Der jüngst verurteilte Drogendealer Jimmy Keene soll sich in einem Hochsicherheitsgefängnis mit einem Serienmörder anfreunden und herausfinden, wo dieser die Leichen seiner Opfer vergraben hat: «Black Bird», die neueste Miniserie von Apple TV+, beruht auf einem wahren Fall und glänzt vor allem mit ihrer namhaften Besetzung.
Wir befinden uns im Jahr 1996, als das Leben des jungen Jimmy Keene (Taron Egerton) aus den Fugen gerät. Das ehemalige Footballtalent und Sohn des pensionierten Polizisten Big Jim (Ray Liotta) verdient als Drogendealer ordentlich Geld und pflegt einen luxuriösen Lebensstil. Das alles findet aber ein jähes Ende, als eines Tages sein Appartement von der Polizei gestürmt wird. Kurz darauf wird er zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.
Eines Tages erhält der inzwischen inhaftierte Keene Besuch von der FBI-Agentin Lauren McCauley (Sepideh Moafi), die ihm ein Angebot unterbreitet: Der charmante Jimmy soll sich in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegen lassen und sich dort mit dem vermeintlichen Serienmörder Larry Hall (Paul Walter Hauser) anfreunden, um von ihm in Erfahrung zu bringen, wo er die Leichen seiner Opfer versteckt hat. Sollte Jimmy dies gelingen, will die Staatsanwaltschaft dafür sorgen, dass er nach Abschluss seiner Undercover-Mission freigelassen wird.
Parallel dazu erzählt die Serie, wie drei Jahre zuvor der Ermittler Brian Miller (Greg Kinnear) auf die Spur von Larry Hall kommt. Dies dauert gar nicht lange, da Hall der Polizei schon mehrere ähnliche Verbrechen gestanden hat, diese ihm aber nicht glaubte und ihn als einen sogenannten «Serial Confessor», der nur auf Aufmerksamkeit aus ist, als Täter ausgeschlossen haben.
Unglaublich, aber wahr
Dennis Lehanes sechsteilige Miniserie «Black Bird», die im deutschen Sprachraum unter dem Titel «In with the Devil» erschienen ist, beruht auf dem Tatsachenbericht vom realen James Keene, der in Zusammenarbeit mit Hillel Levin seine Erlebnisse 2010 in Buchform veröffentlichte. Tatsächlich wäre man geneigt, die überwiegend von Romancier Lehane adaptierte, von Michaël R. Roskam, Jim McKay und Joe Chappelle inszenierte Geschichte als stellenweise unglaubwürdig, konstruiert und klischeehaft abzutun, würde sie nicht auf wahren Ereignissen beruhen. Recherchiert man jedoch ein wenig, merkt man schnell, dass sich die Serie doch ziemlich genau an die Schilderungen des echten Keene hält, wobei natürlich offenbleibt, wie wahrheitsgetreu Keene selbst bei der Wiedergabe der Ereignisse vorgegangen ist.
Der grösste Trumpf der Serie ist neben der starken Prämisse die fantastische Darsteller*innen-Riege, welche für die Produktion verpflichtet werden konnte. Taron Egerton, der schon als Elton John in «Rocketman» (2019) viel positives Echo für seine schauspielerische Leistung erhielt, trägt die Serie souverän auf seinen (in der Serie etwas gar übertrieben) muskulösen Schultern. Seine stärksten Momente hat er in den Szenen, wenn sein sonst eher oberflächlich daherkommender Charmebolzen mit dem realen Schrecken der Verbrechen konfrontiert wird, die Larry Hall begangen haben soll.
«Selten zuvor hat man den sonst meist als harten Hund besetzten Ray Liotta so verletzlich gesehen wie hier als vor lauter Sorge krank gewordener Vater.»
Ebenfalls überzeugt Greg Kinnear («Modern Family», «The Stand») in einer für ihn ungewohnt ernsthaften Rolle als ruhiger, hartnäckiger Polizist. Eine schauspielerische Naturgewalt ist indes Paul Walter Hauser («Richard Jewell», «Da 5 Bloods») als gleichermassen mitleiderregender wie beklemmender Larry Hall: Ihm und den Serienautoren gelingt es, ein weitaus komplexeres Bild des vermeintlichen Monsters zu zeichnen, als es in ähnlichen Produktionen sonst oft üblich ist, und erinnert in seinem Bemühen um eine facettenreiche Charakterisierung an die Figuren in «Mindhunter» (2017–2019).
Unbedingt erwähnenswert ist zum Schluss auch Ray Liotta («Goodfellas», «Marriage Story») in einer seiner letzten Rollen vor seinem Tod im Mai dieses Jahres. Selten zuvor hat man den sonst meist als harten Hund besetzten Liotta so verletzlich gesehen wie hier als vor lauter Sorge krank gewordenen Vater.
«Auch bauen Lehane und seine Mitautoren Ricardo DiLoreto, Sean K. Smith und Steve Harris in ihren sechs Episoden einige Bedrohungen auf, die aber nur Beiwerk sind und den Fokus der Serie unnötig stören.»
Nicht ganz so rund ist «Black Bird» in Sachen Tonfall und Dramaturgie. Das fängt schon in den ersten Minuten von Folge eins an, wo das Publikum mit einem lockeren Voiceover von Jimmy in die Serie eingeführt wird. Komischerweise wird dieses Stilelement daraufhin nie wieder aufgegriffen und wirkt somit entsprechend willkürlich eingesetzt. Überhaupt bietet die Serie einige überraschend lockere und amüsante Phasen, die sich allerdings oft nicht so richtig in das düster-brutale Setting einfügen wollen. Auch bauen Lehane und seine Mitautoren Ricardo DiLoreto, Sean K. Smith und Steve Harris in ihren sechs Episoden einige Bedrohungen auf, die aber nur Beiwerk sind und den Fokus der Serie unnötig stören.
Insgesamt überzeugt «Black Bird» aber als spannende, atmosphärische Miniserie mit einigen hervorragenden schauspielerischen Leistungen und einer frischen Prämisse. Fans von True Crime, Serienkiller-Geschichten und insbesondere von Ray Liotta können hier bedenkenlos losstreamen.
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Serienfakten: «Black Bird» / Creator: Dennis Lehane / Mit: Taron Egerton, Paul Walter Hauser, Ray Liotta, Greg Kinnear / USA / 6 Episoden à 54–60 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © AppleTV+
Eine interessante Prämisse und die grossartige Besetzung heben «Black Bird» vom Gros ähnlich gelagerter Produktionen ab, auch wenn die Serie dramaturgisch nicht immer ins Schwarze trifft.
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