Vor 40 Jahren revolutionierte John Carpenters Slasher-Film «Halloween» das Horrorkino. Seitdem folgten neun Fortsetzungen, Neuinterpretationen und Reboots. David Gordon Greens spätes Sequel zu Carpenters Original ignoriert sie alle.
Der Schritt ist nicht nur nachvollziehbar, sondern sogar logisch. Auf den stimmungsvollen ersten «Halloween» (1978) – das Leinwanddebüt des psychopathischen maskierten Messerstechers Michael Myers (Nick Castle) – folgten zunehmend abstruse Franchiseneinträge. Mal entpuppte sich Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) die Heldin des Originals, als Michaels Schwester («Halloween II»); mal spornte Lauries Tod Michael, auch «The Shape» genannt, zu neuen Taten an («Halloween 4: The Return of Michael Myers»); dann wieder stellte sich heraus, dass Lauries Tod nur vorgetäuscht war («Halloween H20: 20 Years Later»).
Man hätte es David Gordon Green («Pineapple Express», «Stronger») und seinen Drehbuchpartnern Danny McBride und Jeff Fradley nicht verübeln können, wenn sie sich an Rob Zombie orientiert und sich, wie er 2007, an einem Reboot versucht hätten. Doch Green, McBride und Fradley stellten sich stattdessen der Herausforderung, den Hauptfiguren des Originals noch einmal neu zu begegnen – und das mit dem Segen von Horror-Grossmeister John Carpenter selbst, der im neuen «Halloween» nicht nur als kreativer Berater aktiv war, sondern zusammen mit Sohn Cody Carpenter sowie Daniel Davies auch den grandiosen Musikscore komponierte.
Die Handlung ist dieselbe geblieben, die Protagonistin hat sich gewandelt. Seit sie Michaels Massaker am Halloween-Abend 1978 überlebt hat, ist Laurie (immer noch Jamie Lee Curtis) zutiefst traumatisiert, hat zwei gescheiterte Ehen hinter sich, pflegt ein gespanntes Verhältnis mit Tochter Karen (Judy Greer) und Enkelin Allyson (Andi Matichak) und erholt sich nur langsam von einem Alkoholproblem. Ihr Haus hat sie zu einer Festung umgebaut. Und die kommt auch zum Einsatz: Michael (Stuntman James Jude Courtney) gelingt nach 40 Jahren in der Hochsicherheits-Psychiatrie die Flucht, und er sucht, pünktlich zu Halloween 2018, wieder die beschauliche Vorstadtquartiere von Haddonfield, Illinois, heim.
Trotz der fehlenden Zahl im Titel ist Greens «Halloween» eine klassische Fortsetzung: Was im ersten Film funktioniert hat, wird hier auf die Spitze getrieben – mehr Blut, mehr Protagonisten, aufwändiger inszenierte Schreckmomente. Das ist zwar ungemein unterhaltsam, lässt aber mitunter Carpenters schnörkellose Direktheit vermissen. Die Handlungsstränge über Michaels Psychiater (Haluk Bilginer) und Allysons High-School-Liebeleien wirken, auch wegen teils grenzwertiger Dialoge, wie unnötiger Ballast.
«Unter der schrillen Genre-Maske verbirgt sich hier ein spannendes Stück Vergangenheitsbewältigung.»
«Halloween» funktioniert dann am besten, wenn er sich mit dem langen Schatten des Originals auseinandersetzt – wenn Szenen umgedreht und umgedeutet werden; wenn vor der Schule nicht Michael die junge Heldin beobachtet, sondern Laurie. Unter der schrillen Genre-Maske verbirgt sich hier nämlich ein spannendes Stück Vergangenheitsbewältigung: Vor dem Hintergrund der #MeToo-Bewegung wird hier von drei Frauen erzählt, die sich einem generationenübergreifenden Trauma stellen, ausgelöst von einem männlichen Aggressor.
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Kinostart Deutschschweiz: 25.10.2018
Filmfakten: «Halloween» / Regie: David Gordon Green / Mit: Jamie Lee Curtis, James Jude Courtney, Judy Greer, Andi Matichak, Haluk Bilginer / USA / 109 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Universal Pictures Schweiz
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