Die Welt, die Frank Herbert in seinem Science-Fiction-Fantasy-Wälzer «Dune» entwirft, ist faszinierend – hat sich bislang aber einer befriedigenden Leinwandadaption verwehrt. Und das bleibt vorerst so: Denis Villeneuves «Dune», das erste Kapitel eines noch nicht bestätigten Mehrteilers, ist emotions- und dramaturgieloses Kino, das sich hinter der eigenen Grossspurigkeit zu verstecken versucht.
Science-Fiction und Fantasy sind zwei wunderbare, zutiefst wesensverwandte Genres. Wer in fremde Welten abtauchen und grosse Abenteuer erleben will, greift zur Weltraumoper oder zum Ritterschwank, zur futuristischen Erzählung über Raumschiffe und Sternenkriege oder zur mystisch angehauchten Geschichte von Magie, Fabelwesen und altehrwürdigen Adelsgeschlechtern.
Vielleicht zieht Frank Herberts Opus magnum, die sechs «Dune»-Romane, die zwischen 1965 und 1985 erschienen, gerade deshalb bis heute Leser*innen aus aller Welt in seinen Bann: «Dune» verlegt, stark vereinfacht gesagt, einen mittelalterlich-feudalistischen Machtkampf in eine weit entfernte Zukunft, in der die Menschheit ferne Planeten besiedelt hat. Kein Wunder, gelten Herberts Bücher sowohl für «Star Wars» als auch für «Game of Thrones» als Inspirationsquelle.
«‹Dune› verlegt, stark vereinfacht gesagt, einen mittelalterlich-feudalistischen Machtkampf in eine weit entfernte Zukunft, in der die Menschheit ferne Planeten besiedelt hat. Kein Wunder, gelten Herberts Bücher sowohl für ‹Star Wars› als auch für ‹Game of Thrones› als Inspirationsquelle.
Die «Unverfilmbarkeit» des überlebensgrossen Stoffs ist indes geradezu sprichwörtlich. Der chilenische Surrealist Alejandro Jodorowsky («La montaña sagrada») hat es in den Siebzigerjahren erfolglos versucht, ebenso Ridley Scott einige Jahre vor seinem Sci-Fi-Meilenstein «Blade Runner» (1982). Der «Dune», der 1984 schliesslich in die Kinos kam, avancierte zu einem historischen Flop, für den sich Regisseur David Lynch («Twin Peaks», «Mulholland Drive») bis heute schämt.
Und nun soll es also Denis Villeneuve richten, der gefeierte frankokanadische Filmemacher hinter den mächtig umhypten Science-Fiction-Filmen «Arrival» (2016) und «Blade Runner 2049» (2017). Allermindestens zwei Teile soll sein starbesetzter «Dune» haben, gab Villeneuve beim Filmfestival von Venedig unlängst zu Protokoll – ein Wunsch, dessen Erfüllung auch davon abhängt, wie sich Teil eins an den pandemieversehrten Kinokassen schlägt. So Publikum und Produzent*innen wollen, sollen Villeneuves und Herberts Visionen den Platz bekommen, sich in ihrer ganzen Grösse ausbreiten zu können.
Es sind denn auch tatsächlich der schiere Umfang und die faszinierende Komplexität des Herbert’schen Universums und seiner fiktiven Mythologie, die einen darauf hoffen lassen, dass Villeneuves «Dune» seine erwünschte Fortsetzung bekommt. Der Kampf zwischen dem ehrenwerten Haus Atreides vom Planeten Caladan, den niederträchtigen Sklaventreibern des Hauses Harkonnen von Giedi Prime und dem korrupten Imperium um den kolonisierten Wüstenplaneten Arrakis und dessen wertvollste Ressource, das sogenannte Spice, dürfte das Herz jeder Person mit einer Affinität für das fantastische Erzählen höherschlagen lassen. Ein Ding der Unmöglichkeit, nicht enttäuscht zu sein, wenn die arrakische Einheimische Chani (Zendaya) nach zweieinhalb Stunden Film verkündet, «This is only the beginning», und gleich darauf der Abspann über die Leinwand rollt.
«Doch was genau passiert in den zweieinhalb Stunden, die auf diesen Moment hinarbeiten? Die ernüchternde Antwort lautet: nicht viel.»
Doch was genau passiert in den zweieinhalb Stunden, die auf diesen Moment hinarbeiten? Die ernüchternde Antwort lautet: nicht viel. Man lernt den neuen Verwalter von Arrakis, den herzensguten Herzog Leto Atreides (Oscar Isaac), und dessen Sohn Paul (Timothée Chalamet) kennen. Letzterer wird schon auf Caladan von scheinbar prophetischen Träumen von der ewigen Sandödnis heimgesucht, derweil seine Mutter Jessica (Rebecca Ferguson), ihres Zeichens Letos Konkubine und Anhängerin der intrigierenden Bene-Gesserit-Sekte, ihn zum Messias zu erziehen versucht. Anderswo hadert der Harkonnen-General Rabban (Dave Bautista) mit dem Abzug seines Clans vom lukrativen Spice-Planeten, wird aber von seinem dekadenten Onkel, Baron Vladimir Harkonnen (Stellan Skarsgård), damit beschwichtigt, dass Arrakis seine neuen Herren in den Ruin treiben wird.
Der grundlegende Unterhaltungswert und die anregende Verzweigtheit der Affiche mögen eine Weile genügen, um sich nicht gross darum zu scheren, dass das Drehbuch von Villeneuve und seinen Co-Autoren Jon Spaihts («Prometheus») und Eric Roth («A Star Is Born») voller schwerfälliger Erklärungen und irritierender Redundanzen ist. Ja, dies ist ein Film, der es für nötig hält, selbst die simpelsten Zusammenhänge doppelt und dreifach zu erklären – wie etwa in jener Szene, in der jemand in pathetischer Zeitlupe eine Tür hinter sich schliesst, um sich aufopferungsvoll einer Horde feindlicher Soldaten entgegenzustellen, eine weitere Figur zur Sicherheit aber noch ein «He’s locked the door!» nachschiebt. Aber dann raunt eine Bene-Gesserit-Schwester wieder etwas Geheimnisvolles, oder der bis zur Unkenntlichkeit geschminkte Stellan Skarsgård – das spannende Glanzlicht eines ansonsten eher unterbeschäftigt wirkenden Casts – kann plötzlich fliegen, und das Ganze ist gerade wieder kurzweilig genug.
Doch irgendwann hat man sich an Greig Frasers wunderschönen Landschaftsaufnahmen, dem Villeneuve-typischen grau-braunen Farbschema und den vor allem aus gigantischen Betonblöcken bestehenden Kulissen sattgesehen, sich an den repetitiven, auf «orientalistisch-mystisch» getrimmten Gesängen auf Hans Zimmers Score sattgehört, und merkt: Villeneuve, Spaihts und Roth kommen hier erzählerisch, trotz allen epischen Gehabes, kaum über das grobe Etablieren von primären Charakterzügen, Planetentopografien, futuristischen Technologien, politischen Verhältnissen und religiösen Ritualen hinaus. Dieser «Dune» ist weniger ein Weltraumabenteuer mit nachvollziehbaren Figuren und dramatischen Höhen und Tiefen als ein filmgewordener Schuldschein, ein hochheiliges Versprechen, dass der kosmische Glaubens- und Thronfolgekrieg im nächsten Teil endlich richtig losgeht.
«Dieser ‹Dune› ist weniger ein Weltraumabenteuer mit nachvollziehbaren Figuren und dramatischen Höhen und Tiefen als ein filmgewordener Schuldschein, ein hochheiliges Versprechen, dass der kosmische Glaubens- und Thronfolgekrieg im nächsten Teil endlich richtig losgeht.»
Bis dahin muss man sich mit unscharfen Figurenskizzen begnügen, die sich gegenseitig mit plumpen, bierernst vorgetragenen Expositionsdialogen berieseln und sporadisch von schwelgerisch nichtssagenden Voiceovers träumen. «Dreams are messages from the deep», mag eine kryptisch verzerrte Stimme noch vor dem einleitenden Warner-Bros.-Logo fauchen; doch in diesem Film dienen sie hauptsächlich dazu, dem Publikum vorzugaukeln, dass der designierte Protagonist Paul Atreides eine spirituelle Entwicklung durchläuft, auch wenn das weder aus seinem Verhalten noch aus Timothée Chalamets ratlosem Schauspiel hervorgeht.
Überhaupt wirkt hier sehr vieles frustrierend willkürlich. Von Chang Chen über Josh Brolin bis hin zu Jason Momoa werden hier erstklassige Darsteller*innen in die Belanglosigkeit verbannt. Das koloniale System, dem sich sogar das «gute» Haus Atreides unterordnet, wird angeschnitten, aber, wie so viele andere vielversprechende Ansätze auf die To-do-Liste für den angestrebten zweiten Teil gesetzt. Der Punkt, an dem man auf ebenjenen vertröstet wird, ist eine Antiklimax sondergleichen, ein müdes Miniatur-Scharmützel nach 20 Minuten des dramaturgischen Leerlaufs, sodass es sich anfühlt, als würde der Film nicht enden, sondern gottsjämmerlich versanden.
Denis Villeneuve kann von Glück reden, dass Frank Herberts verzwicktes Fantasiegebilde auch 56 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung noch so viel Faszination ausübt, dass auch ein so mittelmässiger Film wie «Dune» einen nicht dazu bringen kann, das Interesse an der ihm zugrunde liegenden Geschichte zu verlieren. Sollte Villeneuve seine ersehnten Fortsetzungen bekommen, muss er sich aber über eines im Klaren sein: Was an «Dune: Part One» funktioniert, ist Herberts Verdienst, nicht Villeneuves.
Über «Dune» wird auch in Folge 34 des Maximum Cinema Filmpodcasts diskutiert.
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Kinostart Deutschschweiz: 16.9.2021
Filmfakten: «Dune» / Regie: Denis Villeneuve / Mit: Timothée Chalamet, Rebecca Ferguson, Oscar Isaac, Jason Momoa, Josh Brolin, Zendaya, Dave Bautista, Stellan Skarsgård, Chang Chen, Sharon Duncan-Brewster, Stephen McKinley Henderson, David Dastmalchian, Charlotte Rampling, Javier Bardem / USA / 155 Minuten
Bild- und Trailerquelle: 2021 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.
«Dune» ist ein spannender Stoff, konstatiert Denis Villeneuves Möchtegern-Sci-Fi-Epos. Das steht ausser Frage, doch der Film macht ausser hübsch fotografierter Exposition nicht viel daraus.
1 Comment
Da hat wohl jemand keine Ahnung. Zu sagen, Villeneuves hätte kein Verschulden an dem Erfolg des Filmes ist ja schon einfach nur unglaublicher bs.