Am 26. September rollt Zürich für zehn Tage den grünen Teppich für das Kino aus. Das Zurich Film Festival geht in seine 15. Runde und präsentiert einmal mehr einen Haufen neuer, sehenswerter Filme.
Über 160 Werke gibt es am diesjährigen Festival zu sehen. Dass man in weniger als zwei Wochen nicht alle dieser Filme sehen kann, versteht sich von selbst. Die Maximum Cinema-Redaktion hat sich deshalb zehn Highlights herausgepickt, die es am Zurich Film Festival keinesfalls zu verpassen gilt.
«Joker» von Todd Phillips
Galapremieren
Nachdem der Film von Todd Phillips in Venedig den goldenen Löwen gewonnen hat, kommt «Joker» nun auch ans Zurich Film Festival! Die Verfilmung der Vorgeschichte des wohl berüchtigsten Comicbösewichts überhaupt wurde mit dem grandiosen Joaquin Phoenix in der Hauptrolle besetzt. Ob er der Performance von Heath Ledger aus «The Dark Knight» – der für diese Rolle posthum mit dem Oscar geehrt wurde – das Wasser reichen kann, wird sich zeigen. Man darf gespannt sein! / Aline Schlunegger
«J’ai perdu mon corps» von Jérémy Clapin
Internationaler Spielfilmwettbewerb
Die Geringschätzung des Zurich Film Festival für den Trickfilm ist längst kein Geheimnis mehr. Animationsfilme werden gerne in die Kinderfilmkategorie verbannt – dass es sich dabei nur selten um anspruchsvolle Kost handelt, versteht sich von selbst. Umso erfreulicher ist es, dass das Zurich Film Festival dieses Jahr endlich einmal einen Trickfilm in seinen Wettbewerb aufgenommen hat. «J’ai perdu mon corps» von Jérémy Clapin erzählt eine surreale Geschichte über eine abgetrennte Hand, die versucht, den Weg zu ihrem Besitzer zurückzufinden. Das gefeierte Langfilmdebüt des Franzosen wurde in Cannes mit dem Kritikerpreis ausgezeichnet; in Annecy wurde es sowohl mit dem Jury- als auch mit dem Hauptpreis bedacht. Mehr Ehre für einen Animationsfilm ist kaum möglich, und so überrascht es wenig, dass auch das Zurich Film Festival diesen Trickfilm ins Rennen um einen Preis schickt. Wer auf einen regulären Kinostart spekuliert, dürfte enttäuscht werden: Da der Film inzwischen von Netflix gekauft wurde, dürfte es unwahrscheinlich sein, dass «J’ai perdu mon corps» abseits des Festivals je den Weg auf die grosse Leinwand findet. / Olivier Samter
«The Lighthouse» von Robert Eggers
Galapremieren
Eine der erfreulichsten Nachrichten rund um das diesjährige Zurich Film Festival ist, dass es Indie-Regisseur Robert Eggers dazu verhilft, endlich auch die Schweizer Leinwände zu erobern. Sein Regiedebüt, der Puritaner-Horrorfilm «The Witch» (2015), schaffte es hierzulande nicht in die Kinos; dafür zeigt das ZFF seinen neuen Psychothriller «The Lighthouse». Darin sind die Hollywood-Schwergewichte Willem Dafoe und Robert Pattinson als Leuchtturmwärter zu sehen, die Ende des 19. Jahrhunderts auf einer abgeschiedenen Insel langsam den Verstand verlieren. Der Film, der am 28. November in den Deutschschweizer Kinos anläuft, erntete bereits an den Festivals von Cannes und Toronto begeisterte Kritiken – insbesondere für Dafoe, Pattinson und die stimmungsvolle Schwarzweiss-Ästhetik – und verspricht intensiven und authentischen American-Gothic-Grusel. / Alan Mattli
«Zeroville» von James Franco
Special Screenings
Nach dem Tommy–Wiseau-Biopic «The Disaster Artist» präsentiert Filmbusiness-Allrounder James Franco mit «Zeroville» einen weiteren Film, bei dem er zugleich die Rolle des Regisseurs und des Hauptdarstellers übernimmt. Dieses Mal mimt der Amerikaner den Filmfanatiker Ike Jerome, der Ende der 1960er Jahre nach Hollywood zieht, um die Traumfabrik nach seinen Vorstellungen auf den Kopf zu stellen. Der Trailer schreit nach einem trashigen B-Movie mit Kultpotenzial – eine Liebeserklärung an Hollywood mit grossem Staraufgebot: Megan Fox, Will Ferrell und Seth Rogen versprechen einen überrissenen Metafilm über die Filmwelt, ein rasantes Gegenstück zu Quentin Tarantinos «Once Upon a Time in Hollywood». / Lola Funk
«Midnight Family» von Luke Lorentzen
Internationaler Dokumentarfilmwettbewerb
Am Sundance Film Festival zu grossem Beifall seine Premiere gefeiert, erzählt «Midnight Family» von der Familie Ochoa, die in Mexico City einer nicht ganz gewöhnlichen Tätigkeit nachgeht. Lediglich 45 Ambulanzen gibt es in der Stadt – für neun Millionen Einwohner. Da ist es gut möglich, dass ein Unfallopfer mal zu lange auf den Krankenwagen warten muss oder gar keines verfügbar ist. Um dieses Risiko nicht einzugehen, ruft man besser gleich von Beginn weg die Familie Ochoa, denn die besitzt ein solches Fahrzeug und fährt die Verletzten gegen ein kleines Entgelt zum Krankenhaus. Der persönliche Alltag dieser sympathischen Familie ist Gegenstand des Dokumentarfilms des jungen Luke Lorentzen. Ein Film, der bestimmt niemanden kalt lässt. / Aurel Graf
«Cunningham» von Alla Kovgan
Special Screenings
Das Porträt über den Choreografen Merce Cunningham soll so bildgewaltig sein, dass es keinen Trailer zum Tanzfilm gibt, um dem Publikum nichts vom Kinoerlebnis auf grosser Leinwand vorwegzunehmen. Regisseurin Alla Kovgan zeigt drei Jahrzehnte der Arbeit des visionären amerikanischen Choreografen, der zusammen mit Komponist John Cage und Maler Robert Rauschenberg Performancestücke der poetischen Extraklasse entworfen hat. Am Zurich Film Festival wird der Film in 3D gezeigt – tiefer kann nicht in die Welt des Tanzes eingetaucht werden. / Lola Funk
«The Farewell» von Lulu Wang
Galapremieren
Schenkt man der US-Kritik Glauben, ist «The Farewell» eines der Kinohighlights des Jahres – 99% Zustimmung auf Rotten Tomatoes sprechen eine klare Sprache. Awkwafina, die aus «Ocean’s Eight» (2018) und «Crazy Rich Asians» (2018) bekannte Rapperin und Komikerin, spielt Billi, eine chinesischstämmige Amerikanerin, die mit ihrer Familie nach China reist, um sich von ihrer unheilbar kranken Grossmutter zu verabschieden. Doch die Matriarchin soll nichts von ihrem bevorstehenden Ableben ahnen, also wird der Totenbettbesuch flugs zur Spontan-Hochzeit umfunktioniert. Doch der verlogene Wirbel wird Billi zunehmend zu viel. Voller Empathie und mit viel feinem Humor setzt sich Lulu Wang in ihrer autobiografischen Tragikomödie mit Familiengeheimnissen, kulturellen Gräben und den daraus entstehenden Identitätskrisen auseinander und sorgt dafür, dass es dem ZFF 2019 an einfühlsamem Gegenwartskino nicht mangelt. / Alan Mattli
«And Then We Danced» von Levan Akin
Internationaler Spielfilmwettbewerb
«And Then We Danced» wurde erst kürzlich zum offiziellen Oscar-Kandidaten für Schweden ernannt. Zu Recht, denn der Directors‘-Fortnight-Favorit von Cannes erzählt einfühlsam und leichtfüssig von der aufkeimenden Zuneigung zweier junger konkurrierender Tänzer, die um einen Platz im georgischen Staatsballett buhlen. Eine nicht ganz einfache Situation, sollten beide in einer konservativen Gesellschaft und insbesondere im traditionellen georgischen Tanz doch eigentlich unzerbrechliche männliche Stärke verkörpern. / Aurel Graf
«Another Day of Life» von Raúl de la Fuente und Damian Nenow
#SpeakingTheTruth
Der visuell beeindruckende, bisweilen überbordende Kriegsdokumentarfilm «Another Day of Life» von Raúl de la Fuente und dem polnischen Animationstalent Damian Nenow feierte seine Weltpremiere im vergangenen Jahr in Cannes und lief anschliessend auch am Fantoche in Baden. Dass das Zurich Film Festival den Film über einen Journalisten, der über den Bürgerkrieg in Angola berichtet, nun lediglich in der Programmreihe «#SpeakingTheTruth» zeigt, darf man durchaus als Strafe dafür verstehen, dass «Another Day of Life» seine Schweizer Premiere am vergleichbar kleinen Trickfilmfestival in Baden feierte. Das schmälert die Qualität dieser gelungenen Symbiose zwischen dem etablierten Dokumentarfilmer de la Fuente und dem erstklassigen Animationstechniker Nenow in keinster Weise – «Another Day of Life» ist ein starker AniDok auf den Spuren von «Waltz with Bashir». / Olivier Samter
«Divine Love» von Gabriel Mascaro
Internationaler Spielfilmwettbewerb
Brasilien im Jahr 2027: In einer zunehmend digitalisierten Welt steht die Ehe von Joana kurz vor dem Aus, da sie keine Kinder bekommen kann. Die religiöse Gruppe «Divino Amor» («Divine Love») verspricht ihr mittels unkonventioneller Rituale seelische Entlastung und die Wiederaufnahme in das vom Staat gepredigte Familienideal. Die futuristische Gesellschaftssatire von Gabriel Mascaro knallt visuell in Neonfarben, vermengt die Thematik okkulter Sektengemeinschaften mit ekstatischen Synthpop-Partys sowie erotischer Sinnlichkeit und skizziert einen Ausblick in ein nicht allzu fernes Sci-Fi-Zeitalter. Und das alles auf Portugiesisch, der wohl wunderbarsten Sprache der Welt./ Lola Funk
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Das ganze Programm findet sich hier: https://zff.com/de/programm/
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