Mit seinem neuen Dokumentarfilm «Die Gentrifizierung bin ich. Beichte eines Finsterlings» packt Thomas Haemmerli, wie der Titel schon sagt, auf gewohnt selbstreflexive und selbstironische Art das Problem der Gentrifizierung an. Spannend, lehrreich und unterhaltsam.
Elf Jahre nach seinem ersten Dokumentarfilm «Sieben Mulde und eine Leiche» (Einer der CH-Lieblingsfilme der Maximum Cinema Redaktion) liefert der Journalist und Filmemacher Thomas Haemmerli mit «Die Gentrifizierung bin ich. Beichte eines Finsterlings» seinen zweiten Dok in Spielfilmlänge. Wie schon bei seinem Erstling, handelt sich es sich bei …Die Gentrifizerung bin ich» um einen höchst persönlichen Film. Das ist nicht selbstverständlich, ist doch das Thema Gentrifizierung ein Problem, dass sich durch Metropolen der ganzen Welt zieht. Doch Haemmerli wäre nicht Haemmerli wenn er dieses Thema nicht durch seine ganz eigene selbstreflexive und selbstironische Brille anpacken würde. Und seine Biographie – so zeigt der Film – eignet sich geradezu bilderbuchhaft zur Illustration des Themas: Aufgewachsen als Sohn eines erfolgreichen Anwalts am Züriberg, gefolgt von einer wilden Jugend in der Zürcher Besetzerszene, hedonistischer 90er Jahren in der eigenen Loftwohnung, und schliesslich kosmopolitischem Weltenbummlerdasein zwischen Paris und Tiflis, Mexico City und Sao Paolo, und dazwischen immer mal wieder Zürich.
Doch die persönliche ist nicht die einzige Perspektive von welcher aus Haemmerli das Thema der Gentrifizierung angeht. «Die Gentrifizerung bin ich» stellt sich dem Problem auch aus politisch-historischer Perspektive. Haemmerlis Botschaft: Die Schweiz mit ihrem Kleinbürgertum und (das etwas angestaubt wirkende Schlafwort im Film) Dichtestress hat das mit dem Grossstadtsein noch nicht so richtig gelernt. Um dem Abhilfe zu schaffen, hilft der Blick über den metaphorischen Tellerrand in andere, richtige Weltstädte wie eben Paris, Mexico City oder Sao Paolo. Die Frage nach Wohnraum, Verdichtung und urbanem Zusammenleben ist eine durchaus interessante Grundidee und eine lohnenswerte Auseinandersetzung. Nur leider wird sie den Zuschauenden in «Die Gentrifizierung bin ich» zuweilen etwas gar stark mit dem didaktischen Hammer vermittelt – allen bissigen Kommentaren und lustigen Schriftzügen zum Trotz. Aber «Die Gentrifizierung bin ich» ist dabei durchaus auch sehr lehrreich. So etwa der unterhaltsam gestaltete Exkurs über die Geschichte der Schweizer und insbesondere der Zürcher Stadtplanung. So erfährt man etwa, dass doch tatsächlich Pläne im Raum standen, die gesamte Zürcher Altstadt abzureissen und mit modernistischer Architektur zu ersetzen.
Und schliesslich lernt man in «Die Gentrifizierung bin ich» auch, dass es doch tatsächlich eine nicht allzu ferne Generation gibt, die sich mit Journalistendasein (falls ich richtig mitgezählt habe) geschlagene vier Eigentumswohnungen in vier Weltstädten leisten kann. Eine Perspektive, von der ich als Avocadotoast verschlingender Millenial nur träumen kann. Aber man kann Haemmerli nicht vorwerfen, er habe uns nicht gewarnt, denn er sagt ja, er ist die Gentrifizierung. Und auch ich bin sie wohl. Und wenn wir ehrlich sind, sind wir alle die Gentrifizierung.
«Die Gentrifizierung bin ich. Beichte eines Finsterlings» läuft ab dem 22. Februar in Deutschschweizer Kinos.
Regie: Thomas Haemmerli
Bild- und Trailerquelle: Filmcoopi
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