Lange zauderte Warner Bros., der DC-Superheldin Wonder Woman ihren eigenen Film zu geben. Nun ist es endlich soweit: Nach durchzogenen Superman-, Batman- und Schurken-Abenteuern lässt Patty Jenkins‘ «Wonder Woman» auf eine bessere DC-Zukunft hoffen.
Dank Serien wie «Arrow», «The Flash» und «Supergirl» geniesst DC wenigstens im Fernsehgeschäft einen besseren Ruf als Hauptkonkurrent Marvel, der seine Stärke, trotz vereinzelter TV-Erfolge wie «Jessica Jones» oder «Luke Cage», vor allem im Kino ausspielt. Seit 2008 unterhält die Disney-Tochtergesellschaft das zunehmend komplexer werdende «Marvel Cinematic Universe», wo Iron Man, Captain America, Thor und die Guardians of the Galaxy regelmässig Publikum und Kritik begeistern; nebenher produzieren die Marvel Studios die «X-Men»-Reihe. Ein direkter Vergleich tut DC keinen Gefallen: Sowohl «Man of Steel» (2013), als auch «Batman v Superman: Dawn of Justice» (2016), als auch «Suicide Squad» (2016) sind überlange, allzu bemühte Versuche, düster und erwachsen zu wirken.
Doch spätestens seit ihrem Kurzauftritt im letzten Akt von «Batman v Superman» ist Wonder Woman, gespielt von der Israelin Gal Gadot (Gisele Yashar in der «Fast & Furious»-Franchise), ein Lichtblick im «DC Extended Universe». Sie brachte Bewegung, Farbe und – auch dank eines grandiosen Musikthemas – Tempo in einen Film, der all das bitter nötig hatte.
Und nun erzählt Patty Jenkins in ihrem ersten Film seit dem Oscargewinner «Monster» (2003) die Herkunftsgeschichte von Diana Prince alias Wonder Woman: Diana ist die Prinzessin der Amazonen, die Tochter von Hippolyta (Connie Nielsen), die auf der versteckten Insel Themyscira über eine Frauengesellschaft herrscht, deren Aufgabe es ist, die Welt vor dem bösen Kriegsgott Ares zu beschützen. Männer gibt und braucht es hier nicht – ebenso wenig wie in der Superheldenrolle oder auf dem Regiestuhl. Gestört wird der Frieden auf Themyscira erst, als der Erstweltkriegsspion Steve Trevor (Chris Pine) auf der Insel bruchlandet und den Amazonen erzählt, was in der Welt der Menschen vor sich geht. Diana vermutet Ares hinter dem totalen Krieg und beschliesst, Steve zurück nach Europa zu begleiten, um dem Kämpfen ein Ende zu setzen.
«Wonder Woman» ist kein perfekter Film. Dafür holpert das Drehbuch ein paar Mal zu oft, bedient es sich ein paar Klischees zu viel. Doch wie viele Superheldenfilme – ob Marvel oder DC – machen sich dessen nicht schuldig? Patty Jenkins liefert hier ein emanzipatorisches Genrestück ab, von dessen Geradlinigkeit und emotionaler Resonanz sich ein Zack Snyder («Man of Steel», «Batman v Superman», der im November anlaufende «Justice League») eine Scheibe abschneiden könnte. Allein die Szene, in der Wonder Woman durch das Westfront-Niemandsland sprintet, vermittelt mehr an Figurenzeichnung als Supermans gesamte religiös angehauchte Nabelschau in «Man of Steel».
Doch Jenkins bleibt der DC-Vision treu. Es wäre einfach gewesen, sich beim fast schon zu formelhaften Marvel-Stilkatalog zu bedienen, um die grosse Anzahl der DC-Kritiker zu besänftigen. Aber «Wonder Woman» ist, wie seine DC-Vorgänger, ambitioniert, mitunter stimmungsvoll pathetisch; der Film, mehr noch als manche der von Selbstironie durchzogenen Marvel-Produktionen, glaubt an seine Botschaft. Und so auch die Zuschauer – dank interessanter, menschlicher Charaktere, starker Inszenierung und einer wahrlich mitreissenden Heldin, auf die das Kino viel zu lange warten musste.
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Kinostart Deutschschweiz: 15.6.2017
Filmfakten: «Wonder Woman» / Regie: Patty Jenkins / Mit: Gal Gadot, Chris Pine, Robin Wright, Connie Nielsen, Danny Huston, David Thewlis, Elena Anaya, Saïd Taghmaoui, Ewen Bremner, Eugene Brave Rock / USA / 141 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Warner Bros. Ent.
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