In seiner bis dato teuersten Serienproduktion beleuchtet das Schweizer Fernsehen die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Basierend auf einer Idee und einem Drehbuch von Petra Volpe («Die göttliche Ordnung»), erzählt die sechsteilige Miniserie «Frieden» die Geschichte einer kriegsversehrten Schweiz, die sich zwischen Ideologie und Pragmatismus im zerrütteten Europa neu erfinden muss. Die von Zodiac Pictures im Auftrag des Schweizer Fernsehens (SRF) und Arte produzierte Serie ist der Startschuss für den stärkeren Serienfokus des Schweizer Fernsehens, das nun jährlich mehrere Millionen in die Serienproduktion investieren möchte. Gleichzeitig lanciert «Frieden» auch die neue kostenlose Streamingplattform des SRF, «Play Suisse».
Wie schon in ihrer letzten Regiearbeit, «Die göttliche Ordnung» (2017), destilliert Drehbuchautorin Petra Volpe in «Frieden» einen grossen gesamtgesellschaftlichen Konflikt geschickt auf einen überschaubaren Mikrokosmos und einzelne Figuren herunter. Im Fokus der Serie stehen drei junge Personen, die sich von der Nachkriegszeit viel erhoffen, jedoch schnell mit der Realität konfrontiert werden. Während die junge Fabrikantentochter Klara (Annina Walt) in einem Flüchtlingsheim für KZ-Überlebende direkt mit den Gräueln der Nazi-Diktatur konfrontiert wird, versucht ihr Ehemann Johann (Max Hubacher), den serbelnden Familienbetrieb in eine neue Zukunft zu steuern – und lässt sich dabei mit zwielichtigen Gestalten ein. Das wiederum ruft Egon (Dimitri Stapfer) auf den Plan, Johanns Bruder, der für die Bundesanwaltschaft ermittelt und geflüchteten Nazis auf der Spur ist.
«Volpe und Regisseur Michael Schaerer verknüpfen in ‹Frieden› verschiedene Genres und sorgen so für packende und kurzweilige Unterhaltung für ein breites Fernsehpublikum.»
Volpe und Regisseur Michael Schaerer («Stationspiraten») verknüpfen in «Frieden» verschiedene Genres und sorgen so für packende und kurzweilige Unterhaltung für ein breites Fernsehpublikum. Im Zentrum der Ereignisse steht ein Wirtschaftskrimi, den die Macher*innen um Jungunternehmer Johann und seine Tuchfabrik spinnen – doch «Frieden» ist auch Thriller und Beziehungsdrama.
Die Serie ist ambitioniert, und insofern ist es auch zu verzeihen, dass sie nicht allen Themen, an denen sie interessiert ist, gerecht werden kann – oder bei gewissen Themen, wie etwa der innenpolitischen Gesamtsituation, zu wenig in die Tiefe geht. Und auch über die konventionellen und bequemen Erzählmuster, die sich hin und wieder bemerkbar machen, kann man hinwegschauen. Das verdankt «Frieden» vor allem seinen drei Hauptdarsteller*innen, die der Herausforderung dieser Serie zu jedem Zeitpunkt gewachsen sind.
«Es ist eine wahre Freude, zu sehen, wie Dimitri Stapfer als Egon vor dem Hintergrund der atemlos inszenierten Ermittlungsarbeit zu Hochtouren aufläuft.»
Es ist eine wahre Freude, zu sehen, wie Dimitri Stapfer als Egon vor dem Hintergrund der atemlos inszenierten Ermittlungsarbeit zu Hochtouren aufläuft. Stapfer, der schon in «Beyto» (2020) überzeugen konnte, empfiehlt sich mit seiner Darbietung als unsteter und getriebener Kämpfer für das Gute endgültig für das Schweizer Filmschaffen. Auch Max Hubacher («Der Verdingbub») als hin- und hergerissener Idealist Johann, der allmählich seine Unschuld verliert, gefällt in dieser Rolle – sein mit zunehmender Laufzeit immer undurchschaubareres Spiel zwischen Naivität und eiskaltem Kalkül überzeugt.
Einzig das Beziehungsdrama zwischen seiner Figur und Klara, das die Serie mit viel Mühe heraufzubeschwören versucht, bleibt flach. Das ist doppelt schade, da es von der ansonsten ebenfalls soliden Schauspielleistung von Annina Walt («Nichts passiert») als Klara ablenkt. Aber auch so ist Walt als moralischer Kompass von «Frieden» ebenfalls eine Entdeckung. Wobei: Gilt eine Schauspielerin, die 2016 gleich doppelt für den Schweizer Filmpreis nominiert wurde, noch als Entdeckung?
«Die aufwendig, und mit acht Millionen Franken Budget teuer produzierte Serie ist auch technisch überzeugend und besticht durch viel Liebe zum Detail. Die Schauplätze, die Kostüme und die Ausstattung wirken authentisch und erwecken die Nachkriegs-Schweiz glaubhaft zum Leben.»
Aber nicht nur schauspielerisch macht «Frieden» Freude (und Eierkuchen?): Die aufwendig, und mit acht Millionen Franken Budget teuer produzierte Serie ist auch technisch überzeugend und besticht durch viel Liebe zum Detail. Die Schauplätze, die Kostüme und die Ausstattung wirken authentisch und erwecken die Nachkriegs-Schweiz glaubhaft zum Leben. Ebenfalls hervorzuheben ist die Musik von Annette Focks, die der Serie mit wiederkehrenden, ja schon fast bittersüssen Klängen die passende Stimmung verleiht und den fast schon blinden Nachkriegs-Optimismus der Protagonist*innen gekonnt mit einer akustischen Portion Unbehagen kontert.
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Jetzt auf Play Suisse
TV-Ausstrahlung: 8./9./11.11.2020 (SRF 1)
Serienfakten: «Frieden» / Regie: Michael Schaerer / Mit: Max Hubacher, Annina Walt, Dimitri Stapfer, Stefan Kurt, Therese Affolter, Urs Bosshardt, Sylvie Rohrer / Schweiz / 6 Episoden à 45 Minuten
Bild- und Trailerquelle: SRF / Sava Hlavacek
Die ambitionierte Miniserie «Frieden» überzeugt auf der ganzen Linie – was nicht zuletzt den drei starken Hauptdarsteller*innen zu verdanken ist.
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