Luca Guadagninos «Bones and All» ist keine blosse Horror-Teenie-Romanze, sondern ein vereinnahmender Film mit viel Zärtlichkeit, dessen sanfte Seiten Hand in Hand mit grafisch dargesteller Gewalt gehen. Wer Filmblut und Gedärme aushält, wird mit einem emotionalen, intelligenten Kinoerlebnis belohnt.
Maren (Tylor Russell) lebt mit ihrem alleinerziehenden Vater in Virginia, wo sie gerade dabei ist, ein neues Leben mit neuen Freund*innen aufzubauen. Als sie aus einem Impuls heraus den Finger einer Bekannten isst, muss sie sich, zunächst mit ihrem Vater und schliesslich alleine, erneut neu orientieren. Auf der Suche nach ihrer Mutter trifft sie Lee (Timothée Chalamet), ebenfalls ein Kannibale, und zwischen den beiden entwickelt sich eine Beziehung, die unter die Haut geht.
«Mit ‹Call Me by Your Name› hat Luca Guadagnino bereits sein Händchen für Romanverfilmungen über emotionale, komplizierte jugendliche Liebe und Selbstfindung bewiesen. In ‹Bones and All› nutzt er nun Horrorelemente, um diese Themen erneut zu ergründen.»
Mit «Call Me by Your Name» (2017) hat Luca Guadagnino bereits sein Händchen für Romanverfilmungen über emotionale, komplizierte jugendliche Liebe und Selbstfindung bewiesen. In «Bones and All» nutzt er nun Horrorelemente, um diese Themen erneut zu ergründen. Bereits die ersten Minuten des Films geben dem Publikum einen guten Einblick, was über die Laufzeit von gut zwei Stunden zu erwarten ist: vielschichtige Darbietungen, die an Herz und Nieren gehen – was durchaus auch wörtlich zu verstehen ist und sich dementsprechend nicht für Zartbesaitete eignet.
Insbesondere Taylor Russells schauspielerisches Talent, das zusammen mit Arseni Khachaturans hervorragender Kamerführung und Marco Costas präzisem Schnitt innert kürzester Zeit Beziehungen auf der Leinwand aufbaut, welche die Zuschauenden in ihren Bann ziehen, ist bemerkenswert. Und auch die Chemie mit Timothée Chalamet stimmt, was unter der stilsicheren Regie von Guadagnino zu einem absolut vereinnahmenden Film führt, der einem keine Zeit lässt, um gewisse Handlungsstränge zu hinterfragen.
Wenn man den Film schliesslich aber ein bisschen verdaut hat, tauchen schon gewisse Fragen auf – etwa warum ein signifikanter der Teil US-Bevölkerung kannibalistischen Impulsen folgen kann, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt oder die Polizei einschreitet. Doch mit solchen Fragen beschäftigt sich «Bones and All» kaum. Im Zentrum steht vielmehr die Innenansicht der Kannibal*innen, die viele unterschiedliche Coping-Strategien entwickelt haben, um mit ihren Trieben zurechtzukommen. Die Protagonistin Maren befindet sich erst am Anfang dieses Findungsprozesses, den sie gemeinsam mit Lee bestreitet. Hier ist es wiederum Russell geschuldet, dass ihre Zerrissenheit fürs Publikum fassbar wird. Und so emotional und viszeral packend wie ihre Geschichte erzählt wird, lässt man gerne Logik und Logistik aussen vor.
«‹Bones and All› ist ein Film über Gewalt, Liebe und Selbstfindung, der von Anfang bis Ende gekonnt mit den Emotionen des Publikums spielt und entsprechend nachwirkt.»
«Bones and All» ist ein Film über Gewalt, Liebe und Selbstfindung, der von Anfang bis Ende gekonnt mit den Emotionen des Publikums spielt und entsprechend nachwirkt. Wer sich nicht von den sehr blutigen und expliziten Szenen abschrecken lässt, wird komplett gebannt vor der Leinwand sitzen.
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Kinostart Deutschschweiz: 23.11.2022
Filmfakten: «Bones and All» / Regie: Luca Guadagnino / Mit: Taylor Russell, Timothée Chalamet, Mark Rylance, André Holland, Michael Stuhlbarg, David Gordon Green, Jessica Harper, Chloë Sevigny / Italien, USA, Grossbritannien / 130 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © 2022 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved © 2022 METRO-GOLDWYN-MAYER PICTURES INC. all rights reserved.
«Bones and All» ist emotional vielschichtges Kino, das einen mit Haut und Haaren zu verschlingen droht. Wer sich darauf einlässt, erhält einen empathischen Einblick ins Kannibal*innen-Leben.
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