Der belgische Regisseur Sam Garbarski bringt mit «Es war einmal in Deutschland» eine pfiffige Tragikomödie über eine Gruppe jüdischer Trickbetrüger im Nachkriegsdeutschland ins Kino, die sich nicht ganz entscheiden kann, ob sie dem heiklen Thema des Kollektiv-Traumas mit messerscharfen Witz den Ernst aus den Segeln nehmen oder sich doch lieber in die tiefschwarze Tragik vertiefen soll.
David Bergmann (Moritz Bleibtreu) lebt nach Ende des zweiten Weltkriegs in einem Transitlager für Juden in Frankfurt am Main. Der gewiefte Überlebenskünstler will nur noch weg von Deutschland und zieht mit gleichgesinnten Freunden (mit dabei im Cast: Die Schweizer Anatole Taubmann und Joel Basman) von Haustür zu Haustür, um für viel Geld Bettwäsche und Frottiertücher mit dreisten Tricks an die Bevölkerung zu verticken. Doch David ist ins Visier der amerikanischen Army gekommen und wird von der blauäugigen Offizierin Sara Simons (Antje Traue) ins Kreuzverhör genommen. Wieso steht sein Name in diversen SS-Akten? Weshalb besitzt er zwei Pässe? War er etwa ein Kollaborateur der Nazis? Auch seine Freunde und Geschäftspartner werden misstrauisch: Kann man einem geborenen Trickbetrüger, der immer wieder mysteriösen Treffen nachgeht, vertrauen? Oder werden am Schluss selbst sie übers Ohr gehauen?
Balanceakt zwischen Galgenhumor und Gänsehaut-Tragik
Auf den biographischen Romanen „Die Teilacher“ und „Machloikes“ von Michel Bergmann basierend erzählt Sam Gabarski die eigentlich hochtragische Geschichte der Holocaustüberlebenden mit einer grossen Prise bitterer Selbstironie und rattenscharfem jüdischen Humor. In einer Sekunde lacht man, in der nächsten sammeln sich Tränen in den Augen. „Hitler ist tot, doch wir leben“, so spornt David Bergmann seine jüdischen Freunde an, denen nach all dem Erlebten das Geld und der Mut für die Überschiffung in das Traumland Amerika fehlt. Und genau deswegen bleibt Bergmann ein Sympathisant, obwohl er mit seiner Truppe haufenweise Menschen mit hinterlistigen Tricks übers Ohr haut: Durch das erlebte Trauma ist die gewitzte Trickbetrügerei, die Rache der Juden, sein einziger Weg zurück ins Leben. Und dieser ist überaus komödiantisch. Gegen Ende des Streifens werden aber immer mehr ernsthaft-tragische Elemente eingebaut, deren Wirkung sich nach den ganzen Spässen aber nicht mehr so gut entfaltet und eher wie Punkte auf einer To-Do-Liste abgehakt werden.

«Es war einmal in Deutschland»
Erstickte Fantasie im Kinosessel
Wie der an Grimmsche Märchen angelehnte Titel schon andeutet, kann man in «Es war einmal in Deutschland» niemandem so richtig trauen, vor allem nicht dem Protagonisten. Dies macht neben den schnellen Stimmungswechseln den Reiz des Filmes aus. In Flashbacks wird die wahnwitzige Geschichte von Bergmann erzählt, wie er dank seines Humors zum Lieblingsinsassen im Konzentrationslager wurde und gar in Kontakt mit Hitler kam. Dabei fragt sich der Zuschauer immer mehr, ob er Zeuge einer unglaublichen Holocaust-Geschichte wird oder ob ihm nicht doch einfach ein riesiger Bär von einem gewitzten Trickbetrüger aufgebunden wird – Die Linien zwischen Realität und Fiktion verschwimmen. Dies hat ein riesiges Potenzial, doch Garbarski entscheidet sich dafür, am Ende des Filmes in brav-deutscher Manier die Wahrheit aufzudecken und erstickt so leider die flammende Fantasie des Zuschauers.
Regie: Sam Garbarski / Mit: Moritz Bleibtreu, Anatole Taubmann, Antje Traue, Joel Basman, Mark Ivanir, Tim Seyfi, Pál Mácsai uvm / Kinostart: 15. Juni
Trailer- und Bildquelle: Filmcoopi
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