Spike Lees neuster Joint «BlacKkKlansman», über die wahre Geschichte eines schwarzen Polizisten, der in den 1970er Jahren den Ku Klux Klan infiltrierte, ist teils unbequeme Geschichtsbewältigung, teils antirassistische Revanchefantasie und vollends unterhaltsam und denkwürdig.
«BlacKkKlansman» erzählt vom schwarzen Undercover-Polizisten Ron Stallworth (John David Washington), der in der verschlafenen Provinzstadt Colorado Springs in den 1970er-Jahren, mithilfe seines weissen Partners Flip (Adam Driver), erfolgreich das lokale Kapitel des Ku Klux Klan infiltrierte. Diese unglaubliche aber wahre Geschichte ist wie geschaffen für die grosse Leinwand. Und Spike Lee, seines Zeichens einer der grossen afro-amerikanischen Filmregisseuren, scheut nicht davor zurück, die Geschichte für all ihr erzählerisches Potential zu nutzen. Als der junge schwarze Polizist Ron im lokalen Polizeidepartment anheuert, hat er grosse Ambitionen. Er will Undercover gehen. Zunächst ist Ron mit langweiliger Arbeit und rassistischen Anfeindungen seiner Polizeikollegen konfrontiert. Aber als Ron eher zufällig gelingt, telefonisch Kontakt zum örtlichen Kapitel des Ku Klux Klan aufzunehmen und sich vor deren Anführer als weiss auszugeben, ist sein polizeilicher und politischer Instinkt geweckt. Zusammen mit seinem jüdischen (!) Kollegen Philip «Flip» Zimmermann, der sich bei persönlichen Treffen als das Gesicht des weissen Rassisten und KKK-Fan Ron ausgeben soll, schafft er «die Organisation» soweit zu infiltrieren, dass er sogar das Vertrauen des Grand Wizards – des Anführers des KKK – David Duke erlangt.
Blaxploitation!
«BlacKkKlansman» ist eine Mischung aus Buddy-Cop-Komödie und historisch-politischem Lehrstück und erinnert nicht von ungefähr an die sogenannten Blaxploitation-Filme der 1970er Jahre – oder, wie Jenna Wortham und Wesley Morris in ihrem exzellenten New York Times-Podcast «Still Processing» diese neue Generation von Filmen über das Thema ‘race’ in Amerika nennen – an einen Blaxplaining-Film. Lee scheut vor dem Vergleich nicht zurück, vielmehr schafft er ganz bewusst und selbstreflexiv eine Hommage an das Genre. Ganz direkt, mit expliziten Zitaten, wie etwa einer Montage der berühmtesten Blaxploitation Filme wie «Shaft», «Superfly» und Co. als Ron und seine Freundin Patrice (Laura Harrier) scherzhaft über den besten Blaxploitation-Film streiten. Aber auch indirekter, in der Bildkomposition, dem Schnitt, den Kostümen, der Farbgestaltung und dem Soundtrack lehnt «BlacKkKlansman» an die Blaxploitation-Filme an. Und auch sonst sind filmhistorische Referenzen überall anzutreffen in «BlacKkKlansman», so begegnen uns immer wieder Ausschnitte der beiden äusserst problematischen Filmklassiker «Birth of a Nation» (der zur Wiedergründung des Ku Klux Klan beigetragen hat) und «Gone with the Wind».
«…for America to return to its greatness again»
Dazu kommen unzählige Referenzen zum historischen und auch zeitgenössischen politischen Geschehen in den USA. Von den Black Panthers und Kwame Ture aka Stokely Carmichael, über Richard Nixon bis zu einem Cameo-Auftritt der Bürgerrechtsikone Harry Belafonte. «BlacKkKlansman» ist in gewohnter Spike Lee-Manier provokativ, explizit, und wenig subtil. Aber diesmal wieder mit einem angemessenen Mass an Nuance und Vielschichtigkeit, die in den letzten Spike Lee-Projekten manchmal fehlten.
«BlacKkKlansman» ist in gewohnter Spike Lee-Manier provokativ, explizit, und wenig subtil. Aber diesmal wieder mit einem angemessenen Mass an Nuance und Vielschichtigkeit, die in den letzten Spike Lee-Projekten manchmal fehlten.
Die wohl eindrücklichste, aber auch konstruierteste Szene des Films ist eine Parallelmontage von einer KKK-Initiation mit Grand Wizard David Duke (Topher Grace) und Black Power-Veranstaltung der schwarzen Studentenorganisation (mit Harry Belafonte als Lynching-Zeitzeuge), ist nur ein Beispiel dafür. Wer zynisch sein möchte, der kann schon mal die Nase rümpfen über die zweitweise etwas gar offensichtlichen Anspielungen auf Trump und die heutige politische Lage in den USA. Etwa wenn Lee Topher Grace als David Duke die Worte «…for America to return to its greatness again» in den Mund legt. Das Echo von Trumps berüchtigtem Wahlkampfslogan «Make America Great Again» ist nicht zu überhören. Doch all dieser Zynismus bleibt einem spätestens im coda-artigen Schluss des Films im Hals stecken. Lee endet «BlacKkKlansman» nämlich mit einer Montage aus Archivmaterial der schrecklichen Ereignisse, die sich (vor ziemlich genau vor einem Jahr) in Charlottesville zugetragen haben. Damals marschierten gewaltbereite Neonazis mit Tiki-Fackeln und Nazi-Parolen wie «Blood and Soil» durch die Strassen der Südstaaten-Stadt marschierten. Auch die traumatischen Bilder des blutigen Tiefpunkts der Charlottsville-Ereignisse als der weisse Terrorist James Fields mit seinem Auto in die Teilnehmenden der Gegenproteste raste und die Aktivistin Heather Heyer tötete. Das Porträt von Heyer ist denn auch das zweitletzte Bild von «BlacKkKlansman». Und die Erinnerung an sie und ihren tragischen Tod unterstreicht mit trauriger Dringlichkeit die Aktualität der Themen, die in «BlacKkKlansman» auf auch leichtfüssige Art explizit gemacht werden. Kein Wunder kriegte der Film an seiner Cannes-Premiere stehende Ovationen. Unbedingt ansehen – Spike is back!
Kinostart Deutschschweiz: 23. August 2018
Bild- und Trailerquelle: Focus Features.
Regie: Spike Lee / DarstellerInnen: John David Washington, Adam Driver, Laura Harrier, Topher Grace, Michael Buscemi, Harry Belafonte, Alec Bladwin, uvm.
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