Eigentlich gibt es ja schon genug Filme über das tragische Leben Vincent van Goghs. Doch im bildgewaltigen und grandios gespielten «At Eternity’s Gate» findet Regisseur Julian Schnabel einen gänzlich eigenen Zugang zum niederländischen Jahrhundertmaler.
Maximum Cinema präsentiert den Film am 16.4. an der Vorpremiere im Kino KOSMOS in Zürich. Tickets hier sichern: https://bit.ly/2Op6Jm2
So beliebt ist das Thema Vincent van Gogh, dass das Kino über die Jahre fast so etwas wie einen Genre-Katalog dafür entwickelt hat. Es gibt die melodramatischen Biopics, die sich an Vincente Minnellis Hollywood-Klassiker «Lust for Life» (1956) orientieren und gewissenhaft die wichtigsten Stationen in van Goghs knapp 38 Lebensjahren abarbeiten. Dann gibt es Werke wie Akira Kurosawas «Dreams» (1990), die den Künstler, der zu Lebzeiten bekanntermassen nur ein Bild verkauft hat, als Inspirationsquelle schätzen. Und auch Verschwörungstheorien machen vor van Gogh nicht Halt: Der ästhetisch herausragende, inhaltlich bestenfalls mittelmässige Animationsfilm «Loving Vincent» (2017) kreist um die mysteriösen Umstände, unter denen er 1890 an den Folgen einer Schussverletzung starb.
«At Eternity’s Gate» folgt keiner dieser Konventionen – obwohl auch er Zweifel darüber hegt, ob van Gogh wirklich Selbstmord beging –, sondern verfolgt ein ähnliches Ziel wie Maurice Pialats «Van Gogh» (1991): keine unnötige Dramatik, keine Effekthascherei, sondern einfach ein intimes Porträt eines sensiblen, gequälten Genies, das zu einer Zeit an Depressionen litt, in der man dafür menschenunwürdigen Behandlungen unterzogen wurde.

Willem Dafoe in «At Eternity’s Gate».
Doch während Pialat einen radikalen Bruch mit dem herkömmlichen van-Gogh-Kanon anstrebte und sich entsprechend auch von seinem künstlerischen Schaffen zu distanzieren versuchte, ist die Kunst für Julian Schnabel zentral. Der Regisseur von «Basquiat» (1996) und «Le scaphandre et le papillon» (2007) ist selbst ein international gefeierter Maler, und ihm liegt offensichtlich viel daran, diesem Aspekt von van Goghs Leben gerecht zu werden.
Zu diesem Zweck verleihen Schnabel und Kameramann Benoît Delhomme ihrem Film eine ungewöhnliche, hochgradig subjektive Ästhetik: Die satten, streckenweise sogar übersättigten Farben widerspiegeln die sprichwörtliche farbliche Intensität von van Goghs berühmtesten Werken, die gewissen Medizinern zufolge das Resultat einer von Medikamenten verursachten Wahrnehmungsveränderung war. Auch lässt die Kamera kaum je von Schnabels van Gogh – dem schlichtweg brillant aufspielenden Willem Dafoe – ab. Mit einer Beweglichkeit und einer Schärfe, die an Steven Soderberghs iPhone-Filme «Unsane» (2018) und «High Flying Bird» (2019) erinnern, rennt sie mit ihm durchs Sonnenblumenfeld, huscht um ihn und seine Gesprächspartner – etwa seinen Freund und Malerkollegen Paul Gauguin (Oscar Isaac) – herum, nähert sich seinem furchigen Gesicht, bis es die Leinwand ausfüllt.
«Schnabel erhebt hier Kunst und Menschsein zu einer tiefempfundenen Erfahrung, die weit über historische Fakten hinausgeht.»
Erzählerisch machen es Schnabel und seine Co-Autoren – Co-Cutterin Louise Kugelberg sowie die französische Drehbuch-Legende Jean-Claude Carrière («Belle de Jour», «Die Blechtrommel») – dem Publikum nicht unbedingt einfach. «At Eternity’s Gate» mag von den letzten zwei Jahren in van Goghs Leben handeln, ist aber in vielerlei Hinsicht ein Anti-Biopic – voll von kleinen, scheinbar unwichtigen Momenten, biografischen Lücken und introspektiven Off-Monologen. Es ist einer jener seltenen Filme, denen es gelingt, das Gefühl, das Werner Herzog «ekstatische Wahrheit» nennt, einzufangen: Schnabel erhebt hier Kunst und Menschsein zu einer tiefempfundenen Erfahrung, die weit über historische Fakten hinausgeht.
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Kinostart Deutschschweiz: 18.4.2019
Filmfakten: «At Eternity’s Gate» / Regie: Julian Schnabel / Mit: Willem Dafoe, Rupert Friend, Oscar Isaac, Emmanuelle Seigner, Mathieu Amalric, Amira Casar, Mads Mikkelsen, Niels Arestrup / Frankreich, UK, USA / 111 Minuten
Bild- und Trailerquelle: DCM Film
Julian Schnabel lässt die Biopic-Konvention links liegen und widmet Vincent van Gogh – gespielt von einem grandiosen Willem Dafoe – ein brillantes impressionistisches Drama.
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