Zweieinhalb Stunden dauert der neue Film des südkoreanischen Regisseurs Lee Chang-dong – und er enthält keine langweilige Sekunde. «Burning», basierend auf einer Kurzgeschichte von Haruki Murakami, ist ein packendes Mysterydrama über männliche Wut.
Die Prämisse von «Burning» ist ebenso simpel wie suggestiv: Der stille Gelegenheitsarbeiter und angehende Buchautor Lee Jong-su (Yoo Ah-in) trifft während eines Botengangs seine alte Schulkameradin Hae-mi (Jeon Jong-seo) und verliebt sich Hals über Kopf in sie. Entsprechend misstrauisch reagiert er, als sie nach einer Reise nach Kenia mit einem neuen Vertrauten, dem reichen Ben (Steven Yeun), zurückkehrt. Es ist der Beginn einer komplexen Dreiecksbeziehung.
Anders als seine Landsleute Park Chan-wook («Oldboy», «The Handmaiden») und Bong Joon-ho («Snowpiercer», «Okja») ist Lee Chang-dong, trotz international gefeierter Werke wie «Secret Sunshine» (2007) und «Poetry» (2010), gerade im deutschsprachigen Raum noch kein weithin bekannter Vertreter des südkoreanischen Kinos. Es ist zu hoffen, dass sich das mit «Burning» endlich ändert.
Inspiriert von Haruki Murakamis Erzählung «Scheunenabbrennen» – und mehr oder weniger explizit beeinflusst von William Faulkners gleichnamiger Geschichte aus dem Jahr 1939 («Barn Burning») –, setzen sich Lee und Co-Autorin Oh Jung-mi hier auf äusserst subtile Art und Weise mit dem Machtgefälle zwischen den Geschlechtern auseinander. Ihr Fokus mag auf den diesbezüglichen Mechanismen der südkoreanischen Gesellschaft liegen – «Kein Land für Frauen» ist einer der Schlüsselsätze des Films –, doch dem sich entfaltenden Drama haftet ein beklemmendes Gefühl von Universalität an.
Während Hae-mi für Ben so etwas wie ein Spielzeug zu sein scheint – ein seiner sozialen und finanziellen Macht ausgesetztes Statussymbol –, folgt auch Jong-su, der designierte Protagonist, repressiven Verhaltensmustern. So sehr er sich auch um Hae-mi sorgt – sie bleibt stets ein Objekt der Begierde für ihn, eine Projektionsfläche für seine Lust, seine Unsicherheit, seine Wut: Er konstruiert sich ein idealisiertes Bild von ihr, masturbiert während ihrer Abwesenheit in ihrer leeren Wohnung und hinterfragt Bens Motive wohl primär deshalb, weil dessen Auftreten seine Fantasie vom vermeintlichen Beziehungsglück stört.
«Ein spannendes, eindringliches und letztlich erschütterndes Meisterstück.»
Integriert ist das Ganze in einen grandios inszenierten, hochgradig atmosphärisch vorgetragenen Mystery-Plot. Lee und Oh verraten genug, um emotional zu packen, halten sich aber auch bedeckt genug, um immer wieder mit neuen, schlüssigen Wendungen zu überraschen. Unterstützt werden sie dabei von drei hervorragend aufspielenden Darstellern – gerade Steven Yeun (bekannt als Glenn Rhee aus «The Walking Dead») brilliert mit einer unheimlichen Undurchsichtigkeit – sowie einer beeindruckenden Bild- und Tonsprache, die mehr als einmal die Verlässlichkeit von Jong-sus Blickwinkel infrage zu stellen scheint. Das Resultat ist ein spannendes, eindringliches und letztlich erschütterndes Meisterstück.
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Kinostart Deutschschweiz: 10.1.2019
Filmfakten: «Burning» («버닝», «Beoning») / Regie: Lee Chang-dong / Mit: Yoo Ah-in, Jeon Jong-seo, Steven Yeun / Südkorea / 148 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Xenix Filmdistribution GmbH
Lee Chang-dong vermischt eindringliches Mysterykino mit scharfer Gesellschaftskritik. Nicht verpassen!
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