Ennio Morricone, der Mann der Filmmusik, hat über 500 legendäre und unvergessliche Werke für Kino und Fernsehen geschrieben. Am 6. Juli 2020 ist der grosse Filmkomponist nun 91-jährig gestorben.
Morricone kann auf eine lange und erfolgreiche Schaffensperiode zurückblicken. Schon in der Schulzeit war er mit Sergio Leone, dem berühmten Filmregisseur, befreundet. 1964 begann ihre erfolgreiche Zusammenarbeit. Deren Ergebnis waren Klassiker wie «The Good, the Bad and the Ugly» (1966) und «Once Upon a Time in the West» (1968). So fühlte er sich dem Western noch lange liebevoll verbunden.
Der typische Morricone-Stil war für die damalige Zeit in den Sechzigerjahren neu und innovativ. Soundelemente wie Pfeifen, Schreie, Tierlaute, Spieluhren oder Hammerschläge auf einen Amboss sind heute aus der Musik nicht mehr wegzudenken. Samplings dieser Sequenzen sind in den heutigen Klangwelten normal, der analoge Einsatz jedoch ist auch heute noch innovativ. Somit wird Ennio Morricone immer eine Legende bleiben, die viele Musikerinnen und Musiker inspiriert.
Ihm zu Ehren haben wir acht seiner besten Kompositionen zusammengestellt:
«Marco Polo» (1982)
Die liebste Filmmusik des Autors überhaupt. Musik, welche die Sehnsucht nach Ferne, Reisen, fremden Welten weckt. Noch heute löst die Musik Gänsehaut aus, wenn das Thema der TV-Miniserie «Marco Polo» erklingt und mich zurück in die Zeit als Kind hinter dem Eisernen Vorhang versetzt. Dort war es nur möglich, mit dem Kassettenrecorder am Lautsprecher des Fernsehers die Musik aufzunehmen. Darüber hinaus inspirierte der Film den Autor zum Reisen und liess ihn Reiseberichte lieben.
«The Mission» (1986)
Kann eine Musik einen Film zu einer bleibenden Bedeutung führen? Kann sie! 1995 wurde «The Mission» in die Filmliste des Vatikans aufgenommen, die aus Sicht des Heiligen Stuhls besonders empfehlenswert sind. In der 2005 veröffentlichten Liste von Amerikas bester Filmmusik aller Zeiten wird dieser markante Soundtrack auf Rang 23 geführt. Und 2009 kürte eine fünfköpfige niederländische Jury den Film zum «besten katholischen Film aller Zeiten» – nicht zuletzt dank der sakralen Filmmusik von Morricone, der dafür den Golden Globe gewann.
«Once Upon a Time in the West» (1968)
Eine anklagende Mundharmonika wird zum Sinnbild und zum Schlüssel des Italo-Westerns von Sergio Leone, der zu einem der erfolgreichsten Filme seines Genres zählt. Ursprünglich war von Leone geplant, den ganzen Film mit Kompositionen von Ennio Morricone zu untermalen. Aber Morricone schlug nach einem Besuch eines Konzerts im Stil von John Cage vor, in einzelnen Szenen Geräusch-Collagen zu verwenden, die Spannung aufbauen und somit die Funktion eines Soundtracks übernehmen. Darüber hinaus hat jeder Hauptcharakter sein eigenes musikalisches Thema und jeder der drei Banditen sein eigenes Geräusch als eigenes musikalisches Motiv. Interessant ist, dass Morricone bereits vor Beginn der Dreharbeiten seine Komposition fertiggestellt hatte und damit Leone mehr oder wenige dazu zwang, filmische Passagen zum Rhythmus der Musik zu inszenieren.
«La scoperta dell’America» (1964)
Minimalistisch, analog, umwerfend. Das ist der Soundtrack zu einer TV-Produktion von 1964 über die Entdeckung Amerikas. Der Film von Sergio Gioradani ist in Vergessenheit geraten, lebt aber durch die Musik weiter. Die Stücke muten eintönig an, da das Hauptthema immer wieder aufgegriffen wird und eine Abwechslung nur durch die Instrumentierung erfährt. Wer sie jedoch hört und empfänglich dafür ist, wird die Schlichtheit von Morricones Komposition lieben.
«The Good, the Bad and the Ugly» (1966)
Der Abschluss von Sergio Leones «Dollar-Triologie» (nach «A Fistful of Dollars» und «For a Few Dollars More») mit seinem charakteristischen Italo-Western-Sound zeigt die eingangs erwähnte typische und neue Ideenvielfalt von Ennio Morricones Komposition, die sich, mit Schüssen, prägnantem Jodeln, Pfeifen und Schlagrhythmen angereichert, fest im Gedächtnis verankert hat. Dabei besteht das Leitmotiv gerade mal aus zwei Noten, aber das angedeutete Heulen eines Kojoten geht eben durch Mark und Bein.
«Il mio nome è Nessuno» (1973)
Eine der anspruchsvolleren Westernparodien nach einer Idee von Sergio Leone mit dem komödiantischen Prügel-Duo Terence Hill und Bud Spencer feierte Erfolg auf Erfolg an den Kinokassen. Der Film war nicht nur eine gelungene Westernkomödie, sondern auch ein Abgesang auf den Italo-Western. Wer den Film nicht gesehen, kennt den Soundtrack trotzdem und kann bestimmt beschwingt mitpfeifen. Die Flöte des Hauptthemas versetzt einen blitzartig in die Vergangenheit. Sehenswert ist der Film auch dank Henry Fonda in der Rolle des alternden Revolverhelden Jack Beauregard.
«U Turn» (1997)
Niemand schafft es besser, einen Psychothriller von Oliver Stone musikalisch zu untermalen und ihn damit zu einem modernen Film Noir zu machen als Morricone. Diese Filmmusik ist zugleich der experimentellste und ungewöhnlichste Soundtrack von Morricone.
«The Hateful Eight» (2015)
Unheimlich, bedrohlich: Die Musik untermalt akustisch die düstere Handlung des Films von Quentin Tarantino. Ennio Morricone hat dafür ältere Kompositionen von «Exorcist II: The Heretic» (1977) und John Carpenters «The Thing» (1982) verwendet – eigene Werke, die damals nicht verwendet wurden. Zudem ist dieser Soundtrack Morricones erster alleiniger im Westerngenre seit 1981 und Tarantinos erster Film, bei dem er die gesamte Musik nur von einem Komponisten schreiben liess. Morricone erhielt für «The Hateful Eight» 2016 den Oscar für die beste Filmmusik.
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Diese Aufzählung kann nicht alle Kompositionen von Ennio Morricone für Film und Fernsehen berücksichtigen, sondern ist lediglich als Einstieg in seine musikalische Welt gedacht. Wer Zeit und Musse hat, wird noch viele weitere tolle Werke entdecken.
Titelbild: „Ennio Morricone at the Estadio Bicentenario de la Florida“ von Gonzalo Tello / CC BY (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0)
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