You are everything that’s wrong with you!
Mit «BoJack Horseman» ist im Sommer 2014 das seit längerem beliebte Genre der Sadcom auch im Animationsbereich angekommen. Kein Cartoon «auch» für Erwachsene, sondern eben «nur» für Erwachsene. Hier gibt’s keine glücklichen Prinzessinnen und kein Happy End zum Schluss jeder Episode. Dafür wird uns aber die intelligenteste, witzigste, krasseste, ehrlichste und auch absurdeste Betrachtung über die Sinnlosigkeit des Lebens geliefert, die man sich als Erwachsener nur wünschen kann.
Animierte Filme oder Serien haben einen schweren Stand. Sie müssen sich noch immer gegen die fixe Idee behaupten, dass Gezeichnetes nur für Kinder oder Nerds produziert wird. Dieses Vorurteil kann die Netflix Serie «BoJack Horseman» schon innerhalb der kurzen Eröffnungssequenz widerlegen: Da sieht man den titelgebenden BoJack, wie er durch einen ganz normalen Tag in seinem Leben driftet, ohne wirklich je präsent oder involviert zu sein. Enter BoJack Horseman: Ein depressiver Alkoholiker, emotional völlig abgeschottet von seiner Umgebung in seiner Blase aus Depression, Narzissmus und Verbitterung. Und auch wenn es sich bei BoJack um ein Pferd handelt – diese Themen sind nicht wirklich kindertauglich!
Der titelgebende BoJack Horseman ist ein abgehalfterter Schauspieler, der in den 90er Jahren zu Ruhm gelangte als Protagonist der Familien-Sitcom «Horsin’ Around». Heute, 18 Jahre später, versinkt er Tag für Tag in Selbstmitleid, Sucht und der ständigen Suche nach Zerstreuung irgendwelcher Art. Die Serie, kreiert von Raphael Bob-Waksberg und animiert von der brillanten Lisa Hanawalt, hat das Absurde bereits in der Ausgangslage angelegt: BoJack ist ein Pferd; die sarkastische Ghostwriterin für seine Biografie, Diane, und sein ewiger Hausgast Todd sind Menschen; seine Agentin Princess Carolyn ist eine Katze. Viele der Gags sind doppeldeutige Wort- und Bildspiele im Bezug auf die Tierwelt. Die Dichte dieser lustigen Einfälle halten der Tragik von BoJacks Suche nach Halt und Sinn die Waage.
«Horsin’ Around»
Die Serie schafft es – und das ist eigentlich ihr grösster Triumph – Sympathie für BoJacks Lage hervorzurufen, ohne seine Unzulänglichkeiten zu verherrlichen. Die unterhaltsamen Aspekte von BoJacks Sucht, von seinem Zynismus, seiner überhöhten Selbstbezogenheit und seinem Selbsthass wecken Mitleid, weil sie (für einige mehr, für andere weniger) nachvollziehbar sind; und sie bringen uns zum Lachen! Aber sein selbstzerstörerisches Verhalten und sein Nihilismus werden nie entschuldigt. Wie sein uneingeladener Dauergast Todd zum Ende der dritten Staffel zu BoJack sagt: «You are all the things that are wrong with you».
Immer wieder ist BoJack unglücklich mit seinem Leben. Immer wieder versucht er, durch kreatives Schaffen oder durch eine neue Beziehung Sinn zu finden. Und immer wieder stürzt er ab, betrügt, lügt, und verletzt Mensch und Tier in seiner Umgebung. Das Repetitive, das zum Genre der Sitcom eigentlich sowieso schon dazugehört, wird noch verstärkt durch den existentiellen Nihilismus, welcher der Figur zu Grunde liegt. Wenn alles sowieso keinen Sinn hat es keinen richtigen Weg gibt – warum sollte man es überhaupt versuchen? Das Ende der dritten Staffel lässt vermuten, dass BoJack sich auch diesem Teufelskreis lösen könnte. Es scheint, als würden 20 Jahre nach Ende seiner Vaterrolle in «Horsin’ Around» wieder die traditionellen, ja fast konservativen Werte von Familie und Herdenverbund einen Ausweg für BoJacks tägliche Qualen darstellen. Wir sind gespannt, ob und wie er das wieder vermasseln wird.
Die ersten drei Staffeln von Bojack Horseman sind auf Netflix Schweiz zu sehen. Für den Sommer 2017 ist die vierte Staffel angesagt.
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