Nachdem «The Assignment» 2016 von der Kritik verrissen wurde, war es lange ruhig um den Genrefilmer Walter Hill. Mit dem Gender-Experiment-Thriller hatte er sich inhaltlich wohl etwas verhoben, weshalb seine jüngste Rückbesinnung auf geradlinig erzählte (Action-)Western wie «Last Man Standing» oder «Johnny Handsome» nicht verwundert. Mit dem geradezu klassizistisch anmutenden «Dead for a Dollar» bewegt sich Hill nun wieder auf allzu vertrautem Terrain und liefert einen soliden B-Western ab, der sich gerade aufgrund seines Minimalismus von anderen Genrebeiträgen abhebt.
Dass man es hier mit einem typischen Western zu tun hat, wird schon im Plot mehr als deutlich: Der Kopfgeldjäger Max Borlund (Christoph Waltz) wird vom zwielichtigen Martin Kidd (Hamish Linklater) damit beauftragt, dessen mit dem Schwarzen Elijah Jones (Brandon Scott) nach Mexiko durchgebrannte Frau Rachel (Rachel Brosnahan) zurückzubringen. Das mexikanische Grenzgebiet wird jedoch vom skrupellosen Tiberio Vargas (Benjamin Bratt) kontrolliert, der die brenzlige Situation für sich nutzen will. Zudem hat der Ex-Sträfling Joe Cribbens (Willem Dafoe) noch eine alte Rechnung mit Borlund offen.
Obwohl es der Titel suggeriert, liess sich Walter Hill bei «Dead for a Dollar» nicht von den dreckigen, zynischen Italowestern à la Sergio Leones «Dollar»-Trilogie inspirieren, sondern bei den deutlich schlichteren Fünfzigerjahre-Filmen von Budd Boetticher, welcher auch explizit im Abspann genannt wird. Schlichtheit und Minimalismus sind denn auch das Konzept dieses Films: Die genretypischen Panoramaaufnahmen sind ansehnlich, aber rar. Die Actionszenen sind kurz, dafür präzise. Abgesehen von einem überraschenden Peitschenduell, verzichtet Hill auf jeglichen inszenatorischen Schnickschnack und setzt auf bewährte, altmodische Westernkost. So sind auch alle Figuren mit ein paar Strichen skizziert, und die Geschichte ist bestechend einfach.
«Schlichtheit und Minimalismus sind denn auch das Konzept dieses Films: Die genretypischen Panoramaaufnahmen sind ansehnlich, aber rar. Die Actionszenen sind kurz, dafür präzise. Abgesehen von einem überraschenden Peitschenduell, verzichtet Hill auf jeglichen inszenatorischen Schnickschnack und setzt auf bewährte, altmodische Westernkost.»
Christoph Waltz («Inglourious Basterds») legt seinen Kopfgeldjäger Borlund dementsprechend zurückhaltend an, konträr zu seinem gewitzten und redseligen Dr. King Schultz im Quentin–Tarantino-Western «Django Unchained» (2012). Das Reden während der Jagd nach den Geflüchteten übernimmt der ihm zur Seite gestellte Sergeant Alonzo Poe, der dank des unbeschwerten Spiels von Warren Burke zum Sympathieträger des Films wird und die staubtrockene Atmosphäre hin und wieder auflockert. Wenn es aber um das Desertieren aus der Armee geht, versteht er keinen Spass, und genau davor will er seinen ehemaligen Kameraden Elijah abhalten. Dieser hat genug von der miserablen Behandlung, der er als Afroamerikaner in der Armee ausgesetzt ist. Um zu fliehen hat er sich mit Rachel zusammengetan, die vor einer anderen Art der Misshandlung flieht: der Ehe mit einem ekligen Mistkerl.
Für beide gibt es kein Zurück mehr, und besonders Rachel ist nicht bereit, Kompromisse einzugehen. Der unbedingte Wille, ihr bisheriges Leben hinter sich zu lassen und sich eine bessere Zukunft aufzubauen, wird von Rachel Brosnahan («The Marvelous Mrs. Maisel») glaubwürdig, kraft- und würdevoll und mit einer stimmig unangenehmen Mürrischkeit verkörpert. Sie und Elijah sind somit die einzigen Figuren, mit denen man in «Dead for a Dollar» emotional mitfiebert, da es bei ihnen um mehr geht als nur die Ausführung eines Auftrags, einen Racheakt oder rasche Geldbeschaffung.
Aus dem Ganzen heraushalten wollte sich eigentlich der kürzlich aus der Haft entlassene Joe Cribbens. Doch der passionierte Spieler kann nicht aus seiner Haut, und sein Groll führt dazu, dass er sich bei der Lumpenbande um Tiberio Vargas anbiedert und beim unausweichlichen Showdown ebenfalls mitmischt. Es ist etwas schade, dass er lange auf der Ersatzbank ausharren muss, bis er endlich richtig in der Geschichte mitmischen darf. Denn auch wenn das Drehbuch erwartungsgemäss nicht durch Originalität glänzt, schmettert Willem Dafoe («The Lighthouse») die Western-Plattitüden nur so raus, dass es eine Freude ist und man sich unweigerlich fragt, warum der Mann nicht öfter in diesem Genre zu sehen ist. Zu wünschen wäre es ihm, und auch Altmeister Walter Hill, der eine unverkennbare Liebe für den Western hegt.
«Auch wenn das Drehbuch erwartungsgemäss nicht durch Originalität glänzt, schmettert Willem Dafoe die Western-Plattitüden nur so raus, dass es eine Freude ist und man sich unweigerlich fragt, warum der Mann nicht öfter in diesem Genre zu sehen ist.»
Und es wäre zu wünschen, dass er das Genre noch um einen etwas mutigeren und erinnerungswürdigeren Beitrag erweitert. Denn «Dead for a Dollar» ist kein Film, der lange nachhallt, sondern ein effizient gedrehter, effektiv gespielter und stolzer Old-School-B-Western, der in einem Zeitalter der aufgeblähten Blockbuster schon wieder sehr charmant daherkommt. Und das ist auch etwas wert.
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Filmfakten: «Dead for a Dollar» / Regie: Walter Hill / Mit: Christoph Waltz, Hamish Linklater, Rachel Brosnahan, Willem Dafoe, Warren Burke / USA, Kanada / 106 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © 2023 MYRIAD PICTURES | All Rights Reserved.
In Walter Hills aufs Wesentliche reduziertem Western ist kein Platz für Firlefanz. Das mag etwas mutlos sein; dafür ist «Dead for a Dollar» angenehm zurückgenommen und sympathisch altmodisch.
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