In «All the Money in the World» erzählt Ridley Scott («Alien», «Blade Runner») die Geschichte von J. Paul Getty, der als reichster Mann der Welt partout kein Lösegeld für seinen entführten Enkel bezahlen will und so sowohl die eigene Familie als auch die Kidnapper vor den Kopf stösst. Der auf wahren Begebenheiten basierende Thriller ist eine ernüchternde Angelegenheit – einzig die überragende Darbietung von Christopher Plummer macht «All the Money in the World» ein bisschen erträglich.
Dass eine Filmproduktion von einem Skandal überschattet wird, wünscht sich wohl kein Produzent, und erst recht kein Regisseur. So brachten die Gerüchte um James Francos angebliche Geschichten mit Minderjährigen den gefeierten «The Disaster Artist» im letzten Augenblick zu Fall – und mit ihm seinen Hauptdarsteller. Für die Rolle, für die Franco noch einen Golden Globe gewann, wurde er nach Bekanntwerden der Vorwürfe nicht einmal mehr für den Oscar nominiert.
Doch ein Skandal muss nicht immer negative Auswirkungen haben: Für «All the Money in the World» dürfte die Geschichte um Kevin Spacey sogar ein Glücksfall gewesen sein. Schliesslich vermochte der Skandal dem Film eine Aufmerksamkeit zu geben, die dieser ansonsten wohl nicht bekommen (und – seien wir ehrlich – verdient) hätte. Der auf wahren Begebenheiten basierende Thriller von Ridley Scott ist ernüchternd und dürfte einem nicht lange in Erinnerung bleiben. Dabei hätte die Vorlage durchaus Material für einen packenden Thriller geboten: 1973 wird der Enkel von J. Paul Getty, dem reichsten Mann der Welt, von der italienischen Mafia entführt. Auf deren Lösegeldforderungen geht Getty jedoch trotz Widerstand aus der Familie nicht ein – mit fatalen Folgen.
Ridley Scott begegnet der Geschichte mit düsteren Bildern und einer Schwerfälligkeit, die den Erzählfluss des Films eher hemmt als ihn belebt. So wird der rund zweieinhalbstündige Film zu einer zermürbenden Angelegenheit, der irgendwo im Mittelteil die Luft ausgeht. Mit der Verpflichtung des blassen Mark Wahlberg hat sich Ridley Scott sicherlich keinen Gefallen getan – selbst wenn Michelle Williams als im Regen stehengelassene Mutter vorallem gegen Ende des Films wacker dagegenhält. Der Einzige der aus diesem schauspieltechnischen Morast heraussticht, ist Christopher Plummer. Als unbarmherziger J. Paul Getty liefert dieser eine seiner eindrücklichsten Darbietungen der letzten Jahre ab. Das ist insofern bemerkenswert, als dass Plummer erst durch den «Fall Spacey» überhaupt ins Visier der Filmemacher geriet, als diese nach einem Ersatz für den in Ungnade gefallenen Hauptdarsteller suchen mussten.
![Christopher Plummer in «ALL THE MONEY IN THE WORLD.»](https://www.maximumcinema.ch/wp-content/uploads/2018/02/ATMITW_Still_1-1024x683.jpg)
Christopher Plummer in «ALL THE MONEY IN THE WORLD.»
Diskrepanz zwischen Aussehen und Wesen
Christopher Plummer ist gerade deshalb so gut, weil er nicht Kevin Spacey ist. Die Rolle des unnahbaren und berechnenden J. Paul Getty ist eindeutig auf den «House of Cards»-Darsteller zugeschnitten, ja sie schreit förmlich nach ihm. Das ist vorhersehbar – und langweilig. Wenn man hingegen einen charismatischen Grandseigneur wie Christopher Plummer auf die Rolle loslässt, dann wird es interessant. Plummer will mit seinem wohlwollenden, grossväterlichen Äusseren nicht wirklich zur Figur dieses strengen Patriarchen passen. Diese Diskrepanz zwischen Ausstrahlung und Wesen macht Getty so zu einem bedrohlichen Charakter, wie ihn Spacey wohl kaum hätte bieten können. Plummer, der in Rekordzeit sämtliche Szenen von Spacey nachdrehen musste, straft so jene Kritiker Lügen, die seine diversen Award-Nominationen als Hollywood’sches Nachtreten auf Spacey abtun.
«All the Money in the World» ist ein bestenfalls durchschnittlicher Thriller, der in seinen düsteren Bildwelten zu ertrinken scheint. Aus der Masse durchschnittlicher Darbietungen in diesem Film sticht einzig Christopher Plummer hervor, der mit seinem nüchternen Spiel einen schaurig menschlichen Widerling auf die Leinwand bannt und zu Recht für den Oscar nominiert ist.
Kinostart: 15. Februar 2018 / Regie: Ridley Scott / Mit: Kevin Spacey, Christopher Plummer, Michelle Williams, Mark Wahlberg, Romain Duris, Charlie Plummer.
Trailer- und Bildquellen: Impuls Pictures AG
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