Die Europäische Rundfunkunion strebt mit dem Eurovision Song Contest eine immer prominentere Rolle im globalen Entertainment-Markt an: Erst wurde Australien als Mitgliedsstaat aufgenommen; jetzt soll mit der Will-Ferrell-Komödie «Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga» ein amerikanisches Millionenpublikum erschlossen werden.
Will Ferrell und der Eurovision Song Contest – wie passt das zusammen? Wo, wenn überhaupt, überschneiden sich die Sensibilitäten des einstigen «Saturday Night Live»-Komikers, dessen Name für absurde Anarcho-Komödien wie «Anchorman» (2004), «Talladega Nights» (2006) und «Blades of Glory» (2007) steht, und des überkandidelten, kultig-kitschigen Gesangswettbewerbs – der paneuropäischen Nachkriegstradition schlechthin?
«Tatsächlich klingt ein Eurovision-Film mit Will Ferrell im Zentrum wie eine heillos zusammengewürfelte Affiche, eine Zwangsheirat zwischen der Europäischen Rundfunkunion und einem berühmten Schauspieler, der seinen Zenit scheinbar überschritten hat.»
Tatsächlich klingt ein Eurovision-Film mit Will Ferrell im Zentrum wie eine heillos zusammengewürfelte Affiche, eine Zwangsheirat zwischen der Europäischen Rundfunkunion (EBU) und einem berühmten Schauspieler, der seinen Zenit scheinbar weit genug überschritten hat, um zu einem erschwinglichen Preis den Werbeträger zu machen. Doch der Schein trügt zumindest in dieser Hinsicht: Ferrell ist seit gut 20 Jahren eingefleischter Eurovision-Fan und verfasste zusammen mit Andrew Steele gleich selber das Drehbuch für «Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga».
Der Film handelt von Lars (Ferrell) und Sigrit (Rachel McAdams), zwei isländischen Eurovision-Fans, deren Traum es ist, als Pop-Duo Fire Saga ihr Land beim Contest zu vertreten. Und obwohl Island mit dem Shooting-Star Katiana (Demi Lovato) eine fast schon sichere Siegerin am Start hat, verschlägt es die tollpatschigen Hauptfiguren auf Umwegen dennoch zum Wettbewerb nach Edinburgh. Doch dort warten ein skrupelloser russischer Sänger (Dan Stevens) als Konkurrent, ein verächtlicher Graham Norton als Kommentator, jede Menge technische Probleme und zwischenmenschliche Krisen.
Doch so viel Herzblut auch im Kern dieses Projekts stecken mag, so wenig gelingt es Regisseur David Dobkin («Wedding Crashers») und dem EBU-Produktionsteam, dieses spürbar zu machen. «Eurovision» wirkt wie ein zweistündiger Kompromiss zwischen verschiedenen Ansätzen, die sich letztlich nicht vereinen lassen. Die «Anchorman»-Echos sind da, in Form von überraschend blutrünstigen Momenten und einem Running Gag über den isländischen Elfenglauben, der einen grossartigen Höhepunkt findet; doch sie spielen hier mit Abstand die kleinste Rolle. Überschattet werden sie von einer allzu aufrichtig erzählten Underdog-Geschichte, halbherzigen Eurovision-Witzen und sehr viel langfädiger Eurovision-Propaganda, für die sich Contest-Prominenz von Netta bis Conchita Wurst die Ehre gibt.
«‹Eurovision› wirkt wie ein zweistündiger Kompromiss zwischen verschiedenen Ansätzen, die sich letztlich nicht vereinen lassen.»
Eine weniger auf wirtschaftliche Synergien bedachte Produktion hätte durchaus das Potenzial gehabt, Ferrells Begeisterung für das Eurovision-Format in eine solide Parodie im Sinn und Geist von «Flight of the Conchords» (2007–2009) oder in einen mitreissenden Musikfilm Marke «Sing Street» (2016) zu übersetzen. Doch hier waren definitiv zu viele Köche am Werk: «Eurovision Song Contest» funktioniert weder als Ferrell-Vehikel noch als Einführung ins titelgebende Phänomen – was wohl heisst, dass der Wettstreit in den USA auch in Zukunft ein Nischenprodukt bleiben wird.
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Jetzt auf Netflix Schweiz
Filmfakten: «Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga» / Regie: David Dobkin / Mit: Will Ferrell, Rachel McAdams, Dan Stevens, Pierce Brosnan, Melissanthi Mahut, Demi Lovato / USA / 123 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Netflix / Titelbild-Credit Elizabeth Viggiano/NETFLIX © 2020
«Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga» hat lustige Momente zu bieten, verbringt jedoch zu viel Zeit mit seinem generischen Plot und mühsamer ESC-Schleichwerbung.
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