«And I’m not leaving here without a job»: Die Romantisierung der Arbeitswelt in Filmen und Serien
«I’m smart, I’m hard-working, I’ll do anything, and I’m not leaving here without a job», lautet das berühmte Zitat von Erin Brockovich (Julia Roberts) im gleichnamigen Film. Daraufhin kriegt sie einen Job in der Anwaltskanzlei. Hört sich utopisch an? Tatsächlich reicht die Darstellung der Arbeitswelt in Filmen und Serien von unrealistisch bis extrem unrealistisch – wir haben fünf Utopien der filmischen Arbeitswelt genauer angeschaut.
Die Pandemie trifft nicht nur unser heissgeliebtes Kino hart, sondern auch den Arbeitsmarkt und die Arbeitnehmer*innen. Wer nun arbeitslos zu Hause sitzt und sich in Film- und Serienwelten flüchtet, dürfte zum Schluss kommen: So wie uns die Arbeitswelt in Filmen präsentiert wird, läuft es in Wirklichkeit nicht! Es fallen keine Traumjobs vom Himmel, und nur weil man hart arbeitet, heisst das nicht, dass sich berufliche, finanzielle und meistens nebenbei auch noch romantische Wünsche in absehbarer Zeit erfüllen. Der amerikanische Traum lässt grüssen. Auch wenn das alles gar dramatisch klingt, ist es amüsant und interessant, die Arbeitswelt in unserer audiovisuellen Kultur genauer unter die Lupe zu nehmen.
«Wer nun arbeitslos zu Hause sitzt und sich in Film- und Serienwelten flüchtet, dürfte zum Schluss kommen: So wie uns die Arbeitswelt in Filmen präsentiert wird, läuft es in Wirklichkeit nicht!»
Schnell fällt auf: Die meisten Filme porträtieren Arbeit in irgendeiner Weise. Manchmal nur nebenbei, manchmal ist sie ein essenzielles Glied der Narration. Eigentlich auch logisch, denn Arbeit macht einen Grossteil unseres Lebens aus, das lässt sich nicht leugnen. Dadurch stellt sie auch ein starkes Identifikationspotenzial für das Publikum dar. Das erkannte schon Charlie Chaplin, der mit «Modern Times» (1936), der von einem überfordernden Job in einer Metallfabrik handelt, einen urkomischen Kultfilm geschaffen hat. Die weitere Filmgeschichte ist ebenfalls durchzogen von Werken in denen die Arbeit eine Hauptrolle einnimmt. Das reicht von der Stummfilmzeit über den italienischen Neorealismus – siehe Vittorio De Sicas «Ladri di Biciclette» (1948) – bis hin zu seichten Hollywoodkomödien wie «The Devil Wears Prada» (2006). Manchmal bleiben die Filmemacher*innen auf der realistischeren Seite, manchmal schweifen sie weit davon ab. Wie mit allem in Film und Fernsehen.
«Friends» von Marta Kauffman und David Crane
Schon der Vorspann der Kultserie «Friends» (1994–2004) bringt das Leben der sechs Protagonist*innen vermeintlich auf den Punkt. Bezüglich Arbeit finden The Rembrandts im Titelsong deutliche Worte: «Your job’s a joke, you‘re broke». Klar, damit identifiziert sich manch Mittzwanziger*in schnell. Tatsächlich gehen in der Serie die Figuren aber früher oder später alle ihrer Traumberufung nach. Natürlich gibt es da hin und wieder Stolpersteine (doofe Chefs und Kolleg*innen oder anderes Beklagen auf hohem Niveau), diese sind aber spätestens nach einigen Episoden aus dem Weg geräumt. Und «broke» scheint langfristig eigentlich nur Joey (Matt LeBlanc) zu sein, der sich als Schauspieler über Wasser hält und nie eine Stromrechnung zahlt. Aber das kratzt letztlich auch niemanden.
Auffallend ist auch, dass berufliche Hürden bei den restlichen Hauptfiguren der Serie immer zu einem anderen persönlichen Erfolg führen. Monica (Courteney Cox) lernt beispielsweise bei ihrem unterfordernden Job als Köchin in einem Fast-Food-Diner einen Mulitmillionär kennen, der nicht nur ihr Lover wird, sondern ihr auch ein Restaurant kauft, das sie dann als Chefköchin führen darf. Oder Rachel (Jennifer Aniston) kommt erst durch ihre Anstellung als Kellnerin zur Erkenntnis, dass sie in der Modebranche ihre persönliche Erfüllung finden möchte, was ihr dann auch im Handumdrehen gelingt.
«Friends» vermittelt somit ein ziemlich optimistisches und unkompliziertes Bild des Arbeitmarktes. Ganz im Sinne des Sprichwortes „Schliesst sich die eine Tür, öffnet sich eine andere“. Das kann man als unrealistisch hinnehmen – oder als Motivation für eine positivere Einstellung gegenüber den realen beruflichen Hürden auffassen.
«The Wolf of Wall Street» von Martin Scorsese
So überragend «The Wolf of Wall Street» (2013) inszeniert ist, so unglaubwürdig scheint der Aufstieg seines Protagonisten. Nichtsdestotrotz basiert der Film auf einer wahren Begebenheit. Der No-Name Typ Jordan (Leonardo DiCaprio) rekrutiert zwielichtige Charaktere und schafft es innerhalb einiger Sequenzen mit viel Telefonieren, Lügen und Gelaber vom Garage-Office an die Wall Street. Danach folgen gefühlt noch zwei Stunden Drogen, Yachten, Sex und schöne Frauen. Und von allem viel davon. Klar, die Geschichte ist fesselnd und aussergewöhnlich – doch vermutlich erkennen sich dementsprechend wohl die wenigsten in dieser Karriere wieder. Wäre ein Film über das gnadenlose Scheitern eines Unternehmers – was womöglich öfters der Fall ist als der grandiose Aufstieg von Jordan Belfort – denn so viel weniger mitreissend?
«Erin Brockovich» von Steven Soderbergh
Auch dieser Film basiert tatsächlich auf einer wahren Begebenheit. Wie und was alles in «Erin Brockovich» (2000) genau hollywoodkonform verschönert wird, ist nicht eindeutig klar. Allerdings kann man annehmen, dass die echte Erin nach drei Geburten und Geldsorgen nicht wie Julia Roberts aussah und im neuen Job mit durchsichtigen Blusen auftauchte. Trotzdem ist die Geschichte der sturköpfigen Erin natürlich sehr berührend und inspirierend. Vielleicht muss man potenziellen Arbeitgeber*innen halt wirklich an den Kopf schmeissen, dass man sich ohne Job nicht vom Fleck bewegt.
«The Devil Wears Prada» von David Frankel
Die junge Journalistin Andy (Anne Hathaway) beginnt ihren neuen Job bei einem renommierten Fashionmagazin. Doch Andy hat nicht nur keinen blassen Schimmer von Haute-Couture und Trends, sondern arbeitet auch noch für die Chefredakteurin Miranda (Meryl Streep), die sich in der Branche einen Namen als Tyrannin gemacht hat. So muss die neue Angestellte anfangs einiges über sich ergehen lassen, bis sie sich dafür entscheidet, ihre anfängliche Einstellung und Prinzipien hinter sich zu lassen und der Modewelt anzupassen, um im neuen Job zu brillieren. Netterweise kriegt sie dafür superteure Designerklamotten gratis zur Verfügung gestellt und hat nun offensichtlich auch jeden Morgen Zeit für ein aufwendiges Make-Up. Zeitgleich gelingt ihr plötzlich alles im Job, und sie wird Mirandas neuer Liebling. Ta-daa, genau so läuft das halt. Dass Kleider Leute machen, weiss man schon lange. Doch «The Devil Wears Prada» (2006) suggeriert stark, dass Stilwechsel mit beruflichem Erfolg einhergeht, was sich mit dem tendenziell oberflächlichen Dramedy-Genre natürlich vereinbaren lässt. Ob das in der realen Arbeitswelt auch so funktioniert, kann man hinterfragen.
«The Big Lebowski» (1998) von Ethan und Joel Coen
The Dude (Jeff Bridges) verbringt seine Tage auf der Bowlingbahn mit White Russians. Während man sich bestimmt sehr schnell mit diesem Lebensstil anfreundet, bleiben Zweifel, wie das ganze finanziell aufgehen könnte. Trotzdem hat der Lifestyle des Dudes seit dem Release des Films 1998 so viele Enthusiasten gefunden, dass Dudeismus mittlerweile als Lebensphilosophie gelebt wird. Somit ist der Film vielleicht weit weg von der realen Arbeitswelt und vermittelt ein ziemlich romantisches und unbekümmertes Bild der Arbeitslosigkeit, doch von der Gelassenheit und Laissez-faire-Attitüde könnten sich wohl die meisten eine Scheibe abschneiden. The Dude abides.
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Szenenbild aus «Erin Brockovich» © SONY Pictures Entertainment 2020
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