Sexy und intensiv: Luca Guadagninos «Challengers» ist ein Beziehungsdrama, das nicht auf dem Therapiesofa, sondern auf dem Tennisplatz gelöst wird. Schwitzend und stöhnend treiben sich die drei Hauptfiguren an und beschenken das Publikum mit einem nervenaufreibenden Romantikthriller, der seinesgleichen sucht.
Wenn ein Luca Guadagnino ins Kino kommt, brodelt der Hype – und wenn dann auch noch Zendaya in der Hauptrolle und als Produzentin tätig ist, kocht er über. Schon im Vorfeld wurde «Challengers», der neue Film des italienischen Regisseurs, als Film des Jahres gehandelt. Wie so oft thematisiert er darin komplexe menschliche Beziehungen mit einem gehörigen Schuss Erotik. Nachdem sich sein Liebespaar in «Bones and All» (2022) regelrecht verschlang, zeigt sich sein neuestes Pärchen zwar weniger blutig, aber genauso gefangen in einer toxischen gegenseitigen Abhängigkeit.
Das weltberühmte Power-Couple Art Donaldson (Mike Faist) und Tashi Duncan (Zendaya) sind die Gesichter der Tenniswelt. Tashi war als Teenager der aufstrebende Star der Szene und bekannt für ihre Verbissenheit. Durch eine Verletzung musste sie ihre eigene Karriere zwar an den Nagel hängen; den Tennissport hingegen hat sie nicht aufgegeben: Sie ist Arts Coach und Partnerin.
Dank Tashis exzellentem Training schafft es Art auch prompt an die Spitze des Tennis. Seit einiger Zeit plagt den Tennisprofi aber eine Pechsträhne. Um Art aus dem Sumpf zu helfen, meldet Tashi ihn bei einem Challenger-Turnier an – einem Wettkampf weit unter seinem Niveau. Dort wird Art zwar nicht auf eine Herausforderung stossen, aber mit einem sicheren Sieg seine Pechsträhne überwinden können. Als plötzlich Patrick Zweig (Josh O’Connor) auftaucht, wird das Leben von Art und Tashi aufgewirbelt – denn Patrick ist nicht nur der ehemalige beste Freund von Art, sondern auch der frühere Geliebte von Tashi.
Roger Federer sagte einmal: «Ich habe zwei Leben. Alle Probleme lasse ich fallen, sobald ich das Tennisfeld betrete.» Auf so eine Ausgeglichenheit können Art und Patrick nicht hoffen. Wenn die beiden sich gegenüberstehen, ist es nicht nur ein Tennismatch, sondern ein Duell, das sie seit 13 Jahren miteinander austragen. Dreh- und Angelpunkt ihrer Rivalität ist und bleibt dabei immer Tashi: Tashi das Tennis-Wunderkind, Tashi das Mastermind, Tashi die Göttin, Tashi die Verführerin.
«Drehbuchautor Justin Kuritzkes präsentiert den Konflikt der beiden Männer meisterhaft und facettenreich.»
Drehbuchautor Justin Kuritzkes präsentiert den Konflikt der beiden Männer meisterhaft und facettenreich. Ihr Challenger-Match dient dabei nur als Basis, um eine viel tiefere und komplexere Geschichte zu erforschen. Immer wieder springt die Story Jahre, Wochen oder sogar nur wenige Stunden zurück. Auf diese Weise entfalten sich Stück für Stück verborgene Details, und es wird klar, dass es um viel mehr geht als um einen blossen Matchball.
Es ist das erste Drehbuch des Newcomers Kuritzkes, der bislang eher durch Theater und YouTube bekannt war. Interessanterweise ist der junge Autor mit Celine Song verheiratet, der oscarnominierten Autorin von «Past Lives» (2023) – einem weiteren Film über eine komplexe Dreiecksbeziehung. Welche Beziehung die beiden Autor*innen miteinander führen, dürfte wohl ein prickelndes Thema für Filmforen sein.
Zendaya, die in den letzten Jahren einen gigantischen Erfolg nach dem andern feiern konnte («Euphoria», «Spider-Man», «Dune»), unterstreicht mit der Rolle der Tashi ihr schauspielerisches Talent. Immer wieder wurde die junge Schauspielerin beschuldigt, nur kühle, desinteressierte Charaktere zu spielen. Und auch wenn Tashi auf den ersten Blick ebenfalls unnahbar wirkt, zeigt sich unter ihrer dicken Haut ein manipulativer und durchtriebener Charakter. Tashi weiss, wie sie auf andere wirkt, und setzt es zu ihrem Vorteil ein. Mit einem Blick oder einer simplen Bewegung kann sie ihr Umfeld manipulieren – allen voran Art und Patrick. Zendaya haucht Tashi somit nicht nur Leben ein, sondern schafft eine geradezu ikonische Filmfigur, über die wohl noch lange diskutiert werden wird.
Das Blut in Wallung bringen allerdings Mike Faist («West Side Story») und Josh O’Connor («La chimera»). Ihre Spannung, die zwischen homoerotisch, freundschaftlich und feindselig hin- und herwechselt, ist nicht nur auf der Leinwand spürbar, sondern fast schon greifbar. Nicht einmal Novartis besitzt so viel Chemie, wie die beiden Schauspieler miteinander teilen.
«Luca Guadagnino weiss, wie man Körper begehrenswert zeigt und verschmilzt gekonnt Female- und Male-Gaze.»
Hier kommt ausserdem einmal mehr das haptische Talent des Regisseurs zum Vorschein. Luca Guadagnino weiss, wie man Körper begehrenswert zeigt und verschmilzt gekonnt Female- und Male-Gaze: Wenn Zendaya in knappen Sportshorts auf dem Feld auftaucht, geht ein Raunen durch die Menge – ihr Körper eine Skulptur aus Marmor, ihr Schwung ein Tanz, ihre Haut ein Seidentuch.
Mindestens genauso begehrenswert zeigen sich jedoch auch die männlichen Körper: Muskeln zucken, Adern pulsieren, es wird geschwitzt, gestöhnt, gelechzt. Nackte Körper werden nicht versteckt, sondern präsentiert in ihrer ganzen Schönheit. «Horny» wird «Challengers» auf Social Media genannt – doch Guadagnino verwendet Erotik viel weniger plump, als es auf TikTok und Co. heissen mag. Im Gegenteil: Er versteckt sie raffiniert hinter Zweideutigkeiten, etwa wenn sich Art und Patrick erschrocken an den Oberschenkel greifen, jubelnd aufeinanderfallen oder neckisch die Spitze eines Churros abbeissen.
Ebenso haptisch wirken die Kameraeinstellungen von Sayombhu Mukdeeprom. Der thailändische Kameramann und Guadagnino-Veteran («Call Me by Your Name», «Suspiria») zeigt das Tennisspiel nicht simpel von links nach rechts, sondern von unten, oben, pirouettenartig durch die Luft fliegend, über die Schulter blickend, aus der Sicht des Spielers und sogar aus der Sicht des Balls. Genauso ausgefallen und energisch inszeniert Mukdeeprom zudem die Diskussionen zwischen den Protagonist*innen – denn Tennis wird hier nicht nur auf dem Feld ausgetragen, sondern auch im Alltag der drei Figuren.
«Tennis wird hier nicht nur auf dem Feld ausgetragen, sondern auch im Alltag der drei Figuren.»
Verstärkt wird diese dynamische Kameraarbeit durch den brummenden Soundtrack von Trent Reznor und Atticus Ross. Das musikalische Duo hinter der Band Nine Inch Nails, das inzwischen vor allem für seine Musikscores für Filme wie «The Social Network» (2010), «Gone Girl» (2014), «The Killer» (2023) oder «Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem» (2023) bekannt ist, hat für «Challengers» einen harten 1990er-Techno-Remix geschaffen, der diesen Sommer wohl noch in einigen Clubs laufen wird.
Wenn es etwas Schlechtes über den Film zu sagen gibt, ist es nicht viel. Einzig die Tatsache, dass die Dreiecksbeziehung zwischen Tashi, Art und Patrick derart im Fokus steht, sorgt dafür, dass andere Figuren an den Rand der Geschichte gedrängt werden. So haben Tashi und Art beispielsweise eine Tochter, die kaum vorkommt. Das kleine Mädchen soll wohl zeigen, wie viel bei Tashi auf dem Spiel steht; doch leider ist der Charakter derart unausgereift, dass Tashi als Mutter hauptsächlich irritierend wirkt.
Auch die grossen und abrupten Zeitsprünge sind stellenweise nur schwierig nachzuvollziehen: Unaufmerksame Zuschauer*innen könnten sich in der Handlung verlieren. Und die vorher gelobten Kameraeinstellungen könnten bei einigen Kinobesucher*innen Kopfschmerzen verursachen. Wer diese kleinen – potenziellen – Mängel verzeihen kann, darf sich auf eine wilde Achterbahnfahrt durch ein sexy Beziehungschaos freuen.
«Guadagnino hat es geschafft, einen heissen und aufregenden Film in die Kinos zu bringen, der saumässig Spass macht.»
Ob «Challengers» tatsächlich der Film des Jahres ist, wie es auf Social Media heisst, lässt sich noch nicht sagen. Klar ist allerdings, dass Guadagnino es geschafft hat, einen heissen und aufregenden Film in die Kinos zu bringen, der saumässig Spass macht. Und noch eins ist klar: Der Hype kocht verdient über.
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Kinostart Deutschschweiz: 25.4.2024
Filmfakten: «Challengers» / Regie: Luca Guadagnino / Mit: Zendaya, Mike Faist, Josh O’Connor / USA / 131 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © 2024 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All rights reserved.
«Challengers» von Luca Guadagnino ist ein intensives und lustvolles Beziehungsdrama, das sich auf dem Tennisplatz entfaltet und weit darüber hinausreicht.
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