Sind die wilden Jahre nun vorbei?
Regisseur Hans Weingartner hat mit Filmen wie «Das weisse Rauschen» oder «Die fetten Jahre sind vorbei» unkonventionelles, starkes, lautes und politisches Kino gemacht. Sein neuer Film ist das pure Gegenteil. In «303» schlägt der österreichische Filmemacher leise und romantische Töne an; wo Wahnsinn und Anti-System seine Hauptthemen waren, handelt das leichte Ferien-Roadmovie von zwei Ausreissern, die sich ineinander verlieben. Das ist alles schön gemacht, durchaus berührend und nett, aber teilweise doch auch ein wenig zu seicht, zu wiederholend und zu lange geraten. Lieber Herr Weingartner, beim nächsten Mal dann bitte wieder mehr Substanz!
Jule und Jan
Beide sind sie 24 Jahre alt, beide sind sie am Studieren. Das sind Jule (Mala Emde) und Jan (Anton Spieker). Jan ist davon überzeugt, dass der Mensch von Natur aus egoistisch ist. So ist er nicht sonderlich überrascht, dass niemand auftaucht, als er in Berlin auf seine Mitfahrgelegenheit wartet. Jule hingegen glaubt, dass der Mensch im Kern mitfühlend und kooperativ ist. Sie bietet Jan einen Platz in ihrem «303»-Oldtimer-Wohnmobil an. Und so beginnt die gemeinsame Reise im Wohnmobil. Jan möchte nach Spanien, um seinen leiblichen Vater kennenzulernen, Jule zu ihrem Freund nach Portugal. Mit jedem gemeinsam zurückgelegten Kilometer eröffnet sich den beiden mehr von der Welt des anderen. Sie lernen sich kennen und tauschen sich aus, reden über Gott und die Welt und fahren gemeinsam in den Süden.
Eine Deklination von unnützem Wissen
Wenn «303» ein Printmagazin wäre, dann das deutsche NEON-Magazin (R.I.P.). Das Jugendmagazin handelt von Themen, die das Erwachsenwerden halt so mit sich bringt: die erste Liebe, Sex, Wohnen, Geld anlegen, Freundschaft, aber auch Politik, Gesellschaft und Singleanzeigen – ein wenig Orientierung im Chaos, das Leben heisst. Inklusive der Rubrik «unnützes Wissen». Und genau diese Themen werden im Film besprochen. Die vielen Dialoge (weniger wäre mehr gewesen) sind eine Art Deklination von unnützem Wissen. «303» ist eine Art filmisches NEON-Magazin geworden, das wir im Sommer gern mit an den Strand nehmen, ein wenig schmökern und wieder vergessen.
««303» ist eine Art filmisches NEON-Magazin, das wir im Sommer gern mit an den Strand nehmen, ein wenig schmökern und wieder vergessen.»

Jan und Jule, auf ihrer Reise zu sich selbst.
Am Ende bleibt eine herzerwärmende Retro-Liebesgeschichte in Zeiten von Tinder und Co.
Zuletzt vermag «303» dann aber trotz repetitiver Einstellungen, Gesten und Soundtrack zu überzeugen, denn dort wo sich beide Figuren von ihrer nicht-vielwisserischen Seite zeigen und sich einander annähern, entsteht Authentizität. Und gerade dort manifestiert sich Hans Weingartners Regietalent. Und am Ende – man kann nicht sagen, man würde es nicht erahnen – fesselt einen diese herzerwärmende Liebesgeschichte dann doch, auch wenn man sich die erste Hälfte des Films dagegen gewehrt hat. Der Film erinnert uns nämlich an eine sehr lebendige Zeit im Leben, in welcher wir uns in jemanden verlieben. In Zeiten von Tinder und Facebook ist es ein romantisches Kennenlernen «IRL», das der Regisseur wieder aufleben lässt. Denn der Retro-Bus (Modellnummer 303) ist eine Zeitmaschiene, in welchem Weingartners Alter Ego mitfährt und sich den Weg auf der Landkarte sucht – anstatt auf Google Maps.
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Vorpremieren in Anwesenheit von Regie und HauptdarstellerIn
Basel, Montag, 23.7., 20.30h, kult.kino atelier – Vorverkauf: http://cli.re/basel303
Zürich, Dienstag, 24.7., 20.30h, Kino Kosmos – Vorverkauf: http://cli.re/zurich303
Zürich, Mittwoch, 25.7., 12.15h, Kino Arthouse Le Paris – Vorverkauf: http://cli.re/lunchkinospecial303
St. Gallen, Mittwoch, 25.7., 19.30h, KinoK – Vorverkauf: http://cli.re/stgallen303
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Kinostart: 26. Juli 2018 / Regie: Hans Weingartner / Mit: Mala Emde, Anton Spieker, Arndt Schwering-Sohnrey
Trailer- und Bildquellen: Filmcoopi
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