Was ist zu tun, wenn ein Komet so gross wie der Mount Everest auf die Erde zurast und diese in sechs Monaten komplett zerstören wird? Im Normalfall würde die amerikanische Regierung all ihre geheimen Notfallpläne auspacken, um die Menschheit zu retten, oder irgendein Superheld würde das übernehmen. Was aber, wenn es niemanden interessiert? Social Media lieber Fake News verbreitet, das Weisse Haus Geburtstagspartys feiert und der Bevölkerung rät, nicht nach oben zu schauen? Dann wird wahrscheinlich ein Komet die Klimakrise beenden. Willkommen in «Don’t Look Up», dem wohl schrägsten apokalyptischen Endzeitfilm.
Die Astronomin Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence) und ihr Professor Randall Mindy (Leonardo DiCaprio) staunen nicht schlecht, als sie den Kurs eines von Kate entdeckten Kometen ausrechnen: Dieser wird die Erde in wenigen Monaten zerstören, wenn nicht sofort etwas unternommen wird. Keine sieben Monate bleiben, um die gesamte Menschheit zu retten – und um, laut Kates Diät-App, ihr Wunschgewicht zu erreichen.
Zusammen mit Dr. Oglethorpe (Rob Morgan) vom Space-Defence-Institut versuchen sie, die US-Präsidentin (Meryl Streep) und ihren sarkastischen, dümmlichen Sohn Jason (Jonah Hill), der als Stabschef fungiert, von der Ernsthaftigkeit der Lage zu überzeugen. Da das Weisse Haus sich aber eher ob der Low-Level-Astronomen amüsiert und vom weltrettenden Kurs rasch wieder abkommt, da der einflussreiche und charismatische Smartphone-Hersteller Peter Isherwell (Mark Rylance) viele brauchbare, gewinnbringende Mineralien im Kometen entdeckt haben will, beschliessen Kate und Dr. Minsky, an die Öffentlichkeit zu gehen.
«The Rip» ein stimmungsaufhellendes Morgen-TV-Format mit dem grenzenlos optimistischen und alles ins Lächerliche ziehenden Moderationsduo Brie (Cate Blanchett) und Jack (Tyler Perry) soll helfen, die Menschheit zu warnen. Doch wie soll es gelingen, wenn zur gleichen Zeit das Pop-Sternchen Riley (Ariana Grande) in der Aufwach-Show ihren Liebeskummer verarbeiten muss, derweil Kate als hysterische Studentin und Randall als smarter Professor abgefertigt werden?
Die beiden geben nicht auf, Social Media tut sein Übriges dazu, und das FBI bremst regelmässig die guten Absichten der verzweifelten Astronomen aus, bis Kate endgültig die Schnauze voll hat – und das nicht nur, weil der Killerkomet mittlerweile ihren Namen trägt, sondern weil es tatsächlich niemanden zu interessieren scheint, ob alle sterben oder nicht. Gepusht von der distanzlosen und ehrgeizigen Brie, wird Randall zum unfreiwilligen Superstar der Morningshow, während sich Dr. Oglethorpe dem Aktivismus für die «Look Up»-Bewegung widmet und Kate durch Skater-Boy Yule (Timothée Chalamet) zum Gebet findet.
«Schauspielerisch beeindruckemd ist aber vor allem Leonardo DiCaprio, da er sich nach ‹The Wolf of Wall Street› und ‹Once Upon a Time in Hollywood› erneut an eine schwarze Komödie heranwagt, und auch hier, in seiner Rolle als introvertierter, von Panikattacken geplagter Randall, so aufgeht, als hätte der Drama-Experte nie etwas anderes gespielt.»
Die grossartige Jennifer Lawrence («Silver Linings Playbook») gibt sich als unerschrockene, kiffende Studentin, die sich zwar konfrontativ der Tatsache widmet, dass die Erde zerstört wird, sich gleichzeitig aber auch konstant darüber wundert, dass sie von einem Sicherheitsbeamten im Oval Office übers Ohr gehauen wurde, weil er sich die Gratissnacks von ihr bezahlen liess. Das scheint sie beinahe mehr zu erschüttern, als dass die Erde untergeht und die Präsidentin der Vereinigten Staaten sie ignoriert.
Schauspielerisch beeindruckemd ist aber vor allem Leonardo DiCaprio, da er sich nach «The Wolf of Wall Street» (2013) und «Once Upon a Time in Hollywood» (2019) erneut an eine schwarze Komödie heranwagt, und auch hier, in seiner Rolle als introvertierter, von Panikattacken geplagter Randall, so aufgeht, als hätte der Drama-Experte («Titanic», «Blood Diamond», «The Revenant») nie etwas anderes gespielt. Zusammen mit den exzentrischen Darstellungen von Cate Blanchett («Blue Jasmine», «Where’d You Go, Bernadette») als skrupellose, sexistische Morgen-TV-Moderatorin und Meryl Streep als kettenrauchende, selbstverliebte Präsidentin bildet DiCaprio eine herrliche satirische Dreifaltigkeit aus etablierten Hollywoodstars.
Trotz der Dichte an grotesken Widersprüchlichkeiten, pointierter politischer Unkorrektheit und des sensationellen Casts erscheint «Don’t Look Up» stellenweise etwas lang, da das Sondieren der Lage ohne wesentlichen Ausgang mehr Zeit als unbedingt nötig in Anspruch nimmt. Und auch der Rolle des «Smartphone-Pioniers» Peter Isherwell, eine offensichtliche Anspielung auf andere Technologie-Grössen unserer Ära, wird zu viel Laufzeit gewidmet, ohne diese ganz zu rechtfertigen.
«Doch mit dieser tiefschwarzen Komödie über eine katastrophale Krise, der niemand Glauben schenken will, ist Drehbuchautor, Produzent und Regisseur Adam McKay dennoch ein äusserst eindrückliches Werk gelungen.»
Doch mit dieser tiefschwarzen Komödie über eine katastrophale Krise, der niemand Glauben schenken will, ist Drehbuchautor, Produzent und Regisseur Adam McKay («Anchorman: The Legend of Ron Burgundy», «The Big Short») dennoch ein äusserst eindrückliches Werk gelungen, in dem er sich satirisch mit der Verbreitung von Falschnachrichten, Lobbyismus, Oberflächlichkeit und Gier auseinandersetzt und darüber hinaus die Crème da la Crème der hohen Kunst des Schauspiels am Set miteinander vereint.
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Kinostart Deutschschweiz: 10.12.2021 / Netflix-Start: 24.12.2021
Filmfakten: «Don’t Look Up» / Regie: Adam McKay / Mit: Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Rob Morgan, Jonah Hill, Mark Rylance, Tyler Perry, Timothée Chalamet, Ron Perlman, Ariana Grande, Cate Blanchett, Meryl Streep / USA / 145 Minuten
Bild- und Trailerquelle: NIKO TAVERNISE/NETFLIX © 2021
Adam McKays «Don’t Look Up» zeigt auf humorvolle Weise, was passiert, wenn der Weltuntergang droht – und sich niemand dafür zu interessieren scheint.
1 Comment
Super beschrieben 🌸