Musikvideos, Sex und ein runder Geburtstag: Auch in seiner 16. Ausgabe bietet das Fantoche seinem animationsverliebten Publikum eine Vielzahl grossartiger Highlights. Vom 5. bis 9. September wird Baden einmal mehr zum internationalen Trickfilmmekka – mittendrin ist auch ein gefeierter Schweizer Langfilm.
Im vergangenen Jahr fehlten dem Fantoche zwar die grossen Animationsfilme im Programm, doch das Publikum liess sich davon nicht etwa abschrecken, sondern bescherte dem Festival einen neuen Besucherrekord. Wirklich überraschend ist das aber nicht, denn das grösste Schweizer Trickfilmfestival hat sich schon längst als willkommenes Alternativprogramm zur massentauglichen Disney- und Dreamworks-Ware etabliert. Dass das Publikum auch kommt, wenn nicht «The Incredibles 2» und Co. auf dem Programm stehen, ist längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Entsprechend hält die Festivalleitung auch in diesem Jahr den Kurs bei, und setzt auf kleine Werke mit Format.
Ein solches Werk ist der Langfilm «The Breadwinner» von Nora Twomey. Der Oscar-Kandidat aus Irland ist ein berührendes Werk über ein junges afghanisches Mädchen, das für seine Familie aufkommen muss und sich dadurch zwangsläufig gegen das Patriarchat stellt. Völlig unverständlich, dass Twomeys eindrücklicher Film trotz grossartiger Kritiken, einer Oscar-Nominierung und Angelina Jolie als Co-Produzentin noch immer ohne Schweizer Verleih dasteht. Vielleicht öffnet ja das Fantoche dem Film die Tür zum Schweizer Markt.
Auch die hiesige Trickfilmproduktion – so überschaubar sie auch sein mag – steht am diesjährigen Fantoche auf dem Programm. Der in Cannes gefeierte Animadoc «Chris the Swiss» ist eine internationale Koproduktion der Schweizer Trickfilmerin Anja Kofmel. Basierend auf ihrem Kurzfilm «Chrigi» erzählt die Regisseurin vom Schicksal ihres Cousins Chris, der als Söldner im Jugoslawienkrieg ums Leben gekommen ist. Der kritische Blick der Regisseurin auf das Kriegsgeschehen sorgte zwischenzeitlich sogar für einen kleinen Eklat mit den kroatischen Förderstellen, die dem Film kurz vor Produktionsende den Geldhahn zudrehen wollten.
Aller Widrigkeiten zum Trotz hat es «Chris the Swiss» also doch noch auf die grosse Leinwand geschafft. Wer den Film am Fantoche sehen will, muss sich aber beeilen. Nur gerade zwei Gelegenheiten gibt es, um den Schweizer Film am Festival zu sehen. Ist das die Rache dafür, dass Anja Kofmel ihren Film bereits vor ein paar Wochen in Locarno gezeigt hat und der Film in Baden somit keine Schweizer Premiere mehr feiert? Im Vergleich: Der ebenfalls in der Schweiz entstandene Trickfilm «Ma Vie de Courgette» wurde am Fantoche vor zwei Jahren fünfmal gezeigt, einmal davon sogar noch als Eröffnungsfilm. Was auch immer die Erklärung sein mag: Dass «Chris the Swiss» an einem heimischen Trickfilmfestival dermassen stiefmütterlich behandelt wird, irritiert.
Zu kurz kommt die Schweizer Trickfilmszene am Fantoche aber nicht – im Gegenteil, sie wird sogar gefeiert. Der Berufsverband der Schweizer Animatoren, die GSFA, wird dieses Jahr nämlich 50 Jahre alt. Dafür gibt es nicht nur viel Sekt, sondern auch eine grosse Ausstellung, die einen Querschnitt über das Schaffen der Schweizer Trickfilmszene aufzeigen soll. Denn: Dem heimischen Animationsfilm geht es allen Unkenrufen zum Trotz so gut, wie schon lange nicht mehr. Diesen Eindruck bekommt man spätestens, wenn man sich am Fantoche in den Schweizer Kurzfilmwettbewerb setzt, der einer der Stärksten seit Jahren sein dürfte.
«59 Secondi» von Mauro Carraro etwa ist ein in geschickt arrangierten Bildern erzähltes Werk über die Liebe und eine knappe Minute, die Berge versetzen kann. Eine ganz andere Sprache spricht hingegen der kunterbunte «Coyote», ein herrlich psychedelischer Rachetrip eines Präriewolfs aus der Feder von Lorenz Wunderle. Und mit «SELFIES» erklärt Animationsurgestein Claudius Gentinetta den narzisstischen Selbstporträts den Krieg. Als einer von zwei Schweizer Beiträgen ist Gentinettas Kurzfilm auch im Internationalen Wettbewerb vertreten, der aber in den letzten Jahren immer wieder dadurch auffiel, dass er deutlich weniger berauschend ist als der Schweizer Wettbewerb. Bleibt nur zu hoffen, dass das nicht zur Norm wird.
Auch die zahlreichen Kurzfilmprogramme ausserhalb des Wettbewerbs können sich sehen lassen: Die Musikvideo-Compilation «Animated Musicvideo Darlings» ist sowohl für Trickfilm- als auch Musikafficionados ein Muss, und unter dem Programmschwerpunkt «Doucement, Sexy» versammelt das Festival (mit einzelnen schwerwiegenden Absenzen) eine Vielzahl sexuell und andersweitig erregender Trickfilme.
No Comments