«Dune: Part Two» macht da weiter, wo «Dune» 2021 aufhörte – erzählerisch wie qualitativ. Soll heissen: Denis Villeneuves Weltraumepos setzt weiterhin zweifelhafte Prioritäten.
Das Universum, das Frank Herbert in seiner wegweisenden Science-Fiction-Fantasy-Romanreihe «Dune» (1965–1985) entwarf, ist wunderbar seltsam: Wir befinden uns rund 20’000 Jahre in der Zukunft, Figuren tragen Namen wie Vladimir Harkonnen und Duncan Idaho, die Menschheit hat sich von Computertechnologie losgesagt und ferne Planeten kolonisiert. Das interstellare Reisen wird ermöglicht durch eine Wunderdroge namens Spice, die von den Larven von 400 Meter langen Würmern produziert wird, die nur auf dem Wüstenplaneten Arrakis vorkommen und vom einheimischen Fremen-Volk als Götter verehrt werden.
In dieser Hinsicht war es alles andere als selbstverständlich, den frankokanadischen Filmemacher Denis Villeneuve («Arrival», «Blade Runner 2049») mit der Aufgabe zu betrauen, diesen sonderbaren Stoff angemessen auf die Leinwand zu bannen und David Lynchs allgemein als Misserfolg gewerteten «Dune» von 1984 endgültig vergessen zu machen. Denn obwohl sich Villeneuves Filme, gerade seine visuell beeindruckenden Ausflüge ins Sci-Fi-Genre, gerne als ausgefallen und exzentrisch präsentieren, ist er letzten Endes doch eher ein buchstäblich denkender Regisseur – einer, der im Zweifel das didaktische Übererklären und die bleierne Ernsthaftigkeit der Mehrdeutigkeit und der erzählerischen Spielfreude vorzieht.
Entsprechend durchzogen fiel Villeneuves «Dune» (2021) aus: starbesetzt, einwandfrei designt, ausgestattet mit grossartigen, haptischen Kostümen und Sets, aber erzählerisch und emotional leb- und freudlos, ohne Sinn für substanzielle Figurenzeichnung oder Dialoge, die etwas anderes im Sinn haben, als den Plot voranzutreiben. Zweieinhalb Stunden lang rekapitulierte «Dune» die politischen und religiösen Intrigen, die in der ersten Hälfte von Herberts gleichnamigem Roman zur Sprache kommen – die Fehde zwischen den Adelsgeschlechtern Atreides und Harkonnen, der Kampf um den Spice-Planeten Arrakis, die Suche der Bene-Gesserit-Sekte nach ihrem Messias, dem Kwisatz Haderach –, bevor das Unterfangen laufzeitbedingt jäh unterbrochen und der Rest des Plots auf den zweiten Teil vertagt werden musste.
Nun ist er da, dieser zweite Teil – und wie sein Vorgänger, der trotz seines ziemlich fantasielosen Adaptionskonzepts gerade in seiner ersten Hälfte mit den faszinierenden Irrungen und Wirrungen von Herberts fantasiereicher Welt punkten konnte, beginnt auch Villeneuves «Dune: Part Two» durchaus vielversprechend.
«Entsprechend durchzogen fiel Villeneuves ‹Dune› aus: starbesetzt, einwandfrei designt, ausgestattet mit grossartigen, haptischen Kostümen und Sets, aber erzählerisch und emotional leb- und freudlos, ohne Sinn für substanzielle Figurenzeichnung oder Dialoge, die etwas anderes im Sinn haben, als den Plot voranzutreiben.»
Das Haus Atreides wurde, so scheint es, von den Harkonnens ausgelöscht; und Harkonnen-Patriarch Vladimir (Stellan Skarsgård) hat seinen Neffen Rabban (Dave Bautista) als Verwalter der Spice-Produktion auf Arrakis installiert. Doch die beiden haben die Rechnung ohne Paul Atreides (Timothée Chalamet) gemacht, der zusammen mit seiner schwangeren, Bene-Gesserit-hörigen Mutter Jessica (Rebecca Ferguson) zu den Fremen in die unwirtlichen Tiefen der Wüste von Arrakis geflüchtet ist. Hier lernt er von der Kriegerin Chani (Zendaya) und dem Stammeshäuptling Stilgar (Javier Bardem), der daran glaubt, dass Paul der Kwisatz Haderach ist, nicht nur, wie man in der Wüste überlebt, sondern auch, wie man am effizientesten Krieg gegen die Harkonnens führt.
So etablieren sich Paul und Jessica langsam als einflussreiche Mitglieder der Fremen, derweil Rabban nur tatenlos dabei zuschauen kann, wie seine Spice-Ernte einem Fremen-Terroranschlag nach dem anderen zum Opfer fällt. Doch Vladimir hat noch ein Ass im Ärmel: Sein jüngster Neffe, der blutrünstige und blitzgescheite Psychopath Feyd-Rautha (Austin Butler), soll Arrakis und die Fremen unterjochen und das Haus Harkonnen in eine so mächtige Position manövrieren, dass es dem alternden Imperator des Universums (Christopher Walken) den Thron streitig machen kann.
War «Dune» vor allem darum bemüht, seine Figuren bedeutungsschwanger in Position zu bringen und die Seriosität seines Plots doppelt und dreifach zu unterstreichen, erlaubt sich «Part Two» endlich, Herberts Welt etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Während der ersten 70 Minuten des 168-minütigen Films schlagen Villeneuve und sein Co-Autor Jon Spaihts einiges an Kapital aus den mal herrlich seltsamen, mal anregend menschlichen Details, die der «Dune»-Stoff für sie bereithält.
Das Publikum lernt etwa die Generationengräben innerhalb der Fremen-Gesellschaft kennen: Während die älteren Semester wie Stilgar – nicht zuletzt dank jahrelanger Bene-Gesserit-Propaganda – gespannt auf den Kwisatz Haderach (auch bekannt als Lisan Al-Gaib) warten, setzen jüngere Stammesmitglieder wie Chani auf Emanzipation durch Guerrilla-Kriegsführung und argumentieren, dass Messias-Geschwätz letztlich auch nur eine Strategie ist, um die Fremen zu kontrollieren.
«Die vielleicht beste Sequenz des Films ist der Abstecher auf den Harkonnen-Planeten Giedi Prime, dessen schwarze Sonne die Bilder von Kameramann Greig Fraser plötzlich in unheimliches Pseudo-Schwarzweiss taucht.»
Die vielleicht beste Sequenz des Films ist indes der Abstecher auf den Harkonnen-Planeten Giedi Prime, dessen schwarze Sonne die Bilder von Kameramann Greig Fraser plötzlich in unheimliches Pseudo-Schwarzweiss taucht und Feyd-Rautha auf einnehmend dekadente Art und Weise als Antagonisten einführt.
Darüber hinaus gibt es die im ersten Teil hauptsächlich angedeuteten Sandwürmer endlich in ihrer ganzen bizarren Pracht zu bewundern; derweil sich gewisse Actionszenen sogar ein Fünkchen Humor gönnen – so wie die allererste des Films, die es genüsslich Harkonnens regnen lässt. Und dann wären da noch die Schauspielleistungen von Javier Bardem, Austin Butler («Elvis»), Christopher Walken und Josh Brolin, die mit ihren stilisierten Darbietungen als einzige so richtig mit dem High-Fantasy-Camp des Quellenmaterials zu harmonieren scheinen.
Doch weder Villeneuve noch sein «Dune»-Projekt können letztlich aus ihrer Haut heraus. Auch in diesem zweiten Teil bleiben die zentralen Figuren frustrierend unscharf umrissen: Pauls innerer Kampf um seine politisch-religiöse Bestimmung findet ausschliesslich in ungelenk deklamatorischen Gesprächen mit Jessica und Chani statt. Was ihn schliesslich dazu bewegt, den Pfad einzuschlagen, der im wahrscheinlich sehr bald angekündigten dritten Teil das Thema sein wird, wird weder vom Drehbuch noch von Chalamets farbloser Performance erkennbar kommuniziert.
«Während ‹Dune› nicht zuletzt an seinem dramaturgisch hohlen Schlussdrittel scheiterte, zerbricht ‹Dune: Part Two› am gegenteiligen Problem – nämlich an seiner hemmungslos überladenen und zugleich gänzlich formlosen Dramaturgie.»
Noch schwerer wiegt aber die sich hier sogar noch verschärfende Tendenz von Villeneuve und Spaihts, so viel Plot wie möglich in einem Film mit halbwegs vertretbarer Länge unterbringen zu wollen. Während «Dune» nicht zuletzt an seinem dramaturgisch hohlen Schlussdrittel scheiterte, zerbricht «Dune: Part Two» am gegenteiligen Problem – nämlich an seiner hemmungslos überladenen und zugleich gänzlich formlosen Dramaturgie.
Ein frühes Warnsignal für diese Schwäche ist Pauls Fremen-Initiationsritus – ein einsamer Trek durch einen besonders gefährlichen Wüstenabschnitt, dessen Feinheiten eine ganze Szene gewidmet wird: Stilgar erzählt Paul von der Hitze des Tages, den lauernden Sandwürmern, den gefährlichen Tausendfüsslern und den Dschinns, die einen des Nachts auf finstere Gedanken kommen lassen. Doch kaum ist Paul aufgebrochen, kommt er mit der ihm folgenden Chani ins Gespräch, und sein gross angekündigter Gang in die Wüste ist vergessen – ersetzt durch eine generische Montagesequenz über die aufkeimende Romanze zwischen den beiden jungen Shooting-Stars des US-Kinos.
Von dieser strukturellen und inszenatorischen Unsauberkeit kann sich der Film noch erholen; doch mit zunehmender Laufzeit entgleiten Villeneuve und Spaihts die erzählerischen Zügel vollends. Das letzte Drittel von «Dune: Part Two» ist eine einzige lange, willkürlich zusammengewürfelt wirkende Aneinanderreihung von hastig eingeführten und sogleich wieder beiseitegeschobenen Plotelementen und -komplikationen, die jeglichen dramaturgischen Rhythmus vermissen lässt. An die Stelle von ineinandergreifenden dramatischen Verschränkungen tritt eine lustlos abgearbeitete – und entsprechend langfädige – Liste von Konflikten, die vor Ablauf der 168 Filmminuten noch kurz angerissen werden müssen.
«Keine Zeit zum Verharren, nicht einmal, um einen dramatischen oder emotionalen Effekt zu erzielen: Die nächste Plot-Haltestelle wartet schon.»
Pauls schicksalhafte Reise auf dem Rücken eines Sandwurms in den wilden Süden von Arrakis, wo er sich womöglich als Messias empfangen lassen muss, wird von einem antiklimaktischen Schnitt unterbrochen, der seine Ankunft, die angeblich eine monumentale Zeitenwende einläuten soll, gänzlich überspringt. Keine Zeit zum Verharren, nicht einmal, um einen dramatischen oder emotionalen Effekt zu erzielen: Die nächste Plot-Haltestelle wartet schon.
Auch die gewichtige Entscheidung der Fremen, den Imperator und die Harkonnens auf dem Schlachtfeld herauszufordern, verkommt im Zuge dieses erzählerischen Vorspulens beinahe zur Marginalie. Von der einen Sekunde auf die andere wird der Entschluss zur Attacke gefasst; die Vorbereitungen werden gefühlt innert Sekunden abgehakt; dem im wahrsten Sinne des Wortes epischen Moment, in dem sich drei Sandwürmer über die feindlichen Streitkräfte hermachen, werden nur ein paar wenige Augenblicke zugestanden.
Vor lauter Vorbereitungen auf Teil drei kommt Villeneuve also gar nicht dazu, das Spektakel, das ihn in diesem Film umtreiben sollte, richtig auszukosten. Man stelle sich vor, Peter Jackson hätte die Schlacht von Helm’s Deep in «The Lord of the Rings: The Two Towers» (2002) auf ein fünfminütiges Scharmützel reduziert: So oberflächlich kommen die wichtigen Ereignisse im dritten Akt von «Dune: Part Two» daher.
«Sosehr einzelne Szenen, Momente und Performances zu begeistern vermögen: Sie werden letztendlich von der dröhnenden Mittelmässigkeit des sie umgebenden Films überstimmt.»
Villeneuves Weltraumepos bleibt also auch im zweiten Teil ein einziges grosses Paradox. Die Schauwerte mögen noch so grandios sein – wenn der Geschichte, die sie ausstaffieren, jegliche emotionale Anbindung abgeht, dann hat man sich lange vor Filmende an ihnen sattgesehen und -gehört. Frank Herberts Stoff bleibt theoretisch faszinierend – gerade was seine Skepsis bezüglich Religion und Staatswesen betrifft –, fällt in der Ausführung aber Villeneuves und Spaihts‘ uninspirierter Adaption zum Opfer. Und sosehr einzelne Szenen, Momente und Performances zu begeistern vermögen: Sie werden letztendlich von der dröhnenden Mittelmässigkeit des sie umgebenden Films überstimmt.
–––
Kinostart Deutschschweiz: 29.2.2024
Filmfakten: «Dune: Part Two» / Regie: Denis Villeneuve / Mit: Timothée Chalamet, Zendaya, Rebecca Ferguson, Javier Bardem, Josh Brolin, Austin Butler, Florence Pugh, Dave Bautista, Christopher Walken, Léa Seydoux, Souheila Yacoub, Stellan Skarsgård, Charlotte Rampling, Anya Taylor-Joy / USA / 168 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © 2023 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.
«Dune: Part Two» ist unterhaltsamer als sein Vorgänger. Doch das täuscht nicht über die frustrierende emotionale Leere und die dramaturgische Inkohärenz des Weltraumepos hinweg.
No Comments