Am 28. Dezember 2018 hat Netflix nach fünf Staffeln der Anthologie-Serie «Black Mirror» überraschend den ersten Film der Reihe veröffentlicht. «Black Mirror: Bandersnatch» spielt – wie die Serie – mit einer dystopischen Mischung aus Horror, Thriller und Sci-Fi und lässt die Grenzen zwischen Film und Realität verschwimmen. Die schauende Person kann nämlich mittels Klick über das Schicksal der Protagonisten entscheiden.
«So many choices and you don’t know what you want.»
Es beginnt ganz unschuldig: Nach ein paar Minuten wird man in «Black Mirror: Bandersnatch» aufgefordert zu entscheiden, was der Protagonist Stefan (Fionn Whitehead) zum Frühstück essen soll – Sugar Puffs oder Frosties. «With great power comes great responsibility», hat mal einer gesagt, und genauso fühlt es sich auch an. Nur schwer entscheidet man sich unter Zeitdruck für eine der Optionen. Leichter werden die Entscheidungen leider nicht – im Gegenteil!
«Bandersnatch» lässt sich als interaktiver Film à la «Choose your own adventure» bezeichnen. Alle paar Minuten muss das Publikum zwischen verschiedenen Optionen auswählen, womit der weitere Verlauf der Geschichte in seinen Händen liegt.
«Black Mirror» wäre nicht «Black Mirror» wenn das Ganze nicht ein paar extra Schlaufen bereithält. Protagonist Stefan entwickelt nämlich ein Computerspiel, in dem der Spieler Entscheidungen treffen muss und so den Spielverlauf mitbestimmt. Für einen grossen Spielehersteller soll er «Bandersnatch» bis Weihnachten fertigstellen. Stefan verliert sich dabei immer mehr in den Irrungen und Wirrungen seiner eigenen Kreation und beginnt langsam seinen Verstand zu verlieren. Plötzlich zweifelt er an seinem freien Willen und ist davon überzeugt, von einer fremden Macht kontrolliert zu werden.
Je länger der interaktive Film dauert, desto mehr stürzt sich die Geschichte in ein Meer von Metaebenen und Mindfucks. Mehr zum Inhalt soll und kann hier nicht verraten werden, denn jeder Spieler erlebt eine etwas andere Geschichte.
Wie schwierig es ist, eine solche Erzählung mit unzähligen verschiedenen Strängen und Enden zu konzipieren, lässt sich nur erahnen. Scheinbar gibt es zwischen fünf und fünfzehn Enden. Immer wieder hat der Zuschauer auch die Möglichkeit zurückzuspringen und sich bei essenziellen Weggabelungen anders zu entscheiden. Es ist ein Leichtes, sich in diesem Überfluss an Möglichkeiten zu verlieren und dabei – wie Stefan – selbst ein bisschen den Verstand zu verlieren.
Obwohl der Erzählfluss manchmal der Spielerei zum Opfer fällt, bietet «Bandersnatch» ein einzigartiges Erlebnis auf dem Grat zwischen Film und Game. Netflix schöpft hier seine technischen Möglichkeiten voll aus und setzt — obwohl das Kino schon mit Ähnlichem experimentiert hat — ein weiteres Zeichen im tobenden Kampf zwischen Kino und Streaming.
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Netflix-Start Schweiz: 28.12.2018
Filmfakten: «Black Mirror: Bandersnatch» / Regie: David Slade / Autor: Charlie Brooker / Mit: Fionn Whitehead, Will Poulter, Craig Parkinson, Asim Chaudhry / USA, UK / ca. 90 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Netflix
Trotz einiger inhaltlicher Schwächen ein einzigartiges Erlebnis, da man ins Geschehen eingreift. Wo liegt die Grenze zwischen Film und Game? Ist das Computerspiel die Zukunft des Erzählens?
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