In München fand vom 28. Juni bis am 7. Juli Deutschlands grösstes Sommerfilmfestival statt – mit einem neuen Leitungsduo: das Filmfest. Es ist ein Publikumsfestival, das den Namen verdient hat.
In München fühlte es sich am Ende des verregneten Junis fast so an, als wäre der Sommer endlich gekommen – zumindest wenn man sich in die erfrischenden Wellen im Filmfest-Trailer träumte. Leider musste man sich irgendwann aber doch eingestehen: Das Wasser fällt in der Realität von oben. Das durchwachsene Wetter liess das grösste Sommerfilmfestival Deutschlands letztlich doch im Stich. Aber die gerade einmal dreieinhalb Stunden Anfahrt aus Zürich lohnten sich trotzdem, denn das Filmfest München ist eines der gemütlichsten und bodenständigsten Filmfestivals im deutschsprachigen Raum.
Eine frische Brise bringt das neue Leitungsduo Julia Weigl und Christoph Gröner. Beide haben dem Festival in ihrer ersten Ausgabe einen neuen Anstrich verpasst. Der Teppich ist nun türkis und erinnert ein wenig an den Green Carpet des Zurich Film Festivals. Die im Grunde kaum kinotauglichen Sonnenbrillen, die seit Jahren die bunten Plakate zierten, wurden ersetzt: Wellen sind das neue Markenzeichen des Festivals.
Inhaltlich besann man sich grösstenteils auf Bestehendes und holte bereits Abgeschafftes zurück: Die Programmreihen blieben sich gleich; der CineCoPro Award, der 2019 einmalig vergeben wurde, fand 2024 wieder seinen Weg zu deutschen Koproduzent*innen; und nach neun Jahren wurde erstmalig wieder ein detaillierter Katalog verkauft. Eine echte Neuerung haben Weigl und Gröner aber gebracht: Sie riefen den Young Jury Award ins Leben. Diesen übergab die fünfköpfige Jury junger Erwachsener gleich an einen der besten Filme des Festivals: das mutige Debüt «Hoard» von Luna Carmoon.
«Das Filmfest München behauptet nicht nur, ein Publikumsfestival zu sein, wie viele andere Filmfestivals – es ist auch eines.»
Viele andere, selbst grosse Filme, fielen dagegen eher ab. Der Eröffnungsfilm «Zwei zu eins» (Schweizer Kinostart am 25. Juli) stürzt Sandra Hüller («Anatomie d’une chute», «The Zone of Interest») Hals über Kopf in ein chaotisch erzähltes Ossi-Klischee. «Lee» (Schweizer Kinostart: 9. Oktober) mit Kate Winslet («Ammonite», «Mare of Easttown») wird mit schwachen Dialogen seiner Protagonistin, der beeindruckenden Kriegsfotografin Lee Miller, nicht gerecht. Winslets Auftritt, die am Filmfest München einen CineMerit Award erhielt, ist dagegen spektakulär und brachte wenig überraschend einen Fan-Tsunami mit sich.
Trotzdem: Das Filmfest München behauptet nicht nur, ein Publikumsfestival zu sein, wie viele andere Filmfestivals – es ist auch eines. Im Garten des Festivalzentrums trifft man sich entspannt zwischen Filmen; auf den Partys feiern Gäste, Publikum und Team gemeinsam; bei der Beergarden Convention trinken Akkreditierte Freibier.
So ist es leicht, mit Filmemacher*innen ins Gespräch zu kommen, auch bei Q&As direkt nach dem Film oder in zahlreichen Filmtalks, die öffentlich zugänglich und kostenlos sind. Hier konnte das Publikum die deutschen Comedy-Ikonen Anke Engelke und Bastian Pastewka von ihrer Freundschaft und ihrer neuen Serie «Perfekt verpasst» (Start am 15. August auf Amazon Prime) schwärmen hören. Oder Viggo Mortensen («Green Book», «Crimes of the Future») über den Umgang mit Pferden am Set seiner zweiten Regiearbeit «The Dead Don’t Hurt» befragen. Hier ist Festival so, wie es am besten immer sein sollte.
«Hier ist Festival so, wie es am besten immer sein sollte.»
In der Tat entstanden Anfang Juli also Wellen in München. In der Isar, in Bierkrügen, im Tanz der Niederlande-Fans vor dem EM-Spiel gegen Rumänien. Vor allem aber beim Klatschen eines nassgeregneten, aber glücklichen Publikums. 2024 verzeichnete das Filmfest München 71’000 Besuche. Da darf man hoffen, dass das Leitungs-Duo auf dieser Welle weiterreiten kann.
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Titelbild aus «Hoard von Luna Carmoon» / © Erebus Pictures, Delaval Film, Anti-Worlds
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