Starkes Frauenstück auf trockener, heisser Erde
Nach «Vergine Giurata» im Jahre 2015 ist «Mia Figlia» der zweite Langspielfilm der in Rom geborenen Laura Bispuri. Wie schon im Debut geht es um die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Die Italienerin stellt in ihrem zweiten Stück gleich zwei starke Frauen in den Mittelpunkt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und das auf der schönen Insel Sardinien, die die passende Szenerie dafür bietet.
Was heisst, du hast Angst vor dem Nichts? Siehst du nicht, es gibt da überhaupt nichts! Das kann dir keine Angst einjagen. Angelica (Alba Rohrwacher) steht auf einem kantigen Vorsprung eines Berges. Dort wo andere aufhören, geht die wilde Blonde weiter. Grenzen interessieren sie nicht, genauso wenig wie die Meinung der anderen. Angelica lebt ihr Leben auf ihre Weise, am Rande der Gesellschaft, im Landesinnere, weg von der wunderschönen Küste Sardiniens. Dort, wo der harte Stein, die Berge und das von der Sonne ausgetrocknete gelbe Gras zu finden sind. Ganz anders ist Tina, eine Frau im mittleren Alter, dass ihr Leben im Dorf lebt und mit Mann und Kind den Alltag bestreitet.
Sardinien als dramatische Kulisse
Sardinien ist für seine schönen Strände und dem klaren türkisfarbenen Wasser bekannt, strahlt aber ebenfalls etwas Raues, kompromissloses und wildes aus. Ideal für ein Drama, in der die Protagonisten auch Antagonisten sind. Eine ist blond, aussergewöhnlich und randständig, die andere ist brünett, konventionell und Teil der Dorfgemeinschaft. Die Verruchtheit der einen ist die Sittlichkeit der anderen, das Widerspenstige der einen ist das Angepasste der anderen. In diese Beziehung kommt das Mädchen Vittoria (Sara Casu), dass sowohl die schönen Strände als auch die Berge liebt.
Tina, gespielt von Valeria Golino, erinnert äusserlich an eine braunhaarige Monica Vitti. Vor allem in der Szene, wo sie mit der Realität konfrontiert wird, die sie ihrer Tochter vorbehalten wollte: Sie tritt uns entgegen, der unscharfe Hintergrund verliert sich in Reflexionen. Ihre Betrunkenheit spiegelt sich im Bild, ihre Konturen sind diejenigen einer klassischen italienischen Frau, die mit wadenlangem, ärmellosen Kleid und schulterlangem braunen Haar, dass so zurecht gemacht wurde, dass es in die Zeit des italienischen Regisseurs Michelangelo Antonioni passen könnte. Eine Szene, in der die Tränen von Tina kullern, die Botox-Stirn von Valeria, lässt allerdings keine grosse Emotionen erkennen. Dafür ist Angelica alles andere als engelhaft und stark in ihrem Auftritt. Eine italienische Tilda Swinton, die mit ihrem elfenhaften Gesicht hypnotisiert.
Die rote, kleine Amazone
Ist die Zeit in Sardinien stehen geblieben, oder ist nur Tina aus einer anderen Zeit? Angelica ist in ihrer Erscheinung zeitgemässer, trägt Hosen, T-Shirts und Kleider, die ihren Körper zeigen. Und Victoria, das rothaarige Mädchen, dass zwischen den zwei Frauen steht, kleidet sich wie es sich für ein Mädchen gehört und geht brav in die Kirche. Bis sie von Angelica Ohrringe kriegt und sich von Tina deshalb beschimpfen lassen muss. Sie wirkt zerbrechlich und ängstlich, wandelt sich aber zur roten kleinen Amazone. Tina und Angelica lässt sie links liegen. Vittoria, was zu Deutsch Sieg heisst, ist unsere Hoffnungsträgerin. Für die Rolle der Frau auf Sardinien, in der Gesellschaft und den Rest der Welt. Das Nichts, das macht Vittoria keine Angst mehr. Überhaupt, scheint ihr Nichts mehr Angst zu machen.
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Kinostart: 23.8.2018 / Regie: Laura Bispuri / Mit: Alba Rohrwacher, Valeria Golino, Sara Casu
Trailer- und Filmquelle: Xenix Filmverleih
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