Der «Inbetweeners»-Star Simon Bird erfindet in seinem Regiedebüt, der Comicadaption «Days of the Bagnold Summer», weder die britische Komödie noch den Coming-of-Age-Film neu. Trotzdem ist ihm in Zusammenarbeit mit – und sichtlich inspiriert von – der Indie-Pop-Band Belle and Sebastian ein einfühlsames und anrührendes Stück Sommerkino gelungen.
Die Geschichte des orientierungslosen Goth-Teenagers Daniel Bagnold (Earl Cave) und seiner zunehmend frustrierten Mutter Sue (Monica Dolan) mag Drehbuchautorin Lisa Owens dem Graphic Novel «Days of the Bagnold Summer» von Joff Winterhart entnommen haben. Doch es dauert nicht lange, bis klar wird, wie tief Simon Birds Verfilmung in der Schuld von Belle and Sebastian steht. Das schottische Indie-Ensemble um Leadsänger und Songschreiber Stuart Murdoch, das seit 1996 für mal melancholisch-akustische, mal tanzbar-poppige Balladen steht, zeichnet hier nicht nur für diverse eigens für Bird komponierte Soundtrackeinträge.
«In this land of potted plants and box-like houses, … in this land of grammar schools and gala days»
«Days of the Bagnold Summer» spielt, um es mit Belle and Sebastian zu sagen, «in this land of potted plants and box-like houses, … in this land of grammar schools and gala days»: in der beschaulichen britischen Mischung aus Vor- und Kleinstadt, in der Geborgenheit und Gefangenschaft oft nicht weit voneinander entfernt sind. Murdochs Figuren kämpfen vor dieser Kulisse mit dem eigenen Aussenseiterstatus, mit Lebensangst und Wachstumsschmerzen, träumen von der Unsicherheit des Ausbruchs – nur um am Ende wieder im unspektakulären Trott des britischen Mittelstandslebens zu landen. «So I gave myself to God, … Now I spend my days turning tables round in Marks & Spencer», singt Murdoch zu Beginn des Belle-and-Sebastian-Debütalbums.
«Murdochs Figuren kämpfen vor dieser Kulisse mit dem eigenen Aussenseiterstatus, mit Lebensangst und Wachstumsschmerzen, träumen von der Unsicherheit des Ausbruchs – nur um am Ende wieder im unspektakulären Trott des britischen Mittelstandslebens zu landen.»
Diese Gefühlswelt liegt dem 16-jährigen Daniel und der 52-jährigen Sue sehr nahe. Während er die Sommerferien bei seinem Vater in Florida hätte verbringen sollen, im letzten Moment aber auf das nächste Jahr vertröstet wurde, bleibt ihr so die Pause vom Muttersein – und damit der erste freie Sommer seit ihren Studientagen in den Achtzigerjahren – verwehrt. Es warten also schwierige Wochen auf den Bagnold-Haushalt: Daniel schmollt in seinem Zimmer vor sich hin und begibt sich nur äusserst widerwillig auf Ferienjobsuche; Sue bemüht sich darum, trotz ihres renitenten Sohnes einen Ausgleich zur täglichen Routine am Arbeitsplatz und in den eigenen vier Wänden zu finden und erlaubt sich einen Ferienflirt mit Daniels Geschichtslehrer (Rob Brydon).
Visuell und erzählerisch zerreissen Bird und Owens dabei keine allzu grossen Stricke. «Days of the Bagnold Summer» ist ein episodischer Coming-of-Age-Film nach dem Vorbild von «Lady Bird» (2017) mit der polierten Ästhetik einer durchschnittlichen britischen Komödie – wobei Bird gerade den optischen Kontrast zwischen dem schwarz gekleideten Daniel mit seinen fettigen Haaren und seinem harmonisch properen High-Street-Umfeld mitunter sehr wirkungsvoll einsetzt.
«‹Days of the Bagnold Summer› ist ein episodischer Coming-of-Age-Film nach dem Vorbild von ‹Lady Bird› mit der polierten Ästhetik einer durchschnittlichen britischen Komödie.»
Innerhalb dieses konventionellen Rahmens jedoch glänzt der Film mit seinem sympathischen Sinn für Humor und seiner feinfühligen Darstellung der zentralen Mutter-Sohn-Beziehung. «Days of the Bagnold Summer» handelt vom Ineinandergreifen von Pubertät und Midlife-Crisis; davon, wie jugendliches Rebellieren dazu führen kann, dass ein Elternteil den eigenen Lebenswandel zu hinterfragen beginnt – und damit den eigenen Nachwuchs noch mehr verunsichert. Monica Dolan und Earl Cave – übrigens der Sohn von Musiker Nick Cave – brillieren in ihren Rollen als geradezu grotesk ungleiches Gespann, das inmitten von Wut, Frustration und individuellen Lebenskrisen mit der traurigen Tatsache fertigwerden muss, dass das mit der Liebe füreinander nie mehr so einfach sein wird wie früher.

Earl Cave – der Sohn von Musiker Nick Cave
«‹Days of the Bagnold Summer› handelt vom Ineinandergreifen von Pubertät und Midlife-Crisis; davon, wie jugendliches Rebellieren dazu führen kann, dass ein Elternteil den eigenen Lebenswandel zu hinterfragen beginnt.»
Hier macht sich denn auch die inhaltliche Relevanz von Birds Belle-and-Sebastian-Kollaboration bemerkbar. Waren die Songs von Murdoch und seinen Bandmitgliedern einst vor allem an Teenager wie Daniel gerichtet, haben sie sich in 24 Jahren Bandgeschichte zur generationenübergreifenden Bestandsaufnahme gemausert. Murdoch ist heute gleich alt wie Sue – und seine Texte über das Erwachsenwerden und das Finden der eigenen Identität geistern durch die Entwicklungsprozesse beider Hauptfiguren. Egal, ob 16 oder 52: Bei Belle and Sebastian – und in «Days of the Bagnold Summer» – ist jede*r ein überforderter Teenager, und «teenage dreams do never what they’re meant to do».
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Kinostart Deutschschweiz: 13.8.2020 / Streambar auf cinefile.ch / myfilm.ch und Apple TV
Filmfakten: «Days of the Bagnold Summer» / Regie: Simon Bird / Mit: Earl Cave, Monica Dolan, Rob Brydon, Tamsin Greig / Grossbritannien / 86 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Ascot Elite Entertainment Group
Ein Film wie ein Song von Belle and Sebastian: «Days of the Bagnold Summer» ist eine anrührende Tragikomödie über die Wachstumsschmerzen in Pubertät und Midlife-Crisis.
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