«22 July» feierte seine Premiere an den diesjährigen Internationalen Filmfestspielen in Venedig und ist nach «Bloody Sunday», «United 93» sowie «Captain Phillips», ein weiterer Film von Paul Greengrass, der auf wahren Ereignissen beruht. «22 July» ist die Rekonstruktion des schlimmsten Terroranschlags in der Geschichte Norwegens; am 22. Juli 2011 tötete der Extremist, Anders Behring Brevik (Anders Danielsen Lie «Reprise», «Oslo, 31 August»), durch einen Doppelanschlag 77 Menschen. Greengrass zeigt den Terror und dessen Aus- und Nachwirkungen unverhüllt, realistisch sowie in teils dokumentarischem Stil und schafft so eine Mischung aus Doku-Drama und Thriller.
«22 July» beginnt mit Breviks (Anders Danielsen Lie) Vorbereitungen für seinen ersten Anschlag im Osloer Regierungsquartier. Im Anschluss begibt er sich in Richtung Utøya, wo er in einer gefälschten Polizeiuniform und mit einer Halbautomatik 69 Teenager des dort stattfindenden Jugendcamps kaltblütig niederstreckt und Zahlreiche verletzt. Einer der Verwundeten ist Viljar Hanssen (Jonas Strand Gravli), der mehrfach angeschossen überlebt und sich zurück ins Leben kämpft. Unterdessen wird Brevik festgenommen und sein Prozess beginnt. An seiner Seite ist Verteidiger, Geir Lippestad (Jon Øigarden), der an den Rechtstaat glaubt, während die norwegische Bevölkerung vor Wut tobt. Zeitgleich versucht Premierminister, Jen Stoltenberg (Ola G. Furuseth), die aufgebrachte Menge zu bändigen, indem er sie an Norwegens Werte erinnert und den Angehörigen der Opfer Fehler des Staates eingesteht.
«Anders Danielsen Lie spielt einen Brevik der stoischen Ruhe und Gelassenheit, was das Blut in den Adern gefrieren lässt.»
«Insane or just evil?»
Greengrass bindet das Publikum durch den Einsatz von Handkamera und schneller Montage unverzüglich ins Geschehen ein. Er erzählt die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven, indem er verschiedene Erzählstränge abwechselnd einsetzt. So kontrastiert Greengrass Glück und Unglück sowie Leben und Tod. Das Publikum erlebt dabei ein Geflecht von verschiedenen Eindrücken und Emotionen, wobei das Reflektieren, Urteilen und Interpretieren dem Einzelnen überlassen wird.
Somit gibt «22 July» keine Antworten auf offene Fragen, sondern stellt im Verlauf der Handlung immer neue. Greengrass zeigt die Geschehnisse mit klarem Blick, wobei er das «Vergrösserungsglas» mutig einsetzt und verdeutlicht, dass das Leben der Betroffenen und ihren Angehörigen nie wieder dasselbe sein wird. Ein starker Film mit ausschliesslich norwegischem Cast in einem authentischen Setting.
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Filmfakten: «22 July» / Regie: Paul Greengrass / Mit: Anders Danielsen Lie, Jonas Strand Gravli, Jon Øigarden, Ola G. Furuseth, Thorbjørn Harr, Tone Danielsen / Norwegen, Island, USA / 143 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Netflix
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