Winston Churchill gilt vielen als grösster Brite aller Zeiten. Wie ist er dazu geworden? Jonathan Teplitzky beschränkt sich in seinem filmischen Porträt auf vier Tage aus dem Leben des Politikers. Es sind – das macht den Film besonders spannend – die Tage vor D-Day.
Nur noch wenige Tage bleiben bis D-Day und die Entscheidung, es mit einem Überraschungsschlag an Frankreichs Küste zu versuchen, ist im Kreis der höchsten Militärs der Allierten eigentlich längst gefallen. Aber Winston Churchill (Brian Cox) stellt sich quer und versucht, den Plan umzuwerfen.
Jonathan Teplitzky («The Railway Man») geht der Frage nach, was Churchill zum herausragenden Staatsmann gemacht hat und was er für ein Mensch war. Dass sich das filmische Porträt dabei auf rund vier Tage vor der Landung der Alliierten in der Normandie beschränkt, macht es besonders dicht. «Churchill» ist ein Thriller – bei dem der Zuschauer allerdings schon weiss, wie er ausgeht. Die Wendungen, die der Film nimmt, kommen deshalb auch nicht von aussen, sondern lassen sich alle zurückführen auf die schwankende Meinung ihres Protagonisten, seine sich ändernden Ziele und seine wechselnden Strategien.
Die Lust an der Macht
Die Gründe für Churchills Opposition? Die eigenen traumatischen Erlebnisse im Ersten Weltkrieg, der Zweifel an der Wirksamkeit der Operation und das Gefühl der Verantwortung einer jungen Generation gegenüber, die in den beinahe sicheren Tod geschickt zu werden scheint – immer wieder aber auch die Lust an der Macht, die Weigerung eines alternden Mannes, diese abzugeben, und der Wille, noch einmal zum Held zu werden. «Churchill» zeichnet ein vielschichtiges Porträt des Staatsmannes, differenzierter als beispielsweise «The Crown». Ganz der Oberflächlichkeit entziehen kann sich der Film aber nicht: Wenn er auf private Probleme Churchills wie Depressionen und die Beziehung zu seiner Frau (Miranda Richardson) eingeht, fehlt es an Tiefe.

Ein Mann der Worte: Churchill (Brian Cox) übt eine Rede
Leider kommen auch spezifisch filmische Mittel des Erzählens zu kurz. Churchill scheint ein Mann der Worte zu sein: Sprache war seine Waffe, mit ihr leistet er auch im Film immer wieder Überzeugungsarbeit, reflektiert und erklärt seine eigene Haltung. Das überzeugt, wo Churchill spitzfindig über die Wahl einzelner Worte diskutiert. Allerdings wird jeder, aber wirklich jeder Konflikt immer und immer wieder in Worte gefasst und scheint nicht mehr durch Bilder vermittelbar gewesen zu sein. Dabei hätte doch gerade der Ansatz, einen Kriegsfilm zu drehen, ohne den Krieg zu zeigen – auch das macht «Churchill» –, auch anderweitig mehr künstlerische Radikalität vermuten lassen.
Kinostart Deutschschweiz: 1.6.2017 / Regie: Jonathan Teplitzky / Mit: Brian Cox, Miranda Richardson, John Slattery, Ella Purnell
Trailer- und Bildquelle: Ascot Elite
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