#MeToo in einem Unternehmen, in dem «Feministin» ein Schimpfwort ist: Regisseur Jay Roach arbeitet in «Bombshell» auf, wie eine Gruppe von Frauen im berüchtigten konservativen US-Nachrichtenkanal Fox News der Herrschaft des sexuell übergriffigen Senderchefs Roger Ailes ein Ende setzten. Das ist eine wichtige Geschichte, doch der Film drückt sich vor den wirklich schwierigen Fragen.
Jon Favreau – der ehemalige Obama-Redenschreiber, nicht der Regisseur von «Iron Man» (2008) – findet klare Worte für den wohl einflussreichsten Fernsehsender in den USA: «Fox News is a cancer», so sein pointiertes Urteil. Der vom australischen Medienmogul Rupert Murdoch ins Leben gerufene Kanal sei ein Propaganda-Arm der republikanischen Partei, der seinem Millionenpublikum Tag für Tag erzähle, dass Donald Trump über dem Gesetz stehe. Man kann die Beschreibung für übertrieben halten, aber die Tatsachen sprechen für sich: Zur besten Sendezeit reden sich hier Journalist*innen wie Sean Hannity, Tucker Carlson und Laura Ingraham in Rage über ein Amerika, das, ihrer Meinung nach, vom Weg abgekommen sei. Zu ihren Lieblingsbuhmännern und -frauen gehören Linke, Minderheiten aller Art und sogar konservative Trump-Kritiker*innen.
Als Architekt dieses Rechtsaussen-Imperiums gilt der 2017 verstorbene Roger Ailes – ein ehemaliger republikanischer Stratege, der schon nach Richard Nixons unehrenhaftem Rücktritt 1974 von einem mächtigen medialen Fürsprecher der Rechten träumte, der künftige republikanische Präsidenten vor demselben Schicksal bewahren könnte. Fox News war die Erfüllung dieses Traums, und er schuf es in seinem Ebenbild: paranoid, rachsüchtig und profitorientiert.
Vom Ende der Ailes-Ära
«Bombshell» handelt vom Ende der Ailes-Ära – ein Ende, das pikanterweise mit dem Aufstieg des Fox-News-Fans Donald Trump ins US-Präsidentenamt zusammenfiel. Jahrzehntelang war Ailes (gespielt von John Lithgow) intern berüchtigt für seine sexuellen Avancen und Übergriffe gegenüber weiblichen Angestellten; geschützt wurde er durch eine sexistische Firmenkultur und ein von Angst und Einschüchterung geprägtes Arbeitsklima. Doch die Fassade des Schweigens beginnt zu bröckeln, als Star-Moderatorin Megyn Kelly (Charlize Theron) Trump mit seiner eigenen Frauenfeindlichkeit konfrontiert und die in der Teppichetage in Ungnade gefallene Gretchen Carlson (Nicole Kidman) Ailes wegen Belästigung verklagt.
Kelly, Carlson und die zahlreichen anonymen Whistleblowerinnen bei Fox News haben viel geleistet und riskiert, um einen tyrannischen Chef abzusetzen, der gegen Blowjobs auf Kündigungen verzichtete und sich damit brüstete, bei seinen Moderatorinnen eine Nulltoleranz für Hosen verhängt zu haben. Insofern erzählt «Bombshell» sicherlich eine nötige und wichtige Geschichte – nicht zuletzt auch deshalb, weil Regisseur Jay Roach («Trumbo») und Drehbuchautor Charles Randolph («The Big Short») daran erinnern, dass Sexismus und sexuelle Nötigung auch vor konservativen Frauen wie Kelly und Carlson, die sich vor der Bezeichnung «Feministin» geradezu ekeln, nicht Halt machen.
Unterstützt werden die beiden von einer soliden Charlize Theron sowie einer Nicole Kidman in Höchstform. Auch Margot Robbie, die als idealistische Jungkonservative Kayla die ungewollte Aufmerksamkeit von Ailes auf sich zieht, schafft es mit einer einfühlsamen Darbietung, sich über die allzu karikierten Aspekte ihrer Figur («I see myself as an influencer in the Jesus space») zu erheben. Dasselbe können die Dutzenden von Nebendarsteller*innen nicht von sich behaupten, die im «Saturday Night Live»-Stil plumpe Imitationen von bekannten Figuren aus dem Fox-Dunstkreis zum Besten geben – von Richard Kind als Rudy Giuliani bis Alanna Ubach als TV-Richterin Jeanine Pirro.
Doch es drängt sich nicht nur die Frage auf, ob eine Regisseurin für den Stoff nicht besser geeignet gewesen wäre – etwa eine Marielle Heller («Can You Ever Forgive Me?») oder eine Karyn Kusama («Destroyer»), deren Filme sich oft durch komplexe, unvollkommene Frauenfiguren auszeichnen. Denn Roach und Randolph machen es sich bei der Inszenierung auch ein wenig zu einfach: Sie feiern Kelly und Carlson als verkannte emanzipatorische Ikonen und schrecken vor einer seriösen Auseinandersetzung mit deren Komplizenschaft mit dem nicht selten explizit rassistischen und, ja, antifeministischen Desinformationskurs von Fox News zurück. Für sie ist das amüsante, ironisch überzeichnete Aufschneiderei, bei der es nicht um Ideologie, sondern nur um den Profit geht. Kellys berühmte Äusserung auf Sendung, Jesus und der Weihnachtsmann seien weiss und müssten das auch bleiben, ist entsprechend wenig mehr als ein Wegwerfwitz.
«‹Bombshell› zieht so eine wenig überzeugende Trennlinie zwischen dem Arbeitsplatz Fox News – wo sich Ailes reihenweise an Frauen vergeht und von einer Männerverein-Mentalität geschützt wird – und dem gesellschaftlich und politisch relevanten Produkt Fox News, welches sich nach wie vor das Bedienen und Bekräftigen von zersetzenden Ressentiments auf die Fahne geschrieben hat.»
«Bombshell» zieht so eine wenig überzeugende Trennlinie zwischen dem Arbeitsplatz Fox News – wo sich Ailes reihenweise an Frauen vergeht und von einer Männerverein-Mentalität geschützt wird – und dem gesellschaftlich und politisch relevanten Produkt Fox News, welches sich nach wie vor das Bedienen und Bekräftigen von zersetzenden Ressentiments auf die Fahne geschrieben hat. Doch erstere Geschichte ist nun einmal von letzterer nicht zu trennen.
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Kinostart Deutschschweiz: 23.1.2020
Filmfakten: «Bombshell» / Regie: Jay Roach / Mit: Charlize Theron, Nicole Kidman, Margot Robbie, John Lithgow, Kate McKinnon, Liv Hewson, Rob Delaney, Connie Britton, Allison Janney, Malcolm McDowell, Richard Kind, Alanna Ubach / USA / 108 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Impuls Pictures AG
Es ist wichtig, dass die Welt vom Kampf der Fox-News-Frauen gegen Roger Ailes' Schreckensherrschaft erfährt. Doch die Aufarbeitung von «Bombshell» fällt allzu simpel aus.
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