Nicht nur während der Pandemie ist das Gesundheitswesen in vielen Ländern am Anschlag: hohe Belastung, wenig Wertschätzung, zwischenmenschliche und finanzielle Konflikte. «Burning Out» zeigt an einem französischen Beispiel, wie unterschiedliche Protagonist*innen diese toxischen Arbeitsbedingungen navigieren, und gibt ihnen ein bisschen Menschlichkeit zurück.
Am Beispiel der chirurgischen Abteilung des Hôpital Saint-Louis in Paris dokumentiert «Burning Out» den Arbeitsalltag in einem öffentlichen französischen Krankenhaus. Schnell wird jedoch klar, dass dieser scheinbar zufällig ausgewählte Mikrokosmos stellvertretend für viele andere Standorte steht.
Zivilisationskrankheit Rentabilität
Am Anfang des Films steht das Buch «Global Burnout» von Pascal Chabot und eine Veranstaltung am Hôpital Saint-Louis, wo nicht besorgte Bürger*innen zum Thema Burnout, sondern betroffene Ärzt*innen und Pflegende informiert wurden. Geschockt und inspiriert, hat sich der belgische Filmemacher Jérôme le Maire des Themas angenommen und zwei Jahre lang das Personal der chirurgischen Abteilung begleitet. Mit einfachsten Mitteln hat le Maire den Mikrokosmos des Operationstrakts und seine Eigenheiten eingefangen. Wer sich hinter den Kulissen eines Krankenhauses auskennt, wird sich schnell zurechtfinden. Die Cholerischen und die Resignierten, das Chaos und die Unzufriedenheit – «Burning Out» bietet da viel Bekanntes. Doch Fachjargon und unbekannte Abläufe machen Nichteingeweihten den Einstieg in den Film schwierig. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass ein Krankenhaus eine komplexe Maschinerie ist, die es zuerst zu verstehen gilt.
«Der Arbeit wird das Menschliche genommen.»
Was diese Maschine mit den Menschen macht, die sie am Laufen halten, ist aber das eigentliche Ziel von «Burning Out». Wie kleine Rädchen seien sie, sagt etwa einer der Protagonisten; der Arbeit werde das Menschliche genommen und die Begeisterung für den Job sei schon länger weg, ein anderer. Hie und da findet sich aber auch eine kämpferische Stimme – Menschen, die sich für ihre Kolleg*innen und bessere Arbeitsbedingungen einsetzen, und aufzeigen, dass hinter den schwarzen Zahlen des Krankenhauses ein menschlicher Preis steckt. Doch viel zu oft treffen ihre Anliegen, wenn nicht auf taube Ohren, dann auf handlungsunfähige Bürokrat*innen. Ein niedrigeres Arbeitspensum durch weniger Eingriffe bedeutet weniger Geld, weniger Ressourcen, weniger Personal – und der Teufelskreis schliesst sich.
Wenn das Buch von Chabot die These aufstellt, dass das Burnout eine Zivilisationskrankheit ist, so zeigt le Maires Film, dass ein Burnout nur das Symptom der eigentlichen Krankheit Rentabilität ist.
«Burning Out» wartet nicht mit Lösungen auf, sondern dokumentiert kommentarlos, was solche toxischen Zustände auf allen Ebenen anrichten. Wenn das Buch von Chabot die These aufstellt, dass das Burnout eine Zivilisationskrankheit ist, so zeigt le Maires Film, dass ein Burnout nur das Symptom der eigentlichen Krankheit Rentabilität ist.
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VOD-Release: 30.04.2020 / Streambar via Outisde the Box.
Filmfakten: «Burning Out» / Regie: Jérôme le Maire / Frankreich, Belgien, Schweiz / 85 Minuten
Bild- und Trailerquelle: https://www.outside-thebox.ch/
Ein eindrücklicher Dokumentarfilm über die Brände im Gesundheitssystem. Das Löschwerkzeug muss man selber mitbringen.
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