Hallvar Witzøs Langspielfilmdebüt «Everybody Hates Johan» besticht mit seinem norwegischen Charme und seinen ulkigen Figuren.
Die Eltern von Johan Grande (Pål Sverre Hagen) lieben Explosionen. Sie lieben sie so sehr, dass sie während des Zweiten Weltkriegs in ihrer Heimat – der norwegischen Insel Frøya – Brücken sprengen, um sie so vor den Feinden zu verteidigen. Dies stösst beim einheimischen Militär auf Missfallen, denn es kommt bisweilen auch vor, dass die Brücken zu früh gesprengt werden.
Und auch nach dem Krieg ist die Bevölkerung Frøyas den Grandes nicht besser gesinnt. Diese machen nämlich unbeirrt weiter mit der Knallerei und sprengen, was das Zeug hält – bis sie sich eines Tages selbst in die Luft jagen und den kleinen Johan allein zurücklassen.
Johan scheint alles von seinen Eltern geerbt zu haben: die Vorlieben für Explosionen, aber auch der auf ihn gerichtete Hass sämtlicher Mitmenschen. Neben seinem Onkel (Trond-Ove Skrødal) und seiner Tante (Ingunn Beate Øyen) ist die einzige Person, die ihn mag, das Mädchen Solvor (Ingrid Bolsø Berdal). Aus der Freundschaft entwickelt sich nach und nach eine Romanze – bis ein Unglück passiert.
Johans explosives Leben ist teils lustig, teils traurig und oft unvorhersehbar. Und genau in dieser Unvorhersehbarkeit entfaltet «Everybody Hates Johan» eine Spannung, die es so manch hochbudgetierter Hollywoodstreifen ihm nicht gleichzutun vermag. Auf schöne Momente folgen unerwartet grausame Geschehnisse, bei denen man nicht so recht weiss, ob man nun lachen oder weinen soll.
«Für die nötige Auflockerung sorgen die liebenswerten und lustigen Figuren, die Johan während seines Lebens über den Weg laufen.»
Obwohl Explosionen in Johans Leben mehr Schaden angerichtet als Gutes gebracht haben, kann er nicht damit aufhören. Die Explosionen sind es, die sein Leben immer wieder auf schmerzhafte Weise umkrempeln und das Publikum schier verzweifeln lässt. Für die nötige Auflockerung sorgen die liebenswerten und lustigen Figuren, die ihm während seines Lebens über den Weg laufen.
«Everybody Hates Johan» ist mit einer Laufzeit von gut eineinhalb Stunden ein kurzer und kurzweiliger Film. Darin liegt aber auch seine grösste Schwäche: Figuren werden vorgestellt, sie wachsen einem (manchmal) ans Herz, und schon verschwinden sie wieder von der Bildfläche und werden in der Folge, wenn überhaupt, nur noch am Rande erwähnt. Viele einschneidende Momente passieren rasch aufeinander; bisweilen gibt es Zeitsprünge von bis zu 40 Jahren. So wirkt der Film nicht nur kurzweilig, sondern stellenweise auch gehetzt.
«‹Everybody Hates Johan› ist ein rührender Film, der insbesondere durch seinen unerwarteten Humor besticht.»
Dennoch ist «Everybody Hates Johan» ein rührender Film, der insbesondere durch seinen unerwarteten Humor besticht. Zwar dürfte er sich in gewissen Momenten etwas mehr Zeit lassen, doch einem Langspielfilmdebüt, das anderweitig derart stilsicher daherkommt, verzeiht man solche Schönheitsfehler gerne.
–––
Kinostart Deutschschweiz: 27.6.2024
Filmfakten: «Everybody Hates Johan» («Alle hatter Johan») / Regie: Hallvar Witzø / Mit: Pål Sverre Hagen, Ingrid Bolsø Berdal, Trond-Ove Skrødal, Ingunn Beate Øyen / Norwegen / 93 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © Pathé Films AG
In «Everybody Hates Johan» kann man nicht anders, als den von seinen Mitmenschen gehassten Johan zu lieben – Sprengfreude hin oder her.
No Comments