Zum dritten Mal nimmt uns James Cameron mit nach Pandora: «Avatar: Fire and Ash» erweitert die Welt um neue Völker und Kreaturen – weiss aber wenig Schlaues damit anzufangen.
Mit der Veröffentlichung von «Avatar: Fire and Ash» liegt nun mehr als die Hälfte von James Camerons geplanter fünfteiliger Reihe hinter uns. Zwei weitere Filme sind noch geplant und sollen 2029 und 2031 erscheinen – falls es denn überhaupt dazu kommt. In Interviews hat der Filmemacher nämlich bekannt gegeben, dass er die Fortsetzung der Franchise stark vom Erfolg dieses dritten Teils abhängig macht. Und auch Disney dürfte sich gut überlegen, ob es noch einmal mehrere Hundert Millionen in die Produktion weiterer Filme steckt, wenn das Publikum ausbleiben sollte.
Im schlimmsten Fall droht Cameron also das frühzeitige Ende seines Langzeitprojekts – dasselbe Schicksal, das auch den wesentlich weniger gelungenen «Fantastic Beasts»-Fünfteiler ereilte, für den nach drei Filmen Schluss war. Und zumindest dies, also J. K. Rowlings verwirrte Zauberei-Spin-offs zu überrunden, sollte doch die Mindestanforderung an diese milliardenschwere Blockbuster-Franchise sein. Die Bedeutung dieses Mittelteils kann also nicht genug betont werden – für Disney, aber auch für Cameron und seine Vision. Warum zum Teufel also ist «Fire and Ash» bloss so belang- und lustlos?
© 20th Century Studios. All Rights Reserved.
Sicher, der Film erweitert die «Avatar»-Welt um interessante neue Schauplätze und Figuren, für die er sich aber kaum interessiert. Die titelgebenden «Ash People», ein besonders martialischer Na’vi-Clan unter der Führung der erbarmungslosen Varang (Oona Chaplin), würden als Antithese zu den besonnenen, naturverbundenen Na’vi, wie wir sie bisher kennen, neue erzählerische Möglichkeiten eröffnen. Für Cameron sind sie aber vor allem neue – und sehr triebgesteuerte – Feind*innen, mit denen sich Jake Sully (Sam Worthington) und Co. herumschlagen müssen. Auch die Fauna von Pandora wird bis auf ein, zwei neue Tierarten nicht besonders detailliert erkundet. Es wirkt, als sei Cameron die Neugier an seiner eigenen Welt abhandengekommen.
«Es wirkt, als sei Cameron die Neugier an seiner eigenen Welt abhandengekommen.»
Der Film weiss denn auch sonst gar nicht viel Neues zu erzählen: Der im blauen Na’vi-Körper wiedergeborene Kriegsveteran Jake Sully und seine Na’vi-Partnerin Neytiri (Zoe Saldaña) sind mit ihrer Familie noch immer auf der Flucht vor den Menschen, die den ressourcenreichen Mond Pandora ausbeuten wollen – und denen der aufmüpfige Sully-Clan ein Dorn im Auge ist. Damit beginnt «Fire and Ash» nicht nur dort, wo der letzte Teil aufgehört hat, sondern auch, wo dieser begann.
Sicher, einzelne Charaktere werden stärker vertieft – insbesondere Stephen Lang («Don’t Breathe») holt aus der Figur des des raubeinigen Avatar-Klons von Colonel Quaritch weit mehr heraus, als das Drehbuch zulässt –, und die «Ash People» schütteln das etwas gar starre Kolonialist*innen-gegen-Indigene-Konstrukt immerhin ein bisschen durch. Doch spätestens wenn sich der Schlussakt des Films wieder an denselben Schauplätzen wie im letzten Teil zuträgt, merkt man, wie uninspiriert das alles doch ist.
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Ermüdend ist dabei ganz besonders der reaktionäre Unterbau der ganzen Geschichte. Jake Sully gibt abermals den Patriarchen, der die grossen Entscheidungen trifft, während seine passive Gattin Neytiri das emotionale Spektrum weiblicher Rollenklischees – von apathischem Trauern bis hin zu unkontrollierten Wutausbrüchen – abspulen darf. Wenn die Mutter zurückgezogen, schluchzend und in Trauer-Makeup um ihren Sohn weint, lenkt sich der Papa mit dem Einzigen ab, was trauernden Vätern bei solchen Schicksalsschlägen offenbar Halt gibt: Waffen.
Das Ganze wird in «Fire and Ash» um eine religiöse Komponente rund um Eywa ergänzt, das gottgleiche planetare Bewusstsein von Pandora. Weil diese Gottheit gleich von mehreren Figuren im Film infrage gestellt wird, ist es die Aufgabe des enigmatischen Teenagers Kiri (gespielt von der 76-jährigen Sigourney Weaver), die abtrünnigen Schäfchen mit einem Allmachtsbeweis von Eywa wieder auf den rechten Pfad zu bringen. Wer die plumpen Metaphern zu Kolonialismus, Geschlechterrollen und Religion, die Cameron in seinen «Avatar»-Filmen anbietet, zu Ende denkt, kommt wahrlich zu keinem guten Schluss.
«Auch ein weniger eindrücklicher ‹Avatar›-Film sieht noch besser aus als vieles von dem, was das zeitgenössische Blockbusterkino im Angebot hat.»
Die einzige Lösung also: die eindrücklichen Bilder, die «Fire and Ash» in petto hat, geniessen, und die Geschichte ausblenden. Das gelingt ganz gut, weil auch der dritte Teil dieser Reihe optisch opulent inszeniert ist – selbst wenn der Überraschungseffekt der Unterwasserwelten, in die uns Cameron eintauchen lässt, nach dem letzten Film etwas verpufft ist. Doch auch ein weniger eindrücklicher «Avatar»-Film sieht noch besser aus als vieles von dem, was das zeitgenössische Blockbusterkino im Angebot hat. Es wird sich zeigen, ob der erzählerisch wie visuell uninteressanteste Film der Reihe an den Kinokassen punkten kann – und die kommenden «Avatar» damit freilösen kann.
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Kinostart Deutschschweiz: 18.12.2025
Filmfakten: «Avatar: Fire and Ash» / Regie: James Cameron / Mit: Sam Worthington, Zoe Saldaña, Sigourney Weaver, Stephen Lang, Oona Chaplin, Kate Winslet, Dileep Rao, Giovanni Ribisi, Edie Falco, Jemaine Clement, David Thewlis / USA / 197 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © 20th Century Studios. All Rights Reserved. / Disney © 2025
James Cameron scheint die Neugier an seiner eigenen Welt abhandengekommen zu sein. Der uninspirierte, latent reaktionäre «Avatar: Fire and Ash» hat visuell zu wenig Interessantes zu bieten.









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