Wir haben die Diagonale ’16 in Graz zum ersten Mal besucht. Fazit: Das Festival des österreichischen Films setzt auf frisches, experimentelles Filmschaffen, das sich sehen lässt.
Eins vorweg: von den 8 visionierten Filmen waren eigentlich nur 2 Filme darunter, die wir nicht empfehlen können. „Los Felix“ von Edgar Honetschläger, mit angeblich 14 Jahren Produktionszeit, hat leider nicht funktioniert. In den (zu) vielen Jahren kamen zu viele Ideen, zu viele intellektuelle Dekonstruktionsphasen und zu viele philosophische Sinneseineiten zusammen, als dass die wunderschönen Kulissen zu einem reizvollen Kino hätten helfen können. „Beautiful Girl“ von Dominik Hartl war ein netter Fernsehfilm mit witzigen Dialogeinschüben des pubertierenden Dreiergespanns, von welchen die Hauptdarstellerin eine tolle Leistung erbracht hat. Leider zeigt der Film zu klischierte Erwachsenenverhältnisse auf und von der Geschichte her ist dieser „Bande à Part –Im Einkaufshaus“leider zu fad gekommen, ohne Höhepunkte.
Kurz und gut
Kommen wir nun zu den Highlights: den Kurzfilmen. Neben dem oscarnominierten „Alles wird gut“ von Patrick Vollrath (grossartig!) ist vor allem der Film „Henry“ von Philipp Fussenegger zu erwähnen, der in seinen dreissig Minuten in einer klinisch-kühlen Internatsatmosphäre den Klang der Orgel seziert und in kleine feine Bildstücke zerlegt. Akribisch zerteilt er die Realität von Schuluniformen und religiösen Scharlatanen und findet den tierischen Wahnsinn, den das Kind in sich trägt. Fabelhaft photographiert und inszeniert. Man darf gespannt sein auf die weiteren Projekte des Goldgesichts. Auch der Kurzfilm „Unmensch“ von Jasmin Baumgartner war ein spannender Kurzfilm, der auf Improvisation setzte. Er erhielt den Diagonale-Preis der Jugendjury.
Starke Dokumentarfilme
Sigmund Steiner erhielt für seinen sehr persönlichen Dokfilm „Holz Erde Fleisch“ den Großen Diagonale-Preis Dokumentarfilm. Zu recht. Der Film ist ein feines und unaufgeregtes Portrait über 3 verschiedene Vater-Sohn Beziehungen im Landwirtschaftsbereich. Eine kleine philosophische Auseinandersetzung mit Beruf und Erwachsenwerden.
Auch zu erwähnen ist der Film „Girls don’t fly“ von Monika Grassel über eine angebliche Flugschule. Die AvTech Academy in Ghana verspricht jungen Frauen eine verheißungsvolle Zukunft als Pilotinnen. Die Filmemacherin begleitete die Schülerinnen über mehrere Wochen bei der Ausbildung. Schon bald entpuppt sich das humanitäre Bildungsprojekt als Deckmantel für den kolonialherrschaftlichen Hochmut seines britischen Leiters. Girls Don’t Fly entschleiert die augenscheinliche Hilfe zur Selbstständigkeit als skrupelloses Ausbeutungsverhältnis. Ein feinfühliger und dramatischer Film.
Ein weiteres Highlight ist der Film „Femme Brutal“ von Liesa Kovacs und Nick Prokesch. Der „Club Burlesque Brutal“ bringt den (nackten) weiblichen Körper als widerständiges Moment auf die Bühne. Fleischeslust als politische Geste, die die Selbstverständlichkeit lesbisch-queeren Begehrens einfordert, sich von gefälligen Rollenbildern lossagt, fixierte Genderzuschreibungen dekonstruiert. Eine sehr schöne und reduzierte Form eines Dokfilms, der ein Queer-Thema für ein breiteres Publikum gekonnt transportiert.
Hier findet man alle Gewinner der Diagonale ’16: http://www.diagonale.at/grosser-diagonale-preis-spielfilm/
Quellen: Edoko Institute Film Production / Diagonale Graz /
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