Do androids dream of electric sheep?
Der Film «Blade Runner» von Filmvisionär Ridley Scott aus dem Jahre 1982 ist ein Meisterwerk in Neo-Noir Moll und einer der intelligentesten und visuell aufregendsten Science-Fiction Filme unserer Zeit. Die darin skizzierte düstere Zukunftsvision, das Thema der Vermischung von Mensch und Maschine, sowie die Frage nach Identität, hat bis heute an Aktualität nichts verloren. Eine Fortsetzung dieses unantastbar geltenden Filmklassikers zu wagen, hat sich Denis Villeneuve («Sicario», «Arrival») verschrieben. Und: Dem Science Fiction Newcomer ist dabei zwar kein Meisterwerk, dafür ein würdiger Nachfolger gelungen, der sich vor allem durch sein Szenenbild, seine Architektur, Kamera und seinen Soundtrack sehen und hören lässt!
Wir schreiben das Jahr 2049. Die Welt liegt in einem ständigen Nebel, so auch Los Angeles. Kein Lichtstrahl, sondern lediglich die Scheinwerfer von Drohnen dringen durch den Smog. Die Stadt ist nicht nur von Menschen, sondern auch von Hologrammen und Androiden bewohnt, die ihnen jedoch nicht mehr als Sklaven dienen, wie noch Jahre zuvor. Da die Ökosysteme zusammengebrochen sind und es keine echten Tiere und Pflanzen mehr gibt, werden in gigantischen Gewächshäusern mit endlosen Tunneln aus Plastikfolie, auf den Feldern vor der Stadt, Proteinwürmer gezüchtet, von denen sich die Menschen ernähren. Auch wenn das Replikantenproblem der Vergangenheit weitgehend gelöst zu sein scheint, gibt es noch Replikanten-Jäger, so Officer K (Ryan Gosling) vom Los Angeles Police Department, der als Blade Runner mit seinem Spinner, einem fliegenden Sportwagen, umherfliegt.
Eines Tages werden bei einem von K. eliminierten Replikanten-Farmer, Kisten mit Überresten einer Frau gefunden. Nach einer Untersuchung stellt sich heraus, dass es sich bei dem Fund um eine Replikantin mit einem mysteriösen Geheimnis handelt. Eine spezielle Seriennummer lassen bei K. Erinnerungen an eine alte Zeit aufkommen. Unterdessen möchte Bösewicht Niander Wallace (ein kurioser Jared Leto), diese Überreste und sein wertvolles Geheimnis in seine Gewalt bringen.Es beginnt eine Jagd nach Antworten, eine Reise zu K’s Selbst und ein Kampf gegen böse Mächte, die auch den alten Blade Runner Deckard (Harrison Ford) aus einem verlassenen Casino wieder ins Spiel bringen.
Form ist König.
Wie eingangs gesagt, «Blade Runner 2049» ist kein Meisterwerk. Wo der alte Film durch seine innovative Kraft und visionäre Weltkonstruktion einen Meilenstein an die Leinwand bannte, bringt der neue Film niemals diese ursprüngliche Kraft mit. Das muss er aber auch nicht, denn was er sehr gut macht, ist die Geschichte weiterzuführen und auf den alten Film zu referenzieren. Es empfiehlt sich also vor dem neuen Film, den alten «Blade Runner» mit einem grossartigen Harrison Ford anzusehen. Beim Vergleich stellt man dann fest, dass sich der Nachfolger in vielerlei Hinsicht an die Regeln des Vorgängers hält. So mag man dem Film in der heutigen Zeit ein langatmiges Erzählen vorwerfen, wenn man sich aber den Klassiker ansieht, merkt man, dass dies aus Respekt geschieht. Wo in der heutigen Zeit schon viele 1000 Schnitte eingebaut hätten, bleibt der Film von Denis Villeneuve in den Einstellungen lange verweilend und lässt – hier erkennt man die Gewichtung der Form im Film – dem Zuschauer genügend Zeit, die wirklich fantastische Filmarchitekur und das Szenenbild von Denis Gassner («Apocalypse Now», «The Truman Show», «Road to Perdition») ausgiebig zu geniessen. Deswegen schleicht sich in der ersten Hälfte dann auch kurz die Frage ein, warum der Film kein Tempo und in einer Herr-Der-Ringe-Zwei-Türme Manier, auch keinen echten Climax aufbaut. Aber wie gesagt, Form ist wie auch schon beim alten Film bei «Blade Runner 2049» König und so sind dann auch die phänomenal durchdringende Musik von Hans Zimmer und Benjamin Wallfisch und die Kamera Roger Deakins («Fargo», «The Man Who Wasnt’ There», «Sicario») mit wunderbar symmetrischen Kadragen, die wahren Hauptdarsteller des Films.
Was auch zu den Mängeln des Films führt, denn der Cast vermag zwar zu überzeugen, aber die Figuren sind zu wenig eigentümlich und haben zu wenig Tiefe. Ryan Gosling führt 162 Minuten mit denselben Hundeaugen durch den Film, Robin Wright ist fehl am Platz, auch Jared Leto ist völlig blass und Ana de Armas mimt die künstliche Freundin K’s nur bedingt überzeugend. Einzig Carla Juri als Dr. Ana Stelline bringt emotionale Tiefe als Figur der Erinnerungen-Erschafferin (einer der besten und spannendsten Szenen) und Harrison Ford bringt Witz und Schneid mit in den Film, der sonst eigentlich leider eher humorlos bleibt. Auch sind vermeintlich neue, inhaltliche Ideen bei anderen Filmen wie «Her», «Fifth Element», «Ex-Machina» oder «Under the Skin» origineller inszeniert worden.
Fazit:
Alles in allem ist «Blade Runner 2049» neben den, im langweiligen Blockbuster-Zirkus laufenden Schnuten ein Höhepunkt des Kinojahres 2017 und ein würdiges «Blade Runner»-Sequel. Ridley Scott-Fans, Scence-Fiction Aficionados, aber auch Arthouse-Cinephile können dem Film einiges abverlangen. Ins Oscarrennen wird er aber nicht für Bester Film, beste Regie oder bestes Drehbuch gehen, sondern für Kamera, Soundtrack oder Szenenbild.
Kinostart: 5. Oktober / Regie: Denis Villeneuve / Besetzung: Ryan Gosling, Harrison Ford, Ana de Armas, Sylvia Hoeks, Robin Wright, Mackenzie Davis, Carla Juri, Lennie James, Dave Bautista, Jared Leto
Trailer- und Bildquellen: Paterson-Entertainment AG / Sony Pictures Switzerland
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