In seinem erst dritten Film ausserhalb des «Marvel Cinematic Universe» seit 2011 schlüpft Robert Downey Jr. in die Rolle des mit Tieren sprechenden Kinderbuchhelden Dr. Dolittle. Doch «Dolittle», inszeniert vom Thriller-Experten Stephen Gaghan, ist kein nostalgisches Familienabenteuer, sondern ein verblüffend niveauloses Machwerk geworden, dem die chaotische Produktionsgeschichte anzusehen ist.
Fast ein halbes Jahrhundert musste vergehen, bevor Hollywood tricktechnisch bereit war, die beliebten Kinderbücher, mit denen der britische Autor Hugh Lofting sein Publikum ab 1920 begeisterte, auf die Leinwand zu bannen. In der Ära vor CGI waren sprechende Tiere im Realspielfilm halt noch ein logistisches Problem. Doch als es endlich soweit war, drängte sich bald einmal die Frage auf, ob überhaupt Interesse an diesem Stoff bestand: Denn obwohl Richard Fleischers 152-minütiges Musical «Doctor Dolittle» (1967) mit Rex Harrison in der Titelrolle unverhofft zum Oscarkandidaten wurde, avancierte das Werk zur Box-Office-Enttäuschung und blieb bis zur Jahrtausendwende die einzige gross angelegte Lofting-Adaption. Die nächste Inkarnation des sprachgewandten Tierarztes ereilte das umgekehrte Schicksal: 1999 und 2001 spielte Eddie Murphy eine moderne Version des Dolittle; doch während die beiden Filme an den Kinokassen solide Leistungen erbrachten, zeigte sich die internationale Kritik nicht eben begeistert.
Und nun, eine Generation später, steht der nächste Versuch an, Loftings Geschichten sowohl kommerziell als auch kritisch gewinnbringend zu verfilmen. 175 Millionen Dollar hat der Spass gekostet, und mit Robert Downey Jr. – Tony «Iron Man» Stark höchstpersönlich – wurde die Hauptrolle von «Dolittle» mit einem waschechten Star besetzt. Hinter den Kulissen soll im Vorfeld von einer neuen Franchise geträumt worden sein.
Doch noch während der Produktion wurden diese hehren Vorstellungen von der harten Realität eingeholt. Desaströse erste Testvorführungen zeigten, dass der oscarprämierte Regisseur und Drehbuchautor Stephen Gaghan («Traffic», «Syriana») im Familienfilm-Geschäft noch einiges zu lernen hat. Unter der Ägide des Blockbuster-Spezialisten Jonathan Liebesman – dem Regisseur von so illustren Titeln wie «Battle: Los Angeles» (2011), «Wrath of the Titans» (2012) und «Teenage Mutant Ninja Turtles» (2014) – wurde zusätzliches Material gefilmt; der Schnittprozess sei von Chaos gezeichnet gewesen.
«Das Resultat mag nicht ganz ‹Cats› sein – was könnte schon in dessen Pfotenstapfen treten? –, aber allzu weit entfernt davon ist es auch nicht.»
Das Resultat mag nicht ganz «Cats» (2019) sein – was könnte schon in dessen Pfotenstapfen treten? –, aber allzu weit entfernt davon ist es auch nicht. Man wäre versucht, dieses wackelige Konstrukt aus unrühmlichen Einzelteilen mit Frankensteins Monster zu vergleichen, bestünde nicht die Gefahr, dem Monster damit Unrecht zu tun: Immerhin las es Weltliteratur. In «Dolittle» erhält ein von Ralph Fiennes gesprochener Tiger namens Barry einen Schlag zwischen die Beine und stöhnt: «My Barry berries!»
Das ist das Niveau, mit dem man es in dieser Quasi-Adaption von Loftings «The Voyages of Doctor Dolittle» (1922) zu tun hat. Trotz dem überraschend düsteren erzählerischen Ausgangspunkt – Dolittles lähmender Trauer über den Tod seiner Ehefrau (Kasia Smutniak) – ist Gaghan und seinen Co-Autoren Dan Gregor und Doug Mand kein Running Gag zu flach, keine Anspielung zu gesucht («Angry Birds»!), kein Fäkalienwitz zu geschmacklos. Der dramatische Höhepunkt des Films kreist um die manuelle Entstopfung eines tierischen Enddarms.
«Auf dem auffallend schauplatzarmen Weg zum Ende hampelt sich Downey in der Manier eines drittklassigen Jack-Sparrow-Imitators erstaunlich lustlos durchs Bild.»
Auf dem auffallend schauplatzarmen Weg dahin hampelt sich Downey in der Manier eines drittklassigen Jack-Sparrow-Imitators erstaunlich lustlos durchs Bild. Dabei ist er stets umringt von computeranimierten Tieren mit prominenten Stimmen, die im besten Fall (Emma Thompson, Octavia Spencer) auf Autopilot zu agieren scheinen, derweil die Leistung eines Rami Malek («Bohemian Rhapsody») oder eines Kumail Nanjiani («The Big Sick») an Arbeitsverweigerung grenzt. Auch Dolittles menschliche Bezugspersonen – die Kinder Tommy (Harry Collett) und Rose (Carmel Laniado) – können sich nicht profilieren und fallen vorab dadurch auf, dass sie eine sexistische Hollywood-Tradition reproduzieren müssen: Während der tollpatschige Tommy mit Dolittle auf grosse Fahrt geht, um ein Heilmittel für die vergiftete Königin Victoria (Jessie Buckley) zu finden, bleibt Rose ohne triftigen Grund am Krankenbett der moribunden Monarchin zurück.
So sind es denn sinnigerweise die Bösewicht-Darsteller Michael Sheen und Antonio Banderas, welche für die seltenen Lichtblicke in dieser ermüdenden Affäre sorgen: Sheen zeigt als fieser königlicher Leibarzt Müdfly seine Qualitäten als Schmierenkomödiant; derweil der Spanier – augenscheinlich ebenso verwirrt wie das Publikum ob seiner Besetzung als pseudoarabischer Piratenkönig – eine hemmungslos manische Darbietung abliefert, mit der er sich, so gut es geht, von den ihn umgebenden orientalischen Klischees zu distanzieren scheint. Wohlverstanden: Keine dieser Leistungen verdient es, dereinst in den Karriere-Retrospektiven von Sheen und Banderas erwähnt zu werden. Aber bei «Dolittle» ist man mangels Alternativen schon mit erschreckend wenig zufrieden.
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Kinostart Deutschschweiz: 30.1.2020
Filmfakten: «Dolittle» / Regie: Stephen Gaghan / Mit: Robert Downey Jr., Harry Collett, Rami Malek, Michael Sheen, Emma Thompson, Antonio Banderas, Octavia Spencer, Carmel Laniado, John Cena, Kumail Nanjiani, Jessie Buckley, Jim Broadbent, Ralph Fiennes, Tom Holland, Kasia Smutniak / USA / 101 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Universal Pictures International Switzerland / COPYRIGHT © 2020 UNIVERSAL STUDIOS and PERFECT UNIVERSE INVESTMENT INC. All Rights Reserved.
«Dolittle» bietet dröges, hastig zusammengeschustertes Abenteuerkino mit Humor aus der untersten Schublade.
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