Naomi Watts ist für ihre vielen Gesichter bekannt. In der Psycho-Drama Serie «Gypsy» gibt sie die undurchschaubare Psychotherapeutin Jean Holloway, die ihre eigene persönliche Unzufriedenheit nicht länger in sich tragen kann. Elektrisierend, verstörend und betörend.
Suburban Horror
Jean Holloway hat eigentlich alles, was man sich wünschen kann. Sie ist erfolgreich im Job, verheiratet mit einem gutaussehenden Anwalt (Billy Crudup), ein Haus in einem Vorort New Yorks und natürlich eine kleine, süsse Tochter. Doch wie so oft, fühlt sich die Protagonistin in ihrem scheinbar perfekten Leben gefangen und wird immer stärker mit ihren Gefühlen davon auszubrechen konfrontiert. Als ihr Patient Sam (Karl Glusman) die Trennung von seiner Ex Sidney (Sophie Cookson) bei ihr verarbeiten möchte, packt Jean die Gelegenheit – bewusst oder unbewusst – beim Schopf. Hinter Sams Rücken beginnt sie Sidney auszuspionieren und sogar persönlich kennenzulernen. Zwischen den beiden Frauen entsteht eine Beziehung, die droht, nicht nur Jeans Leben ins Wanken zu bringen. Doch was soll man tun, wenn Neugierde und Lust den Verstand übertrumpft?
“They call it the sixth colour of the rainbow, but really it’s just kind of a fantasy”
Sidney zieht Jean – oder Diane, wie sie sich ihr vorstellt – von Anfang an in ihren Bann. Mit ihrer verruchten Attitüde, ihren Indigo-blauen Nägeln und ihrer manipulativen Art ist sie für die sonst so seriösen Psychotherapeutin, nicht nur der ideale Ausbruch aus ihrem vorstädtischen Leben, sondern symbolisiert alles was Jean in ihrem Leben fehlt. Immer mehr lässt sie sich auf die junge Musikerin ein. Angefressen von der Manipulation und er Idee ein fremdes Leben zu führen, beginnt Jean mit ihrem Alter-Ego sich auch hinterhältig in das Leben ihrer anderen Patienten einzumischen, sodass die Grenze zwischen Realität und Fantasie auch für den Zuschauer bald verblassen.
In einem eher langsamen – schon fast hypnotisierendem – Tempo zeigt die Serie wie sich Jean immer mehr in eine Spirale von Lügen verfängt. Trotz der mehrheitlich dialoghaltigen Szenen vermag die Regisseurin mehrheitlich die Spannung aufrecht zu erhalten, vor allem auch durch eine teilweise fast surreale Ästhetik. Geprägt durch lichtdurchflutete Szenenbilder wirkt die Serie oft traumhaft, was die ganze psychologische Thematik ideal unterstreicht. Dies zu einem Ausmass, dass man als Zuschauer schon fast das Bewusstsein für die eigentlich grotesken Machtspiele, die sich abspielen verliert.
Fazit
«Gypsy» thematisiert die facettenreiche – und auch furchteinflössende – menschliche Psyche. Während das Ausgangszenario der gelangweilten, vorstädtischen Hausfrau und Mutter in Serien wie «Desperate Housewives» bereits ausführlich behandelt wurde, vermag «Gypsy» dieser Thematik durch seinen Psycho-Aspekt einen neuen, reizvollen und auch erotischen Dreh zu verleihen. Auch wenn «Gypsy» keine Glanzleistung aus der Netflix-Factory ist – und oftmals offensichtlich die „sex sells“- Karte ausgespielt wird – ist die Serie durchaus unterhaltsam und eignet sich für alle, die gerne selber Freud spielen.
Trailer- und Bildquelle: Netflix
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