Ein Kriegsfilm (fast) ohne Kriegsszenen: «A Hidden Life» von Terrence Malick stellt einen Mann in den Vordergrund, der sich weigerte, Hitler die Treue zu schwören. Berührend und langsam wird die wahre Geschichte von Franz Jägerstätter erzählt, der 2007 von der römisch-katholischen Kirche seliggesprochen wurde. Der Film lebt von seinen Bildern und speziellen Kameraeinstellungen, Dialoge gibt es wenig. Das funktioniert grösstenteils sehr gut, an manchen Stellen wären jedoch tiefere Einblicke in das Seelenleben des Protagonisten wünschenswert gewesen.
Der Bauer Franz Jägerstätter (August Diehl) und seine Frau Franziska (Valerie Pachner) verbringen ein einfaches, aber glückliches Leben im österreichischen St. Radegund, das geprägt von der körperlichen Arbeit und dem liebevollen Spiel mit ihren Kindern ist. Wunderschöne Landschaftsaufnahmen erzählen von diesem Leben auf dem Land und es ist fast unvorstellbar, dass sich Europa gerade mitten in einem Krieg befindet. Franz hofft, dass er als Landwirt unverzichtbar für sein Dorf ist und deshalb nicht in den Krieg einberufen wird. Die Menschen im Dorf verachten Franz für seine Haltung dem Vaterland gegenüber und seine ganze Familie bekommt fortan den Hass der Nachbarn zu spüren. Schliesslich überbringt der Postbote der Familie den gefürchteten Brief: Franz wird für den Krieg aufgeboten.
Für den gläubigen Mann ist es nicht nur unvorstellbar, in diesen «unfairen» Krieg zu ziehen, sondern vor allem unmöglich, Hitler die Treue zu schwören. «If our leaders are evil, what does one do?», fragt er den Bischof (Michael Nyqvist), den er aufgesucht hat. Doch dieser, der sich im Krieg längst mitschuldig gemacht hat, antwortet, dass es niemanden nütze, wenn er sich weigere: «You have a duty to the fatherland. The church tells you so. Auch seine Mitmenschen appellieren an seinen Verstand: Er könne den Treueschwur sprechen und gleichzeitig das Gegenteil denken, das mache jeder so. Franz weigert sich aber weiterhin und kommt deshalb mit anderen «Verrätern» ins Gefängnis, wo er gefoltert wird und auf sein Todesurteil wartet.
«Die Bilder in ‹A Hidden Life› sind eine Wucht und die Kameraeinstellungen häufig sehr einprägsam.»
Der Film ist geprägt von Kontrasten auf allen Ebenen. So sieht man am Anfang schwarzweisse Aufnahmen von Adolf Hitler, wie er durch die Strasse fährt und dabei von einer tobenden Menschenmenge bejubelt wird. Und dann Schnitt auf eine österreichische Alp, in sanfte Farben getaucht – eine Szene, die friedlicher kaum sein könnte. Ab dem Zeitpunkt, da Franz im Gefängnis ist, wird jeweils hin- und hergewechselt zwischen seinem Schicksal und jenem seiner Frau, die den Hof nun alleine weiterführen muss. Die beiden schreiben sich Briefe, welche die Zuschauer*innen ab da durch die Geschichte führen. Und wieder lebt der Film von den Gegensätzen: auf ein romantisches Weizenfeld im Sonnenuntergang folgen die grauen Wände der Zelle; während die Kinder lachend ins Heu hüpfen, wird Franz gefoltert. Auf der inhaltlichen Ebene ergibt sich allerdings ein anderes Bild: Während Franz mit sich im Reinen scheint («Besser die Hände als der Wille gefesselt», so sein bekannter Spruch), beklagt sich seine Frau darüber, dass ihr niemand bei der Schwerstarbeit hilft und dass der Nachbar Randen aus ihrem Garten gestohlen hat.
Die Bilder in «A Hidden Life» sind eine Wucht und die Kameraeinstellungen häufig sehr einprägsam: Terrence Malick und Kameramann Jörg Widmer verwenden viele Einstellungen im Weitwinkel oder mit starker Unter-oder Aufsicht. Und wenn Franz gefoltert wird, sieht man sie Szenen meist aus seinem Blickwinkel, was die Betroffenheit im Publikum nochmals verstärkt. Etwas verwirrend hingegen ist die Sprache in der Originalfassung: Während die Protagonisten, die meisten von ihnen deutsche Schauspieler, Englisch sprechen, hört man im Hintergrund bei den Bewohner*innen St. Radegunds jeweils Deutsch – ein Irritationsmoment, der das Publikum leider ab und zu aus der Geschichte reisst.
«Je länger der Film dauert – und er ist sehr lang: rund drei Stunden –, desto sehnlicher wünscht man sich, der Protagonist würde einen tieferen Einblick in seine Seele preisgeben.»
«A Hidden Life» ist sehr emotional, die Geschichte von Franz Jägerstätter aufwühlend, aber: Je länger der Film dauert – und er ist sehr lang: rund drei Stunden –, desto sehnlicher wünscht man sich, der Protagonist würde einen tieferen Einblick in seine Seele preisgeben. Die Briefe an die Frau sagen grösstenteils, dass sie sich nicht sorgen soll und dass er mit sich im Reinen ist. Aber wie ging es ihm wirklich? War er kurz vor dem Aufgeben oder kam das nie infrage? Dachte er viel an seine Kinder? Wie hat er das Todesurteil aufgenommen? Trotz beeindruckendem Schauspiel von August Diehl bleiben den Zuschauer*innen einige Blickwinkel verwehrt, weshalb der Film gegen Ende etwas zu lang scheint.
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Kinostart Deutschschweiz: 30.1.2020
Filmfakten: «A Hidden Life» / Regie: Terrence Malick / Mit: August Diehl, Valerie Pachner, Michael Nyqvist, Jürgen Prochnow, Matthias Schoenaerts, Bruno Ganz / Deutschland, USA / 174 Minuten
Bild- und Trailerquelle: The Walt Disney Company (Switzerland) GmbH, Searchlight Pictures
«A Hidden Life» lebt von den kräftigen, teils kitschigen Bildern und der bemerkenswerten Kamera, der die inhaltliche Ebene teils zu stark untergeordnet ist.
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