Man werfe in den Mixer: eine Prise «Pocahontas» (1995), zwei Zehen «Zootopia» (2016) und drei Gläser der oft Meme-ifizierten «Was wäre, wenn XY Gefühle hätte?»-Pixar-Formel. Voilà: Peter Sohns «Elemental» – ein ganz und gar wässriger Film, dem jedes kreative Feuer fehlt.
Irgendwie scheint es bezeichnend, dass ein Film wie «Elemental» im Jahr 2023 erscheint: dem Jahr von ChatGPT und Co. Dem Jahr, in dem die Maschinen sich mehr denn je am Musizieren, Zeichnen und Schreiben versuchen. Dem Jahr, in dem zahllose Diskussionen darüber geführt werden, welche unantastbaren Qualitäten das menschliche Künstlern birgt. Denn «Elemental» von Regisseur Peter Sohn – der ebenfalls für Story und Regie von Pixars unattraktivem «The Good Dinosaur» (2015) zu verantworten ist – wirkt durch und durch wie ein Produkt, das eine Maschine ausgespuckt haben könnte.
«Elemental» ist zusammengesetzt aus abgewetzten Bausteinen vergangener Disney– und Pixar-Produktionen. Statt mörderische Imperialisten und Native Americans bzw. Karnivoren und Herbivoren (die Liste könnte weitergeführt werden) üben sich hier eine Feuerfrau und ein Wassermann darin, ihre Vorurteile zu überwinden: Ember Lumen (gesprochen von Leah Lewis) ist die aufbrausende Tochter einer Familie, die von Feuerland nach Element City emigriert ist, um dort eine sichere Zukunft aufzubauen. Gegen den Willen ihres traditionellen Vaters verliebt sie sich in den ersten wässrigen Knilch, der ihr über den Weg plätschert: Wade Ripple (Mamoudou Athie) ist ein charmeloser und ständig plärrender Wasserinspektor, der das Lumen’sche Familienunternehmen aufgrund seiner bröckelnden Infrastruktur zwangsschliessen will.
«Fütterte man diese fadenscheinige Plotbeschreibung in einen Computer und bäte diesen, ein Skript auszuspucken, das Resultat würde wohl unheimlich an dieses beliebige Animationsabenteuer erinnern. Jeder Dialog, jeder Konflikt, jeder Twist existiert bereits – und das prägnanter, berührender, überraschender.»
Fütterte man diese fadenscheinige Plotbeschreibung in einen Computer und bäte diesen, ein Skript auszuspucken, das Resultat würde wohl unheimlich an dieses beliebige Animationsabenteuer erinnern. Jeder Dialog, jeder Konflikt, jeder Twist existiert bereits – und das prägnanter, berührender, überraschender. Der Film bettelt förmlich danach, mit Disneys «Zootopia» verglichen zu werden, so ähnlich sind sich die Konzepte. Doch während «Zootopia» einen mitreissenden Krimi zum Kern seiner Diskriminierungs-Metapher machte und dazu leb- und glaubhafte Charaktere schuf, fehlt «Elemental» jegliches narrative Knochengerüst. Stattdessen lässt das Skript seine Figuren durch spannungslose Szenen strömen und die Stereotypen ihrer Spezies nachspielen.
Hier liegt auch gleich die zentrale Krux, die bereits im Kontext von «Zootopia» ausgiebig besprochen wurde, im Fall von «Elemental» aber neue Dringlichkeit gewinnt: Inwiefern kann – und allenfalls sollte – eine vereinfachte Mär dazu dienen, fundamentale strukturelle Probleme wie Rassismus zu illustrieren? Dass es dem Film ein dringliches Anliegen ist, macht er mehr als offensichtlich. Die Eltern der Feuertochter sprechen mit Akzent, essen gerne scharfe Speisen und leben in einem segregierten Stadtteil, den sie nur selten verlassen – teils, weil sie ausserhalb nicht gern gesehen sind, teils, weil sie Wassermenschen nicht über den Weg trauen. Der Wasserbube dagegen kommt aus reichem Hause und schwappt unmotiviert durchs Leben, und als seine neue Freundin zum Abendessen vorbeikommt, fragt der Onkel, warum sie so gut Englisch spreche. Gemeinsam überwinden die beiden Turteltauben die Vorurteile auf beiden Seiten und zeigen so, dass die Probleme der Welt nur einer dicken Umarmung bedürfen, um zu verdampfen.
Selbst wenn man «Elemental» entgegen der Pixar-Philosophie als reinen Kinderfilm verstehen möchte, ist diese Handhabung der Problematik doch etwas gar simpel. Darüber hinaus muss man aktiv dagegen ankämpfen, die Metapher in irgendeine Richtung weiterzudenken: Wie soll man es etwa lesen, dass diese Elemente nun einmal tatsächlich auf molekularer Ebene komplett verschieden sind? Dass Wassermenschen von Natur aus eines Umfelds bedürfen, das ihre feurigen Genoss*innen bei einer falschen Bewegung umbringt? Oder dass die feurigen Immigrant*innen ein Temperament aufweisen, das die ganze Stadt bei der geringsten Provokation in Grund und Boden brennen könnte? Vieles ist an diesem Film gut gemeint, aber so augenscheinlich nicht zu Ende gedacht, dass es einen wundern muss – zumal es sich um einen Film von Pixar handelt, welches sich einst mit seinem rigorosen Redaktionsprozess und entsprechend cleveren Skripts einen Namen machte.
«Vieles ist an diesem Film gut gemeint, aber so augenscheinlich nicht zu Ende gedacht, dass es einen wundern muss – zumal es sich um einen Film von Pixar handelt, welches sich einst mit seinem rigorosen Redaktionsprozess und entsprechend cleveren Skripts einen Namen machte.»
Zuletzt bleibt die Frage, ob «Elemental» denn wenigstens mit dem jüngsten Publikum resoniert. Endgültig beantworten lässt sich dies natürlich nicht. Anekdotisch kann aber berichtet werden, dass zumindest im «Empire Cinema» im neuseeländischen Wellington trotz hübscher Animation und poppigem Erzähltempo die Knirpse auf den Sitzen turnten, durch die Gänge rannten und mindestens einmal fragten, ob es denn bald fertig sei. Auch gelacht wurde nicht ein einziges Mal. Auch nicht, als etwa Embers Vater seiner Tochter erklärte, dass ihre Abreise gar nicht so schlimm sei; immerhin hätten er und seine Frau nun viel Zeit für «Hanky-Panky» – ein Kalauer, bei dem man sich regelrecht wünscht, eine Maschine hätte ihn erdacht.
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Kinostart Deutschschweiz: 22.6.2023
Filmfakten: «Elemental» / Regie: Peter Sohn / Mit: Leah Lewis, Mamoudou Athie, Ronnie del Carmen, Shila Ommi, Wendi McLendon-Covey, Catherine O’Hara / USA / 109 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © The Walt Disney Company Switzerland. All Rights Reserved.
Pixars neuestes Animationsabenteuer ist eine wässrige Metapher über Rassismus und Vorurteile – hübsch animiert, doch inhaltlich so beliebig, als wäre der Film von ChatGPT erdacht worden.
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