Marvel unterbietet sich selbst: Das ambitionslose Fantasy-Abenteuer «Ant-Man and the Wasp: Quantumania» ist eine Zumutung, der es an Charme, Witz und Einfallsreichtum fehlt.
2008 nahm das Marvel Cinematic Universe mit Jon Favreaus «Iron Man» und einem schüchternen Gastauftritt des von Samuel L. Jackson gespielten Nick Fury in der Abspannszene seinen Anfang. Nun, 15 Jahre und 30 Filme später, läuft die Superheld*innen-Maschine immer noch auf Hochtouren – allein für dieses Jahr sind drei Kinofilme und sechs Serien geplant. Den Anfang macht Peyton Reeds Fantasy-Abenteuerfilm «Ant-Man and the Wasp: Quantumania», der auch gleich die sogenannte «fünfte Phase» des MCU einläutet, in welcher der neue grosse Gegenspieler Kang (Jonathan Majors) eingeführt wird.
Eine alternative Version von Kang war bereits in der TV-Serie «Loki» (seit 2021) zu sehen; in «Ant-Man and the Wasp: Quantumania» ist nun eine weitere Inkarnation dieses Multiversum-Bösewichtes in einer subatomaren Dimension namens «Quantum Realm» gestrandet – also dort, wo auch die Wissenschaftlerin Janet van Dyne (Michelle Pfeiffer) 30 Jahre lang verschollen war. Als Janet zusammen mit ihrem Mann Hank Pym (Michael Douglas) und ihrer Tochter Hope alias Wasp (Evangeline Lilly) sowie deren Partner Scott Lang alias Ant-Man (Paul Rudd) und seiner Tochter Cassie (Kathryn Newton) unverhofft wieder ins Quantum Realm gesogen wird, wartet dort Kang bereits auf sie. Und der zeitreisende Eroberer ist fest entschlossen, der Dimension ein für allemal zu entfliehen, um mit seiner Armee auf der Erde Unheil anzurichten.
Dafür, dass in «Quantumania» nicht weniger als das Schicksal der Menschheit verhandelt wird, fühlt sich der Film ziemlich belanglos an. Regisseur Peyton Reed («Yes Man») und Drehbuchautor Jeff Loveness («Rick and Morty») gelingt es nicht, glaubhafte Figuren zu präsentieren, deren Konflikte uns lange genug interessieren, um mit ihnen mitzufühlen. Viele spannende Ansätze, wie etwa der Konflikt zwischen Scott Lang und seiner Tochter Cassie – er der Ex-Sträfling, der gerade noch die Kurve gekriegt hat, sie die Idealistin, die sich für die gute Sache auch mal der Polizei in den Weg stellt –, vergisst der Film, bevor er überhaupt etwas damit anzufangen weiss.
«‹Quantumania› sieht aus, als hätte jemand verworfene Konzeptzeichnungen anderer Filme zu einem lieblosen Green-Screen-Etwas zusammengekleistert, für ein Publikum, dem es inzwischen eh egal zu sein scheint, was genau in diesen Marvel-Filmen passiert – Hauptsache, es passiert.»
Und so dümpeln die unzähligen Figuren – zu denen sich zu allem Übel auch noch eine Vielzahl weiterer, ausnahmslos vergessenswürdiger Figuren gesellt – sichtlich gelangweilt durch ein unterbeleuchtetes Quantum Realm, das so langweilig und unglaubwürdig daherkommt, dass man kaum glauben kann, dass für diesen Film 200 Millionen Dollar ausgegeben wurden. «Quantumania» sieht aus, als hätte jemand verworfene Konzeptzeichnungen aus Disneys Animationsflop «Strange World» (2022), «Reckless Journey» (2017) oder den «Star Wars»-Filmen zu einem lieblosen Green-Screen-Etwas zusammengekleistert, für ein Publikum, dem es inzwischen eh egal zu sein scheint, was genau in diesen Marvel-Filmen passiert – Hauptsache, es passiert.
Selbst der missglückte «Eternals» (2021) hatte zumindest noch Ambitionen – doch die fehlen dem dritten «Ant-Man»-Film gänzlich. Peyton Reeds Blockbuster macht so wenig Spass wie schon lange kein Marvel-Film mehr. Hier ist selbst ein Gastauftritt von Bill Murray («Lost in Translation») eine unglaublich dröge Angelegenheit (und, abgesehen davon, in Zeiten von Anschuldigungen sexueller Übergriffe gegen den Schauspieler eine höchst fragwürdige). Dem Superheld*innen-Abenteuer mangelt es einfach an allem: an neuen Einfällen, am nötigen Charme und erst recht an Witz. Was auch immer vom Drehbuch überlebt hat, das Edgar Wright («Baby Driver», «Last Night in Soho») einst zum ersten Film verfasste – mit «Quantumania» ist es nun endgültig gestorben.
«Was auch immer vom Drehbuch überlebt hat, das Edgar Wright einst zum ersten Film verfasste – mit ‹Quantumania› ist es nun endgültig gestorben.»
Den Schauspieler*innen kann man wenig vorwerfen. Klar, Paul Rudd («Living with Yourself») hat auch schon bessere Tage erlebt, aber sowohl er als auch seine Mitstreitenden können wenig gegen das uninspirierte Drehbuch mit seinen hölzernen Dialogen ausrichten. Wenn bei hier einer heraussticht, dann ist es Jonathan Majors («Lovecraft Country»), der als Kang einmal mehr überzeugt. Majors kreiert einen vielschichtigen Antagonisten, dem man seinen Idealismus und seine Überzeugung, das Richtige zu tun, durchaus abkauft. Wenn es nach all der ermüdenden Marvel-Kost der letzten Jahre überhaupt noch einen Grund gibt, sich auf die nächsten beiden «Avengers»-Filme zu freuen, dann ist das Jonathan Majors.
Ansonsten spricht wenig für «Ant-Man and the Wasp: Quantumania», die Film gewordene Ermüdungserscheinung des Marvel Cinematic Universe. Neue Fans gewinnt die Superheld*innen-Franchise mit seinem komplizierten, ja wirren Film keine. Die Frage bleibt, wie lange die bisherigen Fans das noch mitmachen.
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Kinostart Deutschschweiz: 16.2.2023
Filmfakten: «Ant-Man and the Wasp: Quantumania» / Regie: Peyton Reed / Mit: Paul Rudd, Evangeline Lilly, Jonathan Majors, Michelle Pfeiffer, Michael Douglas, Kathryn Newton, David Dastmalchian, William Jackson Harper, Katy O’Brien, Bill Murray / USA / 124 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Disney Schweiz / © 2022 Marvel Studios. All Rights Reserved.
«Ant-Man and the Wasp: Quantumania» von Peyton Reed ist eine lustlose und vergessenswürdige Angelegenheit, der es an Charme und Witz fehlt.
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