Vom 3. bis 8. Dezember findet die sechste Ausgabe des Human Rights Film Festival (HRFF) im KOSMOS in Zürich statt. In 20 Dokumentar- und Spielfilmen werden Geschichten rund um das Thema Menschenrechte erzählt – Geschichten, die Ungleichheiten aufzeigen und Missstände offenlegen, zum Handeln aufrufen und jene feiern, die gegen schier unüberwindbare Machtstrukturen aufbegehren.
Verletzlichkeiten in unserer Gesellschaft werden durch die Corona-Pandemie derzeit vielleicht sichtbarer denn je gemacht. «Das Virus zeigt wie durch ein Vergrösserungsglas, wie ungleich und ungerecht die Welt nach wie vor ist, wie unhaltbar die Zustände sind, wo es brodelt und brennt», so Festivaldirektorin Sascha Lara Bleuler im Vorwort des diesjährigen Programmhefts. Umso wichtiger und erfreulicher, dass das Human Rights Film Festival mit realen Begegnungen, spannenden Debatten und einer facettenreichen Filmauswahl stattfinden kann, um uns in andere Lebenswelten eintauchen zu lassen und unsere Blicke zu schärfen.
«‹Das Virus zeigt wie durch ein Vergrösserungsglas, wie ungleich und ungerecht die Welt nach wie vor ist, wie unhaltbar die Zustände sind, wo es brodelt und brennt›, so Festivaldirektorin Sascha Lara Bleuler.»
Nicht selten geht es in den präsentierten Filmen um Menschen, die aufgrund ihrer Nationalität, Religion oder Ethnie mit festgefahrenen Zuschreibungen zu kämpfen haben. Der Eröffnungsfilm «Cat in the Wall» von Mina Mileva und Vesela Kazakova etwa erzählt von einem bulgarischen Geschwisterpaar, das in einem heruntergekommenen Apartmentblock in London mit so manchen Vorurteilen konfrontiert wird. «Acasă, My Home» des rumänischen Dokumentarfilmers Radu Ciorniciuc hingegen wirft anhand des Schicksals der elfköpfigen Familie Enache, die von einem stillgelegten Wasserreservoir am Stadtrand Bukarests in die Grossstadt zwangsumgesiedelt wird, einen ambivalenten Blick auf die moderne Gesellschaft. Der Spielfim «Made in Bangladesh» von Rubaiyat Hossain wiederum hinterfragt unser eigenes Konsumverhalten und setzt ein Zeichen für die Rechte von Textilarbeiter*innen.
Ein Gespür für brennende Themen hat zweifelsohne auch Dokumentarfilmer Nathan Grossman bewiesen, der bereits im Sommer 2018 auf die damals 15-jährige Greta Thunberg aufmerksam wurde, als sich diese erstmals vor das schwedische Parlament setzte, um für das Klima zu streiken. Seither hat Grossman Gretas Entwicklung von der schüchternen Schülerin zur globalen Klimaikone mit der Kamera festgehalten. Der Filmemacher begleitete die junge Aktivistin an Demonstrationen, Treffen mit Politiker*innen oder auf ihrer Ozeanüberquerung nach New York. Entstanden ist das intime Porträt «I Am Greta», das den Blick freigibt auf eine faszinierende wie auch verletzliche Persönlichkeit. Gretas Motivation wird ebenso verdeutlicht wie die Dringlichkeit der Krise, deren ganze Last die Teenagerin zuweilen auf ihren Schultern tragen muss.
Im Rahmen der Filmvorführung am 6. Dezember präsentiert das HRFF in Zusammenarbeit mit Greenpeace Schweiz und dem Film Festival Diritti Umani Lugano ein Diskussions-Panel zur Frage, wie sich die Klima-Arbeit durch die neue Klimabewegung verändert. Greenpeace Schweiz erklärt, welche Strategien die aktuelle Klima-Arbeit bestimmen, und zeigt auf, wie jede*r zur Lösung beitragen kann.

Aus dem Film «Exil» von Visar Morina
«‹Exil› überzeugt als raffiniert erzählter Psychothriller, in dem auf subtile Art und Weise die Wechselwirkung zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung inszeniert wird.»
Mit einem gänzlich anderen Thema, nämlich mit den psychischen Folgen sozialer Ausgrenzung, setzt sich Regisseur Visar Morina in seinem zweiten Langfilm «Exil» auseinander. Protagonist ist der aus dem Kosovo stammende Pharmaingenieur Xhafer (Mišel Matičević), der mit seiner Ehefrau Nora (Sandra Hüller, bekannt aus «Toni Erdmann») und den gemeinsamen Kindern ein deutsch-bürgerliches Leben führt. Gleichwohl wird er das Gefühl nicht los, aufgrund seiner Herkunft am Arbeitsplatz schikaniert zu werden. Erst hängt eine tote Ratte am Gartentor, dann kommen Geschäftsmails «versehentlich» nicht bei ihm an. Während Xhafer fortan hinter jeder Geste seiner Kolleg*innen eine Form des Mobbings erkennt, ist Nora das ständige Misstrauen leid. Doch die sich häufenden Vorfälle bringen den gut integrierten Mann langsam, aber sicher um den Verstand. «Exil» überzeugt als raffiniert erzählter Psychothriller, in dem auf subtile Art und Weise die Wechselwirkung zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung inszeniert wird.
Poetisch, doch nicht minder intensiv, geht es im Dokumentarfilm «The Earth Is Blue as an Orange» von Regisseurin Iryna Tsilyk zu und her. Der Film folgt der alleinerziehenden Anna und ihren vier Kindern, die in der ukrainischen Kriegszone Donbas leben. Der Lärm von Granaten, regelmässige Stromausfälle und einstürzende Häuser gehören seit fünf Jahren zum Alltag der Familie. Inmitten des Kriegsgeschehens bereitet sich die älteste Tochter Mira für die Aufnahmeprüfung an der Filmschule in Kiew vor – und dreht einen Film im Film. Kurzerhand verwandelt sie das Wohnzimmer in ein Studio, bittet ihre Geschwister oder Soldaten auf der Strasse vor die Kamera, und erzählt so ihre ganz eigene Geschichte. Tsilyk legt mit «The Earth Is Blue as an Orange» ein berührendes Zeitdokument vor, indem sie zeigt, wie nahe Schmerz und Freude beisammenliegen können – wundervolles Kino über den Zusammenhalt einer Familie und die sinnstiftende Kraft der Filmkunst.
Das gesamte Programm findet ihr hier: https://www.humanrightsfilmfestival.ch
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Trailer- und Bildquellen: https://www.humanrightsfilmfestival.ch/
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