Konventionen bricht «Gomorra»-Regisseur Matteo Garrone in seinem neuen Film keine. Doch dank stilsicherer Inszenierung und herausragender Darsteller zeigt «Dogman», dass auch bekannte Muster reizvoll aufgearbeitet werden können.
Wie so viele Vertreter des italienischen Krisenkinos – von Daniele Luchettis «La nostra vita» (2010) über Alice Rohrwachers «Corpo celeste» (2011) bis hin zu Francesco Munzis «Anime nere» (2014) – erzählt auch Matteo Garrones Drama eine Aussenseitergeschichte in der heruntergekommenen Peripherie Italiens. In «Dogman» ist dies das südrömische Magliana-Viertel; der Aussenseiter im Mittelpunkt des Geschehens ist der schüchterne Hundefriseur Marcello, gespielt von Marcello Fonte, der in Cannes für seine Leistung zu Recht mit dem Schauspielpreis ausgezeichnet wurde.
Der geschiedene Marcello hat sich in der Tristesse der Römer Vorstadt mit seinem Hundesalon eine sichere Existenz aufgebaut. Alle vertrauen ihm ihre vierbeinigen Lieblinge an; mit den anderen Ladenbesitzern am Platz kommt er gut aus; er bekommt regelmässig Besuch von seiner Tochter (Alida Baldari Calabria); abends teilt er sich sein Essen mit seinem treuen Hund. Doch die Idylle trügt: Marcello verdient sich mit dem Verkauf von Kokain etwas dazu, was ihm die zweifelhafte Freundschaft von Simoncino (Edoardo Pesce), dem aggressiven Quartier-Störenfried, eingetragen hat.
Stillstand und Grenzen zwischen wahrer Kameradschaft und mafiösem Ehrenkodex
Gewalt, Drogen, bröckelnde Infrastruktur, persönliche Tragödien – im Motiv-Bingo des italienischen Feel-Bad-Films hakt «Dogman» so ziemlich alle Felder ab. Die Bemerkung, dass sein Film deshalb bisweilen etwas überfrachtet wirkt, muss sich Garrone gefallen lassen. Treibt er diesen Stil in seinen nächsten Projekten so weiter, begibt er sich wohl schon bald in die Nähe der Selbstparodie.
Doch «Dogman» bleibt – nicht zuletzt dank Garrones Qualitäten als Regisseur – davon noch verschont. Die Geschichte vom kleinen Marcello, der sich in einer gnadenlosen Welt nach Ruhe und Frieden sehnt, berührt; die darin integrierte Milieuzeichnung ist hochgradig atmosphärisch. Garrone konzentriert sich auf wenige, dafür umso markantere Schauplätze, die wohl emblematisch für die Lage der italienischen Arbeiterklasse stehen sollen – allen voran die verfallene Piazza, die von Geschäften gesäumt ist, deren Inhaber vor allem voneinander profitieren. Hier herrscht der Stillstand; die Grenzen zwischen wahrer Kameradschaft und mafiösem Ehrenkodex sind fliessend.
«Die Geschichte vom kleinen Marcello, der sich in einer gnadenlosen Welt nach Ruhe und Frieden sehnt, berührt; die darin integrierte Milieuzeichnung ist hochgradig atmosphärisch.»
Es ist letztlich eine dramatisch überhöhte Variation auf seinen grössten Erfolg, die Garrone hier vorlegt. Sein faktenbasierter «Gomorra» (2008) war eine pessimistische Bestandsaufnahme der von Kriminalität gezeichneten italienischen Gesellschaft. Zehn Jahre später behandelt «Dogman» denselben sozialen Zerfall in einem fiktiven Rahmen. Das Gesellschaftsproblem ist zum Erzählschema geworden.
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Kinostart Deutschschweiz: 18.10.2018
Filmfakten: «Dogman» / Regie: Matteo Garrone / Mit: Marcello Fonte, Edoardo Pesce, Alida Baldari Calabria / Italien / 102 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Xenix Filmdistribution GmBH
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