montag, 27. Februar (2 Uhr MEZ), in Los Angeles verliehen werden. „Moonlight“, „La La Land“, „Manchester by the Sea“, „Jackie“, „Hidden Figures“ – die Liste lässt sich beliebig erweitern. Wir haben das Quintett unter die Lupe genommen, aus dem die Academy den besten Dokumentarfilm des Jahres küren muss.

Eine Kategorie, in der so bemerkenswerte Filme wie Josh Kriegmans und Elyse Steinbergs „Weiner“, Keith Maitlands „Tower“ oder Kirsten Johnsons „Cameraperson“ keinen Platz gefunden haben, muss Aussergewöhnliches zu bieten haben.

„13th“

Wer Ava DuVernay kennt – und jeder sollte sie kennen –, kennt sie wahrscheinlich dank ihrer drei Spielfilme: „I Will Follow“ (2010), „Middle of Nowhere“ (2012) und „Selma“ (2014). Ihr Langfilmdebüt jedoch feierte sie 2008 mit „This Is the Life“, einer Dokumentation über die alternative Hip-Hop-Szene im L. A. der Neunzigerjahre; fürs Fernsehen hat sie vier weitere Filme in diesem Fach gedreht. Und jetzt also „13th“, ein für Netflix produziertes Porträt des Gefängnisstaats USA und der rassistischen Mechanismen, die im amerikanischen Gesetz verankert sind. Angefangen bei Lincolns unvollständiger Sklavenemanzipation – dem 13. Zusatzartikel der US-Verfassung, der Sklaverei zwar formal verbietet, sie als gerichtliches Strafmass aber weiterhin erlaubt –, arbeitet sich DuVernay mit Hilfe prominenter Interviewpartner durch 150 weitere Jahre weisser Suprematie („white supremacy“). Was ist passiert, dass ein junger schwarzer Mann heute eine 33-prozentige Chance hat, irgendwann im Gefängnis zu landen? „13th“ demonstriert mit grossartiger, erschütternder Akribie, wie Schwarze (und Hispanics) durch zahllose rassistische Gesetzgebungen entrechtet und unter Pauschalverdacht gestellt wurden. Es ist nicht der einzige Dokumentarfilm im Oscarrennen, der sich mit der prekären Lage von Black America im Zeitalter von Donald Trumps weissem Zorn beschäftigt, doch es ist womöglich der zugänglichste. Diese 90 Netflix-Minuten kann jeder verantworten – diesen Film muss man sehen.

„Fuocoammare“

Der am meisten beachtete filmische Beitrag zur Flüchtlingskrise ist ein Werk, das sich klassischen dokumentarischen Konventionen verweigert. Gianfranco Rosis „Fuocoammare“ (zu Deutsch: „Feuer auf See“) zeigt unkommentierte Szenen aus dem Leben einer Dorfgemeinschaft auf Lampedusa; dabei liegt der Fokus auf einem Fischerssohn und einem Arzt; immer wieder schneidet Rosi ins hiesige Auffanglager oder auf die Rettungsschiffe, die vor der Küste überfüllte Schlepperboote abfangen. Es ist ein unpolitischer, menschlicher Blick auf eine humanitäre Katastrophe, deren soziale Dimension in der Weltpolitik riesige Wellen schlägt. Man kann Rosi vorwerfen, dass er es sich ein bisschen zu leicht macht, wenn er lampedusische Geschichten von verlorenen Fischerbooten mit den grauenvollen Aufnahmen verdurstender Flüchtlinge in einen impliziten Zusammenhang stellt. Doch als humanistische Fly-on-the-wall-Dokumentation über zwei verschiedene, vom Lauf der Geschichte zusammengetriebene Welten geht von „Fuocoammare“ eine nicht von der Hand zu weisende Faszination aus.

„I Am Not Your Negro“

James Baldwin (1924–1987) ist vielleicht einer der einflussreichsten amerikanischen Nachkriegsautoren, doch gerade im deutschsprachigen Raum erfreut sich sein Werk – darunter Texte wie „Go Tell It on the Mountain“ (1953) und „Giovanni’s Room“ (1956) – keiner grossen Bekanntheit. Das sollte sich nun mit „I Am Not Your Negro“ endlich ändern. Die Dokumentation des Haitianers Raoul Peck basiert auf Baldwins unvollendetem Buch „Remember This House“, in dem er der Bürgerrechtsikonen Medgar Evers, Malcolm X und Martin Luther King Jr. gedenkt. Peck vermischt Originalaufnahmen von Baldwin mit Textzitaten – eingesprochen von Samuel L. Jackson –, Archivbildern und Szenen aus dem heutigen Amerika und kreiert so eine tiefgreifende Auseinandersetzung damit, was es heisst, schwarz zu sein in Amerika. Die Kraft von „I Am Not Your Negro“ liegt darin, wie unaufdringlich dem Publikum vor Augen geführt wird, wie aktuell die Worte Baldwins – des schwarzen, homosexuellen, sozialistischen Querdenkers –, mehr als 30 Jahre, nachdem sie geschrieben wurden, noch immer sind. Ein Blick auf die weisse Reaktion auf Black Lives Matter genügt, um festzustellen, dass die amerikanische Kultur bestenfalls von weisser Moderation dominiert wird, vom naiven Glauben, dass der Rassismus, wenn nicht nach dem Bürgerkrieg, dann wenigstens nach dem Civil Rights Act von 1964 der Vergangenheit angehört. Gemeinsam mit „13th“ ist „I Am Not Your Negro“ die wichtigste Dokumentation im Oscarrennen. Ein Deutschschweizer Kinostart ist für April oder Mai geplant.

„Life, Animated“

2010 gewann Roger Ross Williams mit „Music by Prudence“ den Oscar für die beste Kurzdokumentation. Nun ist er mit „Life, Animated“ wieder im Rennen: Es ist ein oft berührendes Porträt von Owen Suskind, einem jungen autistischen Mann, der kurz davor steht, in seine eigene Wohnung zu ziehen. Parallel dazu erzählen Williams, Owen und seine Eltern, wie er als Kind mit Hilfe von animierten Disney-Filmen die Welt zu verarbeiten lernte. „Life, Animated“ tappt in diverse Fallen, die das Thema Autismus mit sich bringt: Die Krankheit wird als „Gefängnis“ bezeichnet und den neurotypischen Angehörigen wird ein wenig zu viel Deutungshoheit über Owens Situation gewährt. Ansonsten erhalten die Zuschauer jedoch einen spannenden Einblick in eine ungewöhnliche Geschichte – und in ein Thema, das im Kino bislang nur selten seriös behandelt wurde.

„O.J.: Made in America“

Dokumentarfilme können lang werden – wie könnte es auch anders sein bei einem Genre, das sich dem gründlichen Studium der Welt verschrieben hat? Ken Burns’ grandioses Fernsehprojekt „The Civil War“ (1990) dauert mehr als elf Stunden, Claude Lanzmanns Holocaust-Monument „Shoah“ (1985), die vielleicht beste Dokumentation aller Zeiten, deren zehn. Und nun ist mit Ezra Edelmans „O.J.: Made in America“ – nicht zu verwechseln mit der preisgekrönten Miniserie „American Crime Story: The People vs. O.J. Simpson“ – ein weiteres Werk dieser Grössenordnung für den Oscar nominiert. Fast acht Stunden lang beschäftigt sich Edelman mit dem komplizierten Leben des Footballstars, Schauspielers („The Naked Gun“) und mutmasslichen Doppelmörders O.J. Simpson, der, nach seinem kontroversen Freispruch 1995, 2008 wegen Raubüberfalls zu 33 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Nicht nur ist „Made in America“ spannend wie ein hochkarätiger Thriller; es gelingt ihm, an Simpsons Beispiel ein umfassendes Bild eines Landes zu erstellen, das von komplexen, sich überlagernden Privilegien und Mechanismen geprägt ist. Wie ist es dazu gekommen, dass ein Multimillionär, der während der Sechziger- und Siebzigerjahre dem Civil Rights Movement eine Absage erteilte und stets die Nähe zum weissen Establishment suchte, durch seinen Gerichtsprozess plötzlich zur medialen Symbolfigur der gebeutelten schwarzen Unterschicht von Los Angeles und ihrem Kampf gegen die rassistische LAPD wurde? Wie es sich im Laufe der acht mitreissenden Stunden herausstellt, ist in diesem Leben – wie auch im Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg – nichts einfach, nichts selbstverständlich, nichts ohne doppelten und dreifachen Boden. Sollte „O.J.: Made in America“ den Dokumentarfilm-Oscar tatsächlich gewinnen, wie es ihm die meisten Experten prophezeihen, dann hätte er die Auszeichnung wahrlich nicht gestohlen.

–––

Bild- und Trailerquellen: Netflix, Xenix Films, Sister Distribution, The Orchard, ESPN Films

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