Mit dem Dokumentarfilm «Almost There» gelingt der Schweizerin Jacqueline Zünd ein brillant fotografiertes Werk dreier alternder Männer, die sich nochmals auf die Suche nach sich selbst und dem Sinn des Lebens begeben. Das Werk besticht durch die geometrische Auflösung von Realität und der wahnsinnig schön kadrierten Bilder; leider vergisst Zünd vor lauter kameratechnischem Kalkül beinahe ihre Protagonisten, die fast zum Dekor degradiert werden. Natürlich hört man sie und sieht man sie, aber die Regisseurin stellt Form zu fest vor Inhalt und so lernt man die Figuren leider halt auch nur fast kennen – we were almost there.
Es sind alles verlorene Seelen diese drei Herren, gefangen zwischen Romantik und Nostalgie. Wir haben Bob, der sein sicheres Zuhause gegen ein Wohnmobil eintauscht und in der unwirklichen Wüste Kaliforniens nach dem Kerl in sich forscht. Wir haben Dragqueen und Standup-Comedian Steve, der genug hat vom garstigen England und sich in den Betonburgen Benidorms mit seiner Vergangenheit versöhnt. Und wir haben Yamada, der durch das Vorlesen von Kinderbüchern in Tokyo sein Lächeln zurück gewinnt.
Der Seele dieser drei alternden Herren ein Gehör zu verschaffen, Emotionen wie Ängste, Freud und Leid zu zeigen und diese spürbar zu machen, gelingt «Almost There» leider nicht ganz. Die Filmemacherin sucht verkrampft nach den Orten, die das innere der Protagonisten zeigen und setzt diese in Hamsterkäfige. Leider wirken diese Hamster aber nicht glücklich dabei, denn sie sind da nicht zuhause.
Zu perfekt platziert
Der Film wirkt zu verkopft, zu inszeniert. Und auch die tristen Verse von Sybille-Berg unterstützen die Konstruiertheit, die sicherlich gewollt ist, aber leider nicht hilft, die Geschichten der drei Protagonisten wahrhaft zu erzählen. Zu schön die wunderbaren Frames, zu perfekt platziert die gelangweilten Insassen. Wir kommen den Figuren nicht nah, zu abstrahiert werden sie in dieser Form aufgelöst. Alles ist deprimierend, es gibt wenig Lachen und wenig Sonnenschein – und so wirkt Zünds Blick zu wenig differenziert auf diese wahrscheinlich durchaus kauzigen alten Herren.
Schade haben wir sie nicht richtig gesehen, nicht richtig kennengelernt. Sie haben extra in die Kamera gestarrt, aber da keine Mimik ihre Geister verraten hat, haben wir sie nicht erkannt. Sie waren nicht dort.
Kinostart: 6.9.2017 / Regie: Jacqueline Zünd / Mit: Robert Pearson, Steve Phillips, Genji Yamada
Trailer- und Bildquelle: First Hand Films.
Das Poster zum Film, sehr gelungen:
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