Nach dem Grosserfolg «Toni Erdmann» (als Darsteller) und dem Drama «Halbschatten» (als Regisseur) widmet sich Nicolas Wackerbarth nun der Geburt eines jeden Films – dem «CASTING» und kehrt damit zurück zu seinen Drehbuch-losen Wurzeln. Fassbinders «Die bitteren Tränen der Petra von Kant» soll neu inszeniert werden – als Spielfilm, zum 75. Geburtstag des verstorbenen Enfant-terrible deutscher Filmkunst. Warum ein Meisterwerk neu verfilmen? Hochkarätig besetzt aber ohne festes Script. Ob das gut gehen kann?
Wir befinden uns in einem Studio des SWR: Regie, Casting-Direktorin, Schauspieler, Maske; eine typische Casting-Situation also. Und was steht auf dem Plan? Rainer Werner Fassbinders Kultfilm «Die bitteren Tränen der Petra von Kant» soll neu verfilmt werden – als Fernsehfilm – zum Geburtstag und Angedenken des früh verstorbenen, bayrischen Regie-Wunderkindes. Einem der wichtigsten Vertreter des neuen deutschen Films.
Kann und soll man das überhaupt? – Und wenn ja, wie? Das Projekt steht von Anfang an unter keinem besonders guten Stern: Die eiskalte Regisseurin, sehr schön verkörpert durch Judith Engel, weiss nicht was sie will oder eben nur genau, was sie nicht will – tut aber so, als hätte sie alles bestens im Griff. Ja, so läuft das. Maske wahren. Doch die Zeit drängt und die Produzenten stressen, natürlich, denn die weibliche Hauptrolle ist noch immer nicht gefunden und die Casterin will gewiss auch nicht wie das Kalb zur Schlachtbank geführt werden – schliesslich ist sie es ja die, die Schauspieler bringt- und zu guter Letzt springt auch noch die männliche Hauptralle, kurz vor Drehbeginn, ab. Worstcase: Ein Desaster. Der schwule Gerwin (Wunderbar: Andreas Lust) der etwas verlorenen wirkende, arbeitslose Schauspieler, der es höchstens noch als Probe-Anspielpartner (Anspiel-Wurst) der richtigen Stars auf ein Film-Set schafft, wittert nun die grosse Chance, doch noch zu seinem wohlverdienten Ruhm zu kommen. Die Rollen wären nun langsam verteilt. Der Dreh beginnt.
„Warum einen guten Film zweimal machen? -Dann machst du ihn eben auf deine Art..!“
Ein vielschichtiges Remake von Fassbinders grandioser Vorlage, welche Licht auf die Schattenseiten der deutschen Filmbranche wirft. Klug, einfühlsam, ungewohnt und absolut hochkarätig besetzt (Andrea Sawatzki, Stephan Grossmann u.v.m.) – aber trotzdem kommt der Film einfach nicht richtig auf Touren. Was für den mit allen Wassern gewaschenen, ab-gecasteten Vorsprech-Insider teilweise noch unterhaltsam und witzig sein kann, wirkt für den Szene-fremden Laien wohl eher etwas befremdlich.
Grad für den Eingeweihten ist der Streifen auf die Länge von 1,5h zu wenig bissig und fürs gemeine Casting-Greenhorn eher umständlich zu verstehen; Ausser man ist sich gewohnt, munter auf der Gesprächs-Metha-Ebene rumzuhüpfen und das Ratespiel mitzuspielen, was jetzt wirklich echt ist und was nicht. Und so ist «Casting» mehr selten als oft wirklich innovativ und überraschend.
Mit Wackelkamera wirft dieses grösstenteils Improvisierte und lose-gescriptete Machwerk (131min.) einen scheuen Blick hinter den roten Vorhang; zeigt die Machtspielchen, den Stress, die oberflächliche Freundlichkeit und die absolute Ahnungslosigkeit -verborgen hinter der scheinbaren äusserlichen Kontrolle vieler Profis.
Musikalische Untermalung fehlt fast komplett, wobei dieses Stilmittel eher da verwenden werden sollte, wo ein fetziges Lied der Spannung nur abträglich wäre, was hier nicht der Fall ist und daher das Ganze dann doch etwas zu dialog-lastig, fade und grau daherkommen lässt. Wackerbarth versucht etwas zu zeigen – und zwar ein authentisches Bild einer durchschnittlich-verkappten Casting-Situation – Wagt aber zu wenig, spielt alles in allem einfach zu niedrige Einsätze und kommt leider auch nicht gegen die verschiedenen grossen Hollywood-Vorlagen an. Ein Easy Film für Szenen-Kenner.
–
Kinostart: 2. November / Regie: Nicolas Wackerbarth / Mit: Toby Ashraf, Milena Dreissig Judith Engel, Stephan Grossmann, Corinna Kirchhoff, Ursina Lardi, Andreas Lust
Trailer- und Bildquellen: Outside The Box.
No Comments