Online zu Hause statt vor Ort in grossen Kinos, hiess es dieses Jahr auch fürs Neuchâtel International Fantastic Film Festival (NIFFF). Vom 3. bis 11. Juli 2020 zeigte das NIFFF über die Streaming-Plattform Cinefile eine Auswahl von etwas mehr als 20 Filmen aus den Bereichen des fantastischen und asiatischen Kinos. Wir habe für euch die besten herausgesucht, die ihr im Auge behalten solltet.
«Breaking Surface» von Joachim Hedén
Zwei Schwestern gehen auf einen Tauchausflug ins nordische Meer. Als etwas schiefläuft, müssen sie, auf sich allein gestellt, um Leben und Tod kämpfen. «Breaking Surface» bietet Hochspannung von der ersten bis zur letzten Minute. Regisseur Joachim Hedén nutzt jedes kleinste Detail eines Tauchgangs, um den Film mit Anspannung zu füllen. Absolut grandios spielen die beiden Darstellerinnen Moa Gammel und Madeleine Martin. Die Schwestern kämpfen nämlich nicht nur ums Überleben, sondern bringen ihre komplizierte Familiengeschichte mit in die Tiefe des Meeres.
«Poissonsexe» von Olivier Babinet
Irgendwann in einer nahen Zukunft: Der Wissenschaftler Daniel (Gustave Kervern) untersucht das grosse Fischsterben, um die Tiere wieder zur Fortpflanzung zu bringen. Ironischerweise sucht er gleichzeitig selbst verzweifelt eine Partnerin, um endlich seinen Kinderwunsch zu erfüllen. Dabei scheitert er sowohl an seiner Flirt-Unfähigkeit als auch an der kleinen Einwohnerzahl seiner Stadt. Eine der wenigen anderen Singles in der Nähe ist Lucie (India Hair), die mit ihren eigenen Problemen kämpft. Erst das mysteriöse Auftauchen eines Fisches bringt beide dazu, zu erkennen, wonach sie sich wirklich sehnen.
«Mit viel trockenem Humor und sympathischen Charakteren zeichnet Regisseur Olivier Babinet in ‹Poissonsexe› ein Bild der Hoffnung in einer Welt, die sonst ganz in ihrer melancholischen Apokalypse-Stimmung gefangen scheint.»
Mit viel trockenem Humor und sympathischen Charakteren zeichnet Regisseur Olivier Babinet in «Poissonsexe» ein Bild der Hoffnung in einer Welt, die sonst ganz in ihrer melancholischen Apokalypse-Stimmung gefangen scheint. Damit geht der Film ans Herz, ohne jemals kitschig zu werden. Das tut gerade in der aktuell oft auch düster wirkenden Welt sehr gut.
«Comrade Drakulich» von Márk Bodzsár
Der zurückgehrte Kuba-Revoluzzer Fábián (Zsolt Nagy) wird in den Siebzigerjahren vom ungarischen Geheimdienst verdächtigt, ein Vampir zu sein. Tatsächlich ist er kaum gealtert und setzt sich ausgerechnet für eine Blutspendenkampagne ein. Das junge Agentenpaar Maria (Lili Walters) und ihr Freund Laci (Ervin Nagy) sollen Fábiáns Geheimnis lüften. Maria fasst den Auftrag, ihn in offizieller Funktion zu begleiten, während Laci die beiden beschattet. Es kommt, wie es kommen muss, und Maria fühlt sich bald vom Vampir-Revoluzzer angezogen.
«Wirklichen Horror gibt es hier nicht, dafür viel feine Situationskomik, herausgeputzte Bilder und eine frische Version des klassischen Vampir-Dreiecks Marke ‹Twilight›.»
Wirklichen Horror gibt es hier nicht, dafür viel feine Situationskomik, herausgeputzte Bilder und eine frische Version des klassischen Vampir-Dreiecks Marke «Twilight». Maria ist nicht nur ein armes, verführtes Opfer – sie sucht die Nähe zu Fábián aktiv selbst. Laci ist nicht der strahlende Held, dem seine Geliebte gestohlen wird, sondern brodelt bereits vor Eifersucht, bevor Maria ihm Gründe dazu gibt.
«Av: The Hunt» von Emre Akay
Ayse verlässt in der Türkei ihren Ehemann gegen dessen Willen. Daraufhin wird sie von ihm und ihrer Familie für die Wiederherstellung der «Familienehre» durch die Bergwälder gejagt. Um zu überleben, bleibt ihr nur eine Wahl: Sie muss die Rollen von Jäger und Gejagten umkehren.
«‹Av: The Hunt› ist ein spannender Thriller mit brutaler, aber realistischer Gewalt, gefüllt mit wunderbaren Landschaftsaufnahmen.»
«Av: The Hunt» ist ein spannender Thriller mit brutaler, aber realistischer Gewalt, gefüllt mit wunderbaren Landschaftsaufnahmen. Daneben beinhaltet er deutliche Kritik gegen das patriarchalische System in der Türkei. Wunderbar getragen wird der Film von Billur Melis Koç als Ayse, die deren Notlage ohne grosse Erklärungen von der ersten Szene an spürbar macht.
«Sea Fever» von Neasa Hardiman
Die junge Studentin Siobhán (Hermione Corfield) ist zufrieden damit, allein in ihrem Labor zu arbeiten. Ihr Professor findet aber, etwas Kontakt zur Aussenwelt würde ihr guttun, und schickt sie kurzerhand für eine Feldstudie auf ein Fischerboot. Dort trifft Siobhán nicht nur auf eine Fischercrew, deren ruppige, direkte Art im starkem Gegensatz zu ihr steht, sondern entdeckt tatsächlich ein unbekanntes Wasserwesen.
Dieses ist der Crew nicht unbedingt freundlich gesinnt, womit «Sea Fever» in der Tradition von Filmen wie «Alien» (1979) oder «The Thing» (1982) steht. Allerdings hat «Sea Fever» weder die Action von «Alien» noch den Body-Horror von «The Thing». Stattdessen bietet Regisseurin Neasa Hardiman eine frische Perspektive, in der tatsächlich eine Forscherin im Zentrum steht und das Endziel des Films nicht eine fette Explosion zur Zerstörung der Kreatur ist. Daneben gelingt es ihr hervorragend, die Enge des kleinen Fischerboots einzufangen, in dem sich die Crew zusammen mit dem unbekannten Parasiten gefangen wiederfindet.
«Schlaf» von Michael Venus
Marlene (Sandra Hüller), die Mutter von Mona (Gro Swantje Kohlhof), wird bereits seit Jahren von seltsamen Albträumen heimgesucht. Eines Tages glaubt Marlene, den Ort aus ihren Träumen auf einem Bild zu erkennen, und reist heimlich dorthin. Mona folgt ihr aus Sorge und findet dort nicht nur Marlene im Koma vor, sondern wird plötzlich selbst von Albträumen und Visionen geplagt. Während sie herauszufinden versucht, was ihrer Mutter derart Angst eingejagt hat, beginnt sie, an ihrer eigenen Gesundheit zu zweifeln.
Eine Stadt mit einem düsteren Geheimnis und einem alten Hotel im Zentrum – Regisseur Michael Venus bedient sich bei klassischen Horror-Mustern. Dies tut er aber in einer Art, die nicht nur gut aussieht, sondern eine gelungene unheimliche Atmosphäre aufbaut. Leider verzettelt er sich am Ende etwas in der Auflösung des Mysteriums, aber dennoch ist «Schlaf» für Genreliebhaber*innen sehenswert.
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Bildquellen: NIFFF. Titelbild: «Poissonsexe» von Olivier Babinet
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