Adam Driver muss sich als auf der urzeitlichen Erde gestrandeter Raumschiffpilot gegen Dinosaurier, Insekten und Asteroiden behaupten. Der Survival-Thriller «65» klingt aber leider unterhaltsamer als er ist.
So faszinierend sie bereits für kleine Kinder sind, so rar machen sich Dinosaurier auf der Grossleinwand: Abseits der «Jurassic Park»-Franchise (1993–2022) gibt es nicht viele Realfilme, in denen die gigantischen Urzeitechsen eine grössere Rolle spielen. Das ist sicherlich zum einen der Dominanz der Spielberg’schen Filmreihe geschuldet, die selbst mit dem sechsten Teil noch eine Milliarde einspielte und die Nische «Blockbuster-Dinos» seit bald drei Jahrzehnten erfolgreich besetzt – aber auch der produktionstechnische Aufwand eines solchen Films ist nicht zu unterschätzen. Auch im 21. Jahrhundert ist es noch immer eine kostspielige Angelegenheit, die Dinos filmisch wieder zum Leben zu erwecken.
Das beste Beispiel liefert «65» gleich selber: Trotz nur gerade einmal vier Schauspieler*innen, von denen zwei kaum in Erscheinung treten – und von denen einzig Adam Driver («Marriage Story») wirklich bekannt ist – kostete dieser Film Sony trotzdem satte 91 Millionen Dollar. Verständlich also, dass die Produzent*innen alles taten um sicherzugehen, dass ihr teurer Sci-Fi-Film sein Geld auch sicher wieder einspielt – was unter anderem auch dazu führte, dass der Kinostart gleich fünfmal verschoben wurde. Statt im Mai 2022 kommt «65» nun fast ein Jahr später – wohl auch, um ein Rencontre mit dem letztjährigen Sommerblockbuster «Jurassic World Dominion» zu vermeiden.
«‹65› wirkt wie ein Film aus einer anderen Zeit, als Männer noch wortkarge Väter und stoische Helden waren, die Dinge in Ordnung brachten, wenn sie nur genug stark draufkloppten – oder, in diesem Falle, draufballerten.»
Dabei spielt «65» aber, anders als die grosse Dino-Franchise, nicht in der Gegenwart, sondern – wie der Titel nahelegt – 65 Millionen Jahre in der Vergangenheit. Damals, quasi vor langer Zeit, in einer weit, weit entfernten Galaxis, tritt der Raumschiffpilot Mills (Adam Driver) eine lange und lukrative Reise mit einem Passagierschiff an, welche die Behandlungskosten für seine kranke Tochter bezahlen soll. Worum oder wohin es geht, erfahren wir dabei nicht, aber das ist auch nicht weiter schlimm, denn ziemlich schnell stürzt das Raumschiff über der prähistorischen Erde ab, und ehe wir uns versehen, finden wir uns – zusammen mit Mills sowie der jungen Passagierin Koa (Ariana Greenblatt) – in einem Überlebenskampf gegen Dinosaurier und Insekten wieder.
«65» wirkt wie ein Film aus einer anderen Zeit. Aus einer Zeit, als Männer noch wortkarge Väter und stoische Helden waren, die Dinge in Ordnung brachten, wenn sie nur genug stark draufkloppten – oder, in diesem Falle, draufballerten. Viel erfahren wir nicht über Drivers (überraschend überlebensfähigen) Weltraumpiloten – ausser dass er ein unfassbar fürsorglicher Vater ist. Daran muss uns der Film dann auch immer und immer wieder mit unerträglich kitschigen Einblendungen erinnern – wohl weil die beiden Regisseure und Drehbuchautoren Scott Beck und Bryan Woods («A Quiet Place») selber einsehen, dass es ihnen überhaupt nicht gelingt, dies dem Publikum auf irgendeine andere Art und Weise zu vermitteln. Da bedient man sich gerne auch einmal dreist bei Christopher Nolans Weltraumepos «Interstellar» (2014) oder lässt sich von Genre-Klassikern wie «Reckless Journey» (2017) inspirieren.
«Die beiden Horror-Autoren wissen, dass das Gruseligste stets das ist, was man nicht zeigt (und dass das, was man nicht zeigt, Kosten spart) – doch dass praktisch jede Interaktion zwischen Mills, Koa und den Echsen vorbei ist, ehe sie begonnen hat, lässt einen unweigerlich enttäuscht zurück.»
Wenn Adam Driver, bei dem man sich nie sicher ist, ob er über- oder unterfordert ist, im letzten Akt schliesslich zur rührseligen Gefühlsoffenbarung ansetzt, wünscht man sich, «65» wäre plumper und kruder – doch auch wenn er gänzlich auf den bemühten Tiefsinn und die Gefühle verzichten würde, wäre dieser Science-Fiction-Film noch immer nicht gelungen. Denn auch die grosse Dino-Action, die man sich von diesem Film verspricht, lässt zu wünschen übrig.
Klar: Die beiden Horror-Autoren wissen, dass das Gruseligste stets das ist, was man nicht zeigt (und dass das, was man nicht zeigt, Kosten spart) – doch dass praktisch jede Interaktion zwischen Mills, Koa und den Echsen vorbei ist, ehe sie begonnen hat, lässt einen unweigerlich enttäuscht zurück. Dass Beck und Woods zudem vergessen, dass es unter den Dinos auch friedliebende Pflanzenfresser gab, bringt uns um einen ruhigen, intimen Moment im Geiste der wunderbaren Baumkronen-Szene aus «Jurassic Park» (1993).
Doch «65» braucht gar nicht erst den Vergleich mit dem grossen Konkurrenten, um den Kürzeren zu ziehen. Dieser fehlbesetzte Survival-Thriller ist schlicht inkompetent gemacht und fühlt sich zu jedem Zeitpunkt an wie einer von diesen Sci-Fi-Filmen, zu denen sich ein gescheiterter Schauspieler in einem Arthouse-Streifen überreden lässt, um sein Image aufzupolieren – und damit dann spektakulär scheitert.
Das Drehbuch mit seinen uncharismatischen und nicht miteinander harmonierenden Protagonist*innen, das sämtliche Klischees einer Held-kleines-Mädchen-Beziehung abhakt und die unspektakulären und komplett freudlos inszenierten Dino-Momente – an einem allfälligen Flop sind Scott Beck und Bryan Woods völlig selbst schuld.
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Kinostart Deutschschweiz: 9.3.2023
Filmfakten: «65» / Regie: Scott Beck, Bryan Woods / Mit: Adam Driver, Ariana Greenblatt, Chloe Coleman, Nika King / USA / 93 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Sony Pictures Releasing Switzerland GmbH
Ein unglücklich besetzter Adam Driver stolpert in «65» durch eine prähistorische Urwelt und kämpft manchmal gegen Dinosaurier. Das macht leider weniger Spass als es sollte.
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