«Dungeons & Dragons»: zwei Wörter, die seit Jahrzehnten durch etliche Spielekeller hallen. Eine pragmatische Begriffskombination und der Titel des vielleicht wichtigsten Rollenspiels überhaupt. In D&D, wie das Spiel unter Fans heisst, können Spieler*innen gegen Monster kämpfen, Schätze rauben, Zauber sprechen und dabei jede Menge Unsinn treiben. Und genau solche irrwitzigen und spektakulären Abenteuer warten auch im Blockbuster «Dungeons & Dragons: Honor Among Thieves» von Jonathan Goldstein und John Francis Daley.
Jedes «Dungeons & Dragons»-Abenteuer beginnt auf die gleiche Weise: Die Spieler*innen erzählen ihre Backstory. Diese heilige Tradition wahrt auch «Dungeons & Dragons: Honor Among Thieves» – und so beginnt der Film mit der Hintergrundgeschichte von Hauptfigur Edgin Darvins (Chris Pine): Edgin ist ein munterer Barde, eine Mischung aus Hofnarr und Wandermusiker, der sich durch nichts die Stimmung vermiesen lässt. Auch wenn er vom Unglück verfolgt wird, behält der fröhliche «Ed» stets ein charmantes Lächeln im Gesicht. Immer an seiner Seite ist die grimmige Barbarin Holga (Michelle Rodriguez): Vollgepackt mit Muskeln und noch mehr Tattoos, bleibt die Kriegerin meist stoisch, ausser wenn Ed sie zum Singen animiert. Zusammen haben sie schon etliche Abenteuer erlebt und sind schliesslich im Knast gelandet.
Doch keine Gefängnismauer der Welt könnte Ed von seiner Quest abbringen, seine Tochter aus den Fängen von Lord Forge Fletcher (Hugh Grant) zu befreien. Nachdem das schräge Barden-Barbaren-Duo auf ziemlich witzige Weise aus dem Knast flieht, machen sich die zwei auf die Suche nach ihrer alten Räuberbande.
«Erfunden wurde das Rollenspiel vor fast 50 Jahren, und zwar von Dave Arneson und dem schweizstämmigen Gary Gygax. Als Inspiration dienten ihnen ‹The Lord of the Rings› und andere Fantasyromane.»
Doch was ist «Dungeons & Dragons» – das Spiel, nicht der Film? Irgendwie haben alle schon einmal davon gehört. Man kennt das Rollenspiel aus «E.T. the Extra-Terrestrial» (1982), «The Big Bang Theory» (2007–2019), «Stranger Things» (2016– ) und anderen Darstellungen aus der Popkultur. Fast immer zeigen diese Szenen nerdige Kids, schummrige Keller und seltsame Würfel.
Erfunden wurde das Rollenspiel vor fast 50 Jahren, und zwar von Dave Arneson und dem schweizstämmigen Gary Gygax. Als Inspiration dienten ihnen «The Lord of the Rings» und andere Fantasyromane. Entsprechend kommt in der Welt von D&D so gut wie alles vor: Halblinge, Vampire, Zombies, Drachen, Elfen, Orks und noch vieles mehr. Um dem Spiel zu frönen, braucht man lediglich Stift, Papier und die eigene Vorstellungskraft; ein sogenannter Dungeon Master beschreibt die Fantasywelt und was gerade darin passiert. Das geht etwa so: «Du sitzt in einer vollen Spelunke. Die Stimmung ist fröhlich, viele sind betrunken und singen Lieder. Plötzlich springt ein blutrünstiger Wolf durch ein offenes Fenster. Er sieht dir in die Augen und knurrt. Was tust du?» Nun folgt die Reaktion der Mitspieler*innen – vom Wegrennen über das Sichtotstellen bis hin zur eigenen Wolfsverwandlung ist alles möglich. Klingt ein bisschen verrückt? Ist es auch, und das weiss der Film.
«So kann man die Fantasywelt auch geniessen, wenn man keine Ahnung von ‹Dungeons & Dragons› hat – derweil sich D&D-Nerds trotzdem auf etliche Easter Eggs freuen dürfen.»
Denn auch «Dungeons & Dragons: Honor Among Thieves» beweist sehr viel Vorstellungskraft. Über Stock und Stein wandern Ed und Holga durch die prächtige Landschaft und suchen nach ihren Verbündeten. Eisige Berge, verwunschene Wälder, unheimliche Kerker – beeindruckende Settings, die allemal mit «Game of Thrones» (2011–2019) und Co. mithalten können. Dabei stossen die Gefährten auf allerlei schillernde Figuren: Katzenmenschen, Schlangenwesen, edle Ritter und bitterböse Hexen.
Die Welt von «Dungeons & Dragons» ist wahrlich voller Leben und Leidenschaft. Hier zeigen die beiden Regisseure Jonathan Goldstein und John Francis Daley («Game Night») ein tiefes Verständnis für das Quellenmaterial, ohne jedoch über die Stränge zu schlagen. So kann man die Fantasywelt auch geniessen, wenn man noch nie einen 20er-Würfel in der Hand gehalten hat – derweil sich D&D-Nerds trotzdem auf etliche Easter Eggs freuen dürfen. Übrigens: John Francis Daley verkörperte als 14-Jähriger in der Kultserie «Freaks and Geeks» (1999–2000) einen Geek, der mit seinen Freunden D&D spielt.
Trotz unzähliger Zaubersprüche zeigt sich die schönste Magie des Films jedoch in einer anderen Form. Auf seiner Reise sammelt Ed nämlich so manch schrägen Vogel auf und vervollständigt seine Bande durch einen mittelmässigen Zauberer (Justice Smith), eine Druidin (Sophia Lillis), die sich in Tiere verwandeln kann, und einem humorresistenten Paladin (Regé-Jean Page). So verschieden sie auch sind, vereint sie das Ziel, Lord Forge Fletcher zu stürzen. Dabei wird viel gestritten, gerangelt, gesoffen und gesungen, und immer wieder gerät die Truppe in heikle Pattsituationen. Doch egal, wie aussichtslos ein Problem scheint, der Gruppe fällt stets eine hanebüchene Idee ein, um sich aus der Schlinge zu ziehen (ein Teleportationsstab wird dabei besonders schlau eingesetzt).
«Die besten Szenen des Films wirken deshalb, als wären sie direkt einer ‹Dungeons & Dragons›-Partie entnommen worden. Denn in D&D dürfen alle ihr volles Potenzial an Kreativität ausleben.»
Diese Interaktionen sind allesamt köstlich in Szene gesetzt, sodass die Chemie zwischen den Schauspieler*innen bis in die letzte Kinoreihe spürbar ist. Man fühlt, wie viel Spass der Cast dabei hatte, Schwerter zu schwingen und Unsinn zu treiben. Die besten Szenen des Films wirken deshalb, als wären sie direkt einer «Dungeons & Dragons»-Partie entnommen worden. Denn in D&D dürfen alle ihr volles Potenzial an Kreativität ausleben. Du möchtest ein mächtiger Krieger sein, der Äxte jongliert? Kein Problem. Du willst eine wunderschöne Elfin spielen, die mit Pferden redet? Los geht’s. Du willst ein sprechender Hase sein, der Juweliergeschäfte ausraubt? Gab es alles schon. Die einzige Grenze ist die eigene Vorstellungskraft – und das wird auch auf der Leinwand spürbar.
Jonathan Goldstein und John Francis Daley ist somit eine witzige und achtungsvolle Adaption von «Dungeons & Dragons» gelungen. Die beiden Regisseure erweisen sowohl dem Spiel als auch seinen Fans ihren Respekt, vergessen dabei aber nicht, dass das Ganze vor allem Spass machen soll. Entsprechend ist «Dungeons & Dragons: Honor Among Thieves» randvoll mit Klamauk, Action und unzähligen Witzen. Das ist zwar schön und gut, bei einer Länge von 134 Minuten aber mitunter auch eine Belastungsprobe. Wer jedoch genügend Sitzfleisch und Resilienz vorrätig hat, darf sich über die Überstunden freuen; und für D&D-Nerds ist der Film sowieso ein «Nat20». Paramount ist vielleicht sogar ein solides Fundament für die nächste grosse Blockbuster-Franchise gelungen – Konkurrenz für Marvel?
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Kinostart Deutschschweiz: 30.3.2023
Filmfakten: «Dungeons & Dragons: Honor Among Thieves» / Regie: Jonathan Goldstein, John Francis Daley / Mit: Chris Pine, Michelle Rodriguez, Regé-Jean Page, Justice Smith, Sophia Lillis, Hugh Grant / USA, Kanada / 134 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © 2023 Paramount Pictures. All Rights Reserved.
Mit «Dungeons & Dragons: Honor Among Thieves» von Jonathan Goldstein und John Francis Daley hat D&D den Übergang vom Spielbrett auf die Leinwand erfolgreich und spektakulär geschafft.
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